Düsseldorf Beihilferecht: EU nimmt Fußball ins Visier

Düsseldorf · Die EU-Kommission wird prüfen, ob Zuschüsse an deutsche Profivereine wettbewerbsverzerrend waren.

595 000 Euro war das Brachland wert, das Real Madrid bei einem Grundstückstausch für 22,7 Millionen Euro an die Stadt Madrid veräußerte. Seit 1990 genießen Real, der FC Barcelona, Athletic Bilbao sowie Atlético Osasuna Vorteile bei der Körperschaftsteuer. All das hat die EU-Kommission aufmerksam gemacht – denn es könnte sich um Verstöße gegen das EU-Beihilferecht handeln. Wird den Vereinen nachgewiesen, dass sie in der Tat wettbewerbsverzerrende Finanzspritzen aus Steuergeldern erhalten haben, drohen ihnen Rückzahlungen in Millionenhöhe.

Rollt da eine Lawine auch auf deutsche Profiklubs zu? Alles andere wäre eine Überraschung, denn sieben spanische Vereine hat die EU-Kommission bereits offiziell am Wickel – drei Prüfverfahren wurden eröffnet. Fünf niederländische Vereine, auch der PSV Eindhoven, sind schon länger im Visier.

Dass die EU-Kommission das Beihilferecht auf den Profisport – und speziell den lukrativsten, den Fußball – anwendet, ist noch relativ neu. Im März 2012 versicherten der für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissions-Vizepräsident Joaquín Almunia und Uefa-Präsident Michel Platini in einer gemeinsamen Erklärung, dass das EU-Beihilferecht und die "Financial Fair Play"-Regeln dieselben Ziele verfolgen. Im Oktober 2012 schrieb die Kommission die Mitgliedsstaaten erstmals zum Thema Beihilfen an, nachdem sich Beschwerden von Bürgern gehäuft hätten. "Manche dieser Beschwerden betrafen kommunale Maßnahmen zugunsten örtlicher Fußballvereine, andere bezogen sich auf Maßnahmen auf nationaler Ebene, wie Abgabenregelungen für Fußballvereine", heißt es in dem Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb, das unserer Zeitung vorliegt. "Profifußballklubs sollten ihre Betriebskosten und Investitionen selbst erwirtschaften, anstatt den Steuerzahler in Anspruch zu nehmen", sagte Almunia.

Doch deutsche Profivereine haben das Themen Beihilferecht bisher offenbar noch nicht auf dem Schirm. Mehr als 100 Millionen Euro etwa sollen Stadt und Land über Jahre in den 1. FC Kaiserslautern gepumpt haben. Die Übernahme von Verbindlichkeiten und den Erlass von Steuerschulden finden Experten fragwürdig. "Der 1. FC Kaiserslautern hat keine entsprechenden Beihilfen bekommen", sagt Vereinssprecher Christian Gruber. "Für uns ist das Thema nicht relevant", sagt auch Christian Schönhals, Sprecher des VfL Bochum. Im letzten Sommer hatten Medien aus einer Vorlage des NRW-Finanzministeriums zitiert, laut der dort die Tilgung für Landesbürgerschaften wiederholt ausgesetzt wurde. Auch das könnte bei einer Einzelfallprüfung unter Umständen als beihilferechtswidrig ausgelegt werden.

Die in NRW verbreitete Praxis der Landesbürgschaften für Stadionbau – solche haben Schalke, Dortmund, Mönchengladbach, Duisburg, Bielefeld und Aachen erhalten – ist Experten zufolge prinzipiell unproblematisch. Auch betrachtet die Kommission Förderungen des Sportanlagenbaus unter Umständen als zulässig, wenn die Anlagen zusätzlich etwa dem Breiten- und Jugendsport oder für Konzerte dienen. Beihilferechtlich heikel wird es allerdings, wenn die Kommission den Vorgang im Vorfeld nicht geprüft hat, marktunübliche Zinsen vereinbart werden oder die Vereine die Darlehen nicht wie vorgesehen tilgen.

Das Argument, dass Vereine ihren Geldgebern Einnahmen bringen, etwa durch Gewerbesteuer, dürfte ins Leere stoßen. "Mit solchen Umwegrenditen wird immer dann argumentiert, wenn der Staat Subventionen in ein Projekt steckt und sagt, das bringe Arbeitsplätze und helfe auch strukturpolitisch", sagt Robin van der Hout, Brüsseler Beihilferechtsexperte der Gladbacher Kanzlei Kapellmann und Partner. "Da ist die Kommission in ihrer Praxis jedoch sehr streng und spricht von Nebeneffekten, die für die Bewertung der Beihilfe irrelevant sind." Van der Hout rechnet damit, dass bald die ersten deutschen Klubs ins Visier der EU-Kommission geraten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort