Joshua-Ersatz Charr „Werde Fury in vier Runden ausknocken“

Update | Berlin · Tyson Fury ließ das „Battle of Britain“ gegen Anthony Joshua platzen. Und plötzlich darf ein gewisser Mahmoud Charr wieder vom WM-Titel träumen.

Tyson Fury feiert hier seinen Sieg gegen Dillian Whyte.

Tyson Fury feiert hier seinen Sieg gegen Dillian Whyte.

Foto: AP/Nick Potts

Für die große Kampfansage an Tyson Fury vergaß Mahmoud Charr alle Bescheidenheit und griff ins oberste Regal. „Andy Warhol hat gesagt“, so der Kölner Profiboxer im SID-Interview, „jeder Mensch hat 15 Minuten in seinem Leben, um weltberühmt zu werden. Das sind meine 15 Minuten. In vier Runden werde ich Tyson Fury ausknocken.“ Am 3. Dezember soll sich diese tollkühne Prophezeiung tatsächlich erfüllen.

Am Montag hatte Charrs Management den WM-Kampf gegen Fury angekündigt, nachdem der britische Schwergewichts-Champion seine Kampfofferte an den früheren Titelträger Anthony Joshua in einem mit Beleidigungen gespickten Social-Media-Video zurückgezogen hatte. Das Duell um den WM-Gürtel nach WBC-Version soll, so hieß es von der Charr-Seite, „in Manchester oder Cardiff“ steigen.

Fury selbst hatte den 37 Jahre alten Charr zuvor bereits bei Instagram gelobt. „Ich freue mich, gegen einen Mann anzutreten, der kämpfen will und das Feuer sowie Verlangen hat“, kommentierte Fury ein Foto von sich und Charr: „Er hat gegen einige der Besten gekämpft und steigt nun wieder auf.“

Dabei war der 3. Dezember eigentlich für ein noch größeres Spektakel reserviert. Für den Vereinigungskampf um die Ehre des unumstrittenen Champions zwischen Fury und Alexander Usyk, Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF. Doch der Ukrainer will 2022 nicht mehr kämpfen, also bot Fury Anfang September dem gerade erst von Usyk zum zweiten Mal geschlagenen Ex-Champ Joshua einen Fight an diesem Termin an.

Am 13. September sprach das Joshua-Management von einer Einigung - Verträge waren aber offensichtlich nicht unterschrieben worden, weshalb Fury Joshua eine Frist bis Montagnachmittag setzte, die jedoch verstrich. Charr konnte dies nicht verstehen: „Entweder du bist ein Boxer und nimmst jede Herausforderung an oder du bist ein Schauspieler. Dann geh nach Hollywood!“

Doch auch Furys Verhalten gab zuletzt Rätsel auf. Eigentlich wollte der in 33 Kämpfen unbezwungene Hüne von 2,06 m doch gar nicht mehr in den Ring steigen. Mehrfach hatte er seinen Rücktritt erklärt, nachdem er in seinem bislang letzten Fight am 23. April Dillian Whyte geschlagen hatte. Genauso oft tauchte Fury aber wieder rasch auf der Bildfläche auf und fabulierte von Bedingungen für ein Comeback.

Für jenes gibt er sich nun mit dem Ersatzgegner des Ersatzgegners zufrieden. Das Leistungsvermögen Charrs, einst regulärer WBA-Weltmeister, lässt sich derweil nur schwer einschätzen. Gegen Weltklasse-Techniker Fury wird er krasser Außenseiter sein, absolvierte nach seinem Ringcomeback nur zwei Kämpfe gegen Christopher Lovejoy (Mai 2021) und Nikola Milacic (Mai 2022), die er immerhin gewann.

Der Fury-Kampf ist das nächste bunte Kapitel im Lebenswerk des Mahmoud Charr, der in seiner Laufbahn auf 33 Siege und vier Niederlagen kommt. 2012 verlor er seinen ersten WM-Kampf gegen Witali Klitschko, 2015 wurde er in einem Essener Döner-Imbiss angeschossen, zwei Jahre danach bekam er zwei künstliche Hüftgelenke. Nur Monate später gewann er den WBA-Titel gegen den Russen Alexander Ustinow, ehe er über drei Jahre pausierte.

Der Titelgewinn war ein richtungsweisender Moment für Charr - inklusive Posse um seinen deutschen Pass, den Charr, wie er erst später eingestand, gar nicht besaß. Mittlerweile hat er ihn aber in der Tasche und so könnte der „Koloss von Köln“ mit syrisch-libanesischen Wurzeln nun wirklich der erste deutsche Schwergewichts-Champ seit Max Schmeling werden. Auch wenn das gegen einen Tyson Fury enorm schwer werden dürfte.

(rent/stja/sid)
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