Drohgebärden des Weltverbandes Baumann-Start kann DLV WM-Teilnahme kosten

Dortmund (sid). Nach Drohgebärden des Weltverbandes IAAF muss der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) angesichts des Meisterschafts-Starts von Dieter Baumann den Ausschluss seiner Athleten bei der Hallen-WM am zweiten März-Wochenende befürchten.

"Die IAAF kann den DLV als Mitglied vorübergehend suspendieren, so dass unsere Athleten in Lissabon nicht startberechtigt wären", sagt der designierte DLV-Präsident Clemens Prokop.

Das vom Rechtsauschuss-Vorsitzenden Wolfgang Schoeppe erteilte und vom Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte Startrecht für Baumann interessiert die IAAF herzlich wenig. "Der DLV muss mit den regelkonformen Konsequenzen rechnen", warnte IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai am Wochenende erneut vor dem Start des bis zum 21. Januar 2002 gesperrten Tübingers. Der Ungar machte den rechtlichen Standpunkt der IAAF unmissverständlich klar: Ein ordentliches Gericht könne nicht in den Zusammenhang eingreifen, "der durch Anerkennung des internationalen Regelwerks durch die nationale Federation entstanden ist".

Deshalb hatte Gyulai Mitte der Woche noch einmal auf den Paragraphen 53.1.ii im IAAF-Regelwerk hingewiesen. Danach droht jenen Aktiven der Entzug des Startrechts, die bei einer Veranstaltung gegen einen suspendierten Athleten antreten. Die von DLV-Präsident Prof. Helmut Digel als "lächerlich" bezeichnete Regel will auch Baumann nicht akzeptieren: "Hier geht es nur noch um prinzipielle Fragen: Wer stellt Regeln auf? Mit welchen rechtsstaatlichen Prinzipien sind diese zu vereinbaren? Wer hat sich daran zu halten?"

Zwar wollte Digel Konsequenzen für die Athleten nahezu ausschließen ("Die IAAF hat signalisiert, dass sie staatliche Urteile respektieren will"). Doch das Wort Sanktionen hing wie ein Damoklesschwert über den deutschen Hallenmeisterschaften. In einem Handzettel wies der DLV alle DM-Teilnehmer auf die Gefahren einer Sperre hin, sicherte jedoch "allen Athletinnen und Athleten, denen insoweit ein Verfahren droht, Rechtsschutz zu".

Doch dieses Schreiben erreichte viele DM-Starter nicht. "Davon war mir nichts bekannt. Jetzt muss ich inständig darauf hoffen, dass nichts passiert", sagte die auf Hallen-WM-Gold spekulierende Siebenkämpferin Sabine Braun. Auch Leverkusens Sportlicher Leiter Paul-Heinz Wellmann kritisierte: "Wieso konnte die Information nicht früher und damit garantiert für alle erfolgen?" Kämpferisch gibt sich Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler: "Ich wüsste mich schon zu wehren. Das sollten sie einmal probieren."

Dieter Baumann ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst. "Natürlich habe ich die ganze Woche an die Athleten gedacht. Aber alle Rechtsargumente sind ausgetauscht. Laut Athletenvertrag habe ich eine nationale Startberechtigung", sagte der 5.000-m-Olympiasieger. Der deutsche Rekordhalter ging seinen Start allerdings "mit ganz geringen Emotionen" an: "Dass man so viel aufwenden muss, um etwas Normales zu erreichen, kann man nicht als Erfolg sehen."

Dem am 24. März aus dem Amt scheidenden Digel käme eine Konfrontation mit der IAAF nicht ungelegen. "Diesen Konflikt möchte ich gerne durchstehen. Die IAAF hat zu lernen, dass ihre Regeln an staatliche Gesetz gebunden sein müssen." Sportwart Rüdiger Nickel geht sogar weiter. "Es wird Zeit, dass man mit dem Hammer auf die nationalen und internationalen Rechte haut. Wir müssen ein völlig neues Regelsystem aufbauen, sonst bleibt es immer Flickwerk", sagt der Hanauer Anwalt.

Die Gegensätze zwischen Digel und seinem designierten Nachfolger wurden in Dortmund erneut deutlich. Amtsrichter Prokop ("Es hat im Präsidium nicht viel zum Knall gefehlt") will Scharmützel mit der IAAF vermeiden und kämpfte bis zuletzt gegen einen Start Baumanns. Von einem angeblich von ihm initiierten Befangenheitsantrag gegen den Rechtsausschuss war ihm "nichts bekannt".

(RPO Archiv)
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