Paris Cadel Evans triumphiert in Paris

Paris · Nach einer nervenaufreibenden 98. Auflage der Tour de France mit zahlreichen schweren Stürzen erobert sich der Australier beim letzten Zeitfahren das Gelbe Trikot und wird in Paris gefeiert. Die deutschen Fahrer sind enttäuscht, Tony Martin kann sich mit einem Etappensieg trösten.

Bei der Fahrt über die Champs-Élysées waren alle Augen auf ihn gerichtet: Cadel Evans. Der Australier ist der große Gewinner der 98. Tour de France. Als aussichtsreicher Kandidat ins Rennen gegangen, zählte er schnell zu den Top-Favoriten auf den Tour-Sieg. Auf den entscheidenden 42,5 Kilometern rund um Grenoble gelang es dem bis dato Gesamtdritten, seinen Widersachern Andy und Frank Schleck mehr als 2:30 Minuten abzunehmen und ins Gelbe Trikot zu fahren. In Paris erlebte er mit einem Vorsprung von 1:34 Minuten auf den jüngeren der Schleck-Brüder die Krönung seiner Laufbahn.

Cadel Evans hat als erster Australier die Gesamtwertung der Tour de France gewonnen. Der 34-Jährige steigt damit in die Riege der größten Athleten seines Landes auf. "Ich kann es noch nicht so richtig glauben", sagte der Kapitän des Teams BMC Racing. Evans gibt nicht das Bild eines typischen Aussies ab. Er ist nicht laut und nicht wild, er wirkt zurückhaltend, auf seinen Job fokussiert. Er ist kein Mann der großen Gesten, doch als er das Gelbe Trikot nach dem Zeitfahren auf der 20. Etappe überstreifen durfte, überkamen ihn die Emotionen.

Bereits bei seinen Dankreden am Tag zuvor galt Evans' erster Gedanke seinem Trainer und Mentor Aldo Sassi, der im Dezember 2010 an einem Gehirntumor gestorben war. "Aldo hat vergangenes Jahr zu mir gesagt: Jetzt, wo du Weltmeister geworden bist, bist du ein kompletter Rennfahrer. Du kannst eine große Rundfahrt gewinnen – und hoffentlich ist es die Tour de France", sagte Evans. "Es wäre für ihn etwas ziemlich Großes gewesen, wenn er mich hätte sehen können."

Evans ist der Weg zum Tour-Sieg nicht leichtgefallen. 2007 und 2008 hatte er ihn nur knapp verpasst. Erst fehlten 23 Sekunden auf den Spanier Alberto Contador, dann 58 Sekunden auf dessen Landsmann Carlos Sastre. 2009 enttäuschte er. 2010 hatten ihn die Leiden der Tour im Griff. Evans brach sich bei einem Sturz den Ellbogen und quälte sich schwer gezeichnet bis nach Paris.

Ähnlich erging es diesmal Andreas Klöden. Nach einem Massensturz auf der neunten Etappe plagten den Geheimfavoriten fortan Rückenschmerzen, die ihn auf der 13. Etappe zum Aufgeben zwangen. Und auch Tony Martin ist enttäuscht. Bereits auf der ersten großen Bergetappe in den Pyrenäen rückte die angestrebte Top-Ten-Platzierung des Cottbusers außer Reichweite. Insgesamt belegte er Platz 44. Durch den Sieg im Zeitfahren in Grenoble gelang ihm zumindest noch ein Befreiungsschlag.

Der deutsche Top-Sprinter Andre Greipel hingegen erfüllte sich bei seiner Debüt-Tour einen Traum mit dem Etappensieg in Carmaux. Die übrigen deutschen Fahrer präsentierten sich als verlässliche Helfer, besonders Routinier Jens Voigt (Leopard Trek) und Marcus Burghardt (BMC Racing). Der 39-jährige Voigt fuhr für die Schleck-Brüder das Peloton am Col du Tourmalet auseinander, Burghardt schleppte seinen Kapitän Evans an der Mur-de-Bretagne zum Etappensieg.

Der große Verlierer der Tour ist Alberto Contador. Ausgebuht vom Publikum, mehrmals gestürzt und in den Bergen abgehängt, konnte er die Erwartungen längst nicht erfüllen. Gewinner hingegen ist Thomas Voeckler. Der Franzose fuhr zehn Tage in Gelb und machte eine starke Figur im Hochgebirge.

Evans ist erst der dritte Nicht-Europäer nach Greg LeMond und Lance Armstrong (beide USA), der das Gelbe Trikot nach Paris trug. Große Anerkennung erhielt er dafür von australischen Radprofis. Matthew Goss twitterte, Evans habe die australische Flagge auf dem Gipfel des Mount Everest platziert. "Du bist eine Legende", schrieb Cameron Mayer. Auch die direkte Konkurrentz erwies sich als fairer Verlierer. "Gratuliere Cadel, du hast es verdient. Es war eine großartige Schlacht, und ich bin gespannt auf nächstes Jahr", sagte der Gesamtzweite Andy Schleck.

Das letzte Teilstück der 98. Tour de France gewann Mark Cavendish. Der Brite feierte fünf Etappensiege.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort