Bruchlandung der Franzosen

Novi sad/Düsseldorf (cze) Die Frage musste kommen. Doch auch die Antwort war zu erwarten. Ob diese EM das Ende einer überragenden Generation sei, wollte ein französischer Journalist von Claude Onesta wissen. Der 54-Jährige, der seit 2004 das Nationalteam betreut und nun erstmals bei einem Großereignis (Olympische Spiele, WM, EM) ein Halbfinale verpasste, hielt sich nicht mit Analysen auf. Er blickte sechs Monate weiter. "Wir sehen uns in London wieder", sagte er. London – das bedeutet Olympische Spiele. Vier Jahre zuvor in Peking begann die Zeit der Franzosen, die seitdem alle Titel holten (Olympia-Gold, zwei WM- und ein EM-Titel).

Auch diesmal war nur gerätselt worden, wer denn der Finalgegner der "Außerirdischen" sein könnte. "Wir sind noch hungrig auf Titel", hatte Nikola Karabatic betont. Man brauche nur, wie bei einem Computer, auf den Resetknopf zu drücken, dann peile man wieder große Ziele an, sagte der ehemalige Kieler, der wieder in Montpellier spielt. Die Realität sieht anders aus. Nur drei Siege in sechs Spielen haben das Team bei dieser EM, in der neue Nationen nach vorne drängen (Serbien, Slowenien, Mazedonien), auf den Boden zurückgeholt.

"Wir hatten nicht die Waffen, um den Titel erobern zu können", stellte Onesta nach der 22:29-Niederlage gegen Kroatien fest, die das Scheitern besiegelte. Die Gegner haben Mut gefasst. Frankreich hatte nicht die Spieler, die eine Partie entscheiden können. Dass Thierry Omeyer (35), einer der Toptorhüter, nicht einmal in der Rangliste der gehaltenen Bälle unter den besten zwölf auftaucht, ist auch ein Zeugnis für Schwächen in der Abwehr, die sonst die Basis der Erfolge war. Aber auch im Angriff waren "Les Bleus", bei denen Guillaume (35) und Bertrand Gille (33), Jerome Fernandez (34), Daniel Narcisse (32) und Abwehrchef Didier Dinart (35) in die Jahre gekommen sind, weit von alter Klasse entfernt.

Die größte Enttäuschung aber ist Karabatic. "Frankreich hat stets von einem Karabatic in Weltklasseform gelebt. Hier aber war er nur unterer Durchschnitt", urteilte Bob Hanning, Manager des Bundesligisten Füchse Berlin. Der 27-Jährige, seit 2002 in der Knochenmühle "Hochleistungssport", konnte die oft hilflosen Angriffsaktionen nicht mit seiner Genialität und körperlichen Präsenz in Toren enden lassen. In London wird sich zeigen, ob es die alten Franzosen noch drauf haben.

(RP)
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