Darts-WM Was der Erfolg von Gaga Clemens für die Sportart in Deutschland bedeutet

Analyse | Düsseldorf/London · Der Saarländer hat durch seine guten Leistungen bei der Darts-WM in London in den vergangenen Tagen viele in Deutschland bewegt. Doch wie nachhaltig ist diese Aufmerksamkeit für die Sportart? Vom langen Warten auf den großen Durchbruch.

Gabriel Clemens klatscht beim obligatorischen Walk-in mit den Fans im Alexandra Palace ab. Auch viele Deutscher waren gekommen.

Gabriel Clemens klatscht beim obligatorischen Walk-in mit den Fans im Alexandra Palace ab. Auch viele Deutscher waren gekommen.

Foto: dpa/Zac Goodwin

Als Gabriel Clemens nach seinem Match gegen Michael Smith am Montagabend die Bühne des Alexandra Palace verließ, waren ihm der Frust und die Enttäuschung anzumerken. Dies ist angesichts der 2:6-Niederlage im Halbfinale der Darts-WM der Professional Darts-Corporation (PDC) nur allzu verständlich. Doch mit etwas Abstand wird der 39-Jährige aus dem Saarland begreifen, was er in den vergangenen Tagen geleistet hat. Als erster Deutscher war er nicht nur in ein Viertelfinale einer PDC-WM vorgedrungen, sondern auch in ein Halbfinale. Dabei hatte er den Weltranglistenersten Gerwyn Price in einer schier unglaublichen Art und Weise mit 5:1 bezwungen.

Clemens stellte neue Rekorde in Sachen Average und geworfene 180er auf und katapultierte sich in der Weltrangliste auf Rang 19. Trotzdem, das Finale hätte er gerne noch gespielt. Mit einem Augenzwinkern sagte er in einem Interview, eine frische Unterhose habe er noch im Gepäck gehabt.

Mit dem, was Gabriel Clemens im Ally Pally gezeigt hat, hat er in der Heimat zahlreiche Menschen begeistert. Viele Sportler aus anderen Sportarten posteten in den sozialen Medien ihre Glückwünsche, auch Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlandes, drückte öffentlich die Daumen. In vielen Wohnzimmern war das Darts-Fieber ausgebrochen. Das Halbfinale gegen Smith sahen bei Sport1 im Schnitt 3,31 Millionen Menschen, die gesamte Session mit dem zweiten Halbfinale im Schnitt 1,99 Millionen Zuschauer. Sport1 berichtete davon, dass erstmals mit Darts die Marke von drei Millionen Zuschauern geknackt wurde. Wie viele Menschen zudem beim Streaminganbieter Dazn geschaut haben, ist nicht klar, dort werden keine Quoten veröffentlicht.

Doch wie nachhaltig ist dieser Erfolg? Dass gerade um die Weihnachtszeit, wo es weniger Konkurrenzveranstaltungen gibt, mehr Leute die WM verfolgen als sonst die vielen anderen Turniere das Jahr über, ist bekannt. Jetzt, da ein Deutscher zumindest zeitweise in der Weltspitze spielt, wie etwa beim Masters Ende Januar in Milton Keynes, kann die Begeisterung für den Sport bei dem einen oder anderen vielleicht konserviert werden. Für den ganz großen Hype hätte es aber wohl einen Titel gebraucht.

Etwas neidisch geht hin und wieder der Blick gen Westen in die Niederlande. Das kleine Nachbarland Deutschlands hat sich zu einer echten Darts-Nation entwickelt. Während bei dieser Weltmeisterschaft drei Spieler aus Deutschland qualifiziert waren, stehen dem zwölf aus den Niederlanden gegenüber. Einen großen Anteil an dem Erfolg des Sports hat Raymond van Barneveld. Vier Weltmeistertitel sicherte er sich bei der BDO, der British Darts Organisation, (1998, 1999, 2003 und 2005). 2007 setzte er sich in dem wohl epischsten Finale bei der PDC gegen Phil Taylor durch und schlug ihn im Entscheidungsleg des 13. Satzes. Durch diese Erfolge erlangte er in der niederländischen Bevölkerung schnell den Status eines Superstars. „Als ich 1998 das erste Mal Weltmeister wurde, sah das bei meiner Rückkehr aus wie bei den Beatles – es waren extrem viele Menschen wegen mir am Flughafen. Das war unglaublich”, hatte er 2016 in einem Interview gesagt. Und seine Erfolge und Bekanntheit hatten in seiner Heimat gerade bei der Jugend einen Darts-Boom ausgelöst. Viele der niederländischen Spieler, auch Michael van Gerwen, kamen zu der Zeit mit dem Sport in Berührung, als van Barneveld seine BDO-Triumphe feierte.

Darts-WM: Die schrägen und witzigen Kostüme der Fans im Ally Pally​
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Die schrägen und witzigen Kostüme der Fans im Ally Pally

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Foto: dpa/Zac Goodwin

Auf diesen einen Moment, der auch hierzulande eine weitgreifende Begeisterung auslösen kann, warten die Experten seit Langem. Eine Begeisterung, wie sie Boris Becker und Steffi Graf mit ihren Erfolgen Ende der 80er-Jahre entfacht haben, als plötzlich fast jedes Kind Tennis spielen wollte.

Potenzial für eine Darts-Nation Deutschland ist definitiv vorhanden. Das zeigt auch die Einschätzung des Weltverbandes, zahlreiche Turniere der European Tour und zwei Major-Turniere in Deutschland auszutragen. Auch, dass eine beachtliche Anzahl an WM-Tickets nach Deutschland verkauft wurde, belegt das. Nicht nur Gabriel Clemens trägt mit seinen Erfolgen dazu bei, dass Darts populärer wird, auch Martin Schindler und Florian Hempel haben sich ordentlich verkauft und gute Spiele gezeigt. Die Zeiten, in denen deutsche Starter als Kanonenfutter herhalten, sie scheinen vorbei.

Und wenn sich aufgrund dieser Erfolge Kinder und Jugendliche dazu berufen fühlen, selbst die Pfeile in die Hand zu nehmen, wird die Begeisterung auch weiter wachsen.

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