Trotz Vorschrift des Weltverbands Semenya will sich neuer Testosteron-Regel nicht unterwerfen

Doha · Es ist ein wegweisender Streit: Will sie weiter bestimmte Strecken laufen, muss Caster Semenya ihren Testosteronspiegel senken. Das zumindest schreibt eine neue Regel des Weltverbands Athletinnen vor, deren Gehalt des männlichen Hormons im Blut zu hoch ist. Semenya denkt aber gar nicht daran, Medikamente zu schlucken.

 Die südafrikanische Athletin Caster Semenya.

Die südafrikanische Athletin Caster Semenya.

Foto: dpa/Nikku

Die Antwort auf die Frage aller Fragen gab Caster Semenya so schnell wie entschieden. Ob sie denn nun ihren Testosteronspiegel medikamentös senken werde, um weiter 800 m laufen zu können? "Hell, no!", sagte die meistdiskutierte Leichtathletin der Welt nach ihrem Diamond-League-Sieg in Doha, ganz sicher werde sie das nicht. Aber - und das wird die Brisanz in Semenyas Fall weiter steigern: Über eben jene Lieblingsstrecke wolle sie definitiv weiter antreten.

Das passte zu einem Abend, der ein wenig Klarheit bringen sollte, der aber nur noch mehr Unklarheit brachte. Offenkundig war in Doha nur die Dominanz der Olympiasiegerin im ersten Rennen nach ihrer Niederlage vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, im letzten, bevor am Mittwoch die neue Regel des Weltverbandes IAAF in Kraft trifft. Diese verpflichtet Semenya zur künstlichen Senkung ihres natürlichen Testosteronwertes, will sie weiter auf bestimmten Strecken antreten.

"Taten sind lauter als Worte. Wenn du ein großer Champion bist, lieferst du immer ab", sagte Semenya am BBC-Mikrofon, nachdem sie in exzellenten 1:54,98 Minuten die Konkurrenz demontiert hatte. Seit September 2015 ist sie über 800 m ungeschlagen. Und daran soll sich auch dauerhaft nichts ändern.

"Warum soll ich jetzt aufhören? Mit 28? Ich habe noch zehn oder mehr Jahre vor mir", sagte Semenya, ruhig, entspannt, voller Vertrauen in höhere Mächte: "Es liegt alles bei Gott. Gott entscheidet über mein Leben und meine Karriere, Gott wird mein Leben und meine Karriere beenden. Kein Mensch wird mich vom Laufen abhalten."

Und ihre Zukunft liege, das sagte sie in Doha deutlich ("Caster Semenya's future is 800m, thank you"), auf den zwei Stadionrunden, auf denen sie ihre körperlichen Vorteile perfekt ausspielen kann. Semenya will sich im Kampf gegen das Diktat des Weltverbandes nicht geschlagen geben, sie wird aller Voraussicht nach beim Schweizer Bundesgericht Einspruch gegen den CAS-Entscheid einlegen, dies muss binnen 30 Tagen erfolgen.

Selbst bei einer Niederlage in der in dieser Hinsicht letzten Instanz müssen ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sein. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, äußerte in menschlicher Hinsicht seine Sympathie für Semenya in diesem Fall und ließ durchblicken, dass das IOC den CAS-Entscheid genau prüfen wird.

Bei der zweiten Diamond-League-Station am 18. Mai in Shanghai stehen die 800 m nicht auf dem Programm, dort wird Semenyas Nebenstrecke 1500 m gelaufen. Der CAS hatte angeregt, die neue Regel für diese Distanz zunächst auszusetzen, da die erhobenen Daten nicht ausreichend seien. IAAF-Präsident Sebastian Coe bekräftigte aber in Doha, dass auch über 1500 m das Regelwerk greifen werde - die Tür für Semenya wäre zu.

Es droht ein langes Hickhack um eine Sportlerin, die unverschuldet in ein riesiges Dilemma geraten ist, das bislang im Sport unvergleichbar ist. Ende September beginnen in Doha, am Schauplatz ihres Triumphs vom Freitag, die Weltmeisterschaften, dort will Semenya erneut über 800 m siegen. Ihr Gottvertrauen allein wird dafür wohl nicht genügen.

(sef/sid)
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