e-Sport Basketball düpiert Fußball - an der Konsole

Köln/Düsseldorf · Weltweit verdienen Menschen mittlerweile ihr Geld mit E-Sport. Ausgerechnet der reale Sport tut sich schwer. In den USA geht die Basketball-Liga nun voran - und düpiert damit den Fußball.

 E-Sport für die Massen: Jugendliche an den Konsolen der GamesCom.

E-Sport für die Massen: Jugendliche an den Konsolen der GamesCom.

Foto: Oliver Berg/dpa/Oliver Berg

Eine Gesellschaft verlangt nach Menschen, zu denen sie aufschauen kann. Sportler, Musiker, Schauspieler. Stars. Die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass Menschen auch durch Schminktipp-Videos zu Stars werden können. Oder durch das Spielen von Videospielen.

Jannis Neumann aus Dinslaken ist so einer: Ein Spiele-Star. Der 21-Jährige hat seinen Job als Hotelfachmann in Köln gekündigt, um in den USA an der Konsole die Basketball-Simulation "NBA2K" zu spielen – professionell, in Vollzeit, gegen ein üppiges Salär von rund 25.000 Euro für sechs Monate. Neumann sagt: "Es ist natürlich surreal, damit sein Geld zu verdienen. Ich habe früher neun Stunden am Tag im Hotel gearbeitet und dann abends je nach Laune noch gezockt. Das kam aber an zweiter oder dritter Stelle. Jetzt sind Videospiele mein Job, das ist schon komisch."

 Profi-Basketballer an der Konsole: Jannis Neumann in Dallas.

Profi-Basketballer an der Konsole: Jannis Neumann in Dallas.

Foto: NBAE/Getty Images/Michelle Farsi

70.000 Bewerber für 102 bezahlte Plätze

Als einer von 102 Spielern wurde er aus 70.000 Bewerbern für die digitale Basketball-Liga "NBA 2K-League" ausgewählt. 17 Mannschaften, die auch in der realen NBA am Ball sind, stellen in dieser Liga jeweils ein Team. Die NBA setzt damit als erste Profi-Sportliga der Welt auf ein eigenes Konzept für den sogenannten E-Sport. Die Spieler wurden in aufwendigen Auswahlverfahren weltweit gesucht. In den USA leben sie in der Stadt, die sie auch in der virtuellen Liga repräsentieren. Neumann ist in Dallas gelandet und darf für die "Mavericks" spielen – jenes Team, für das in der Realität auch der deutsche Superstar Dirk Nowitzki und sein Landmann Maximilian Kleber auflaufen. Seit einigen Wochen sind die beiden Basketballer aber nicht mehr die einzigen Deutschen, die auf der Straße erkannt werden. "Das ist mir jetzt schon öfter passiert, auf dem Weg zum Essen zum Beispiel. E-Sport ist in Dallas eine große Sache", sagt Neumann, der seine neue Star-Rolle selbst noch nicht ganz fassen kann.

Die virtuellen NBA-Spiele werden im Internet übertragen und dort von Hunderttausenden verfolgt. Die Teams haben eigene Luxus-Apartments, ein Trainingsgelände mit Video-Analyse-Raum und einen Mental-Trainer. Es gibt Pläne für die körperliche Fitness und die Ernährung. Digitaler Basketball als echter Leistungssport unter höchst professionellen Bedingungen eben.

Probleme zwischen Profi-Ansprüchen und massenhaft Amateuren

Für die Branche sind die Profis, wie es sie mittlerweile in zahlreichen Spielen gibt, Fluch und Segen zugleich. In Köln, direkt am Rheinufer, hat Electronic Arts (EA) seinen Deutschland-Sitz. Der Spieleentwickler ist Branchen-Primus und bringt mit der Fußballsimulation "FIFA" unter anderem das beliebteste Computerspiel überhaupt heraus. Rund zwei Millionen Mal wurde "FIFA 18" seit Erscheinen im September 2017 allein in Deutschland mittlerweile verkauft, weltweit waren es bis Jahresende weit über zehn Millionen. EA setzt mit seinem Klassiker, den es schon seit den 90er Jahren gibt, jährlich hohe dreistellige Millionen-Beträge um.

"FIFA ist ein Massenprodukt. E-Sports ist nur die Spitze des Eisbergs. Diese Spitze betreibt das Spiel bis zur Perfektion, die Spieler fordern die künstliche Intelligenz des Computers maximal", sagt EA-Sprecher Marc Goroll. "Aber es gibt eben auch die, die nur ein bisschen spielen wollen. Es ist ein Spagat, die beiden Seiten bestmöglich zufrieden zu stellen. Das ist sehr schwer". In der aktuellen Ausgabe des Spiels kam es im November 2017 zum Aufschrei unter den Profis, als EA per Online-Update einige Fehler beheben wollte. Dadurch veränderte sich jedoch das Spielerlebnis grundsätzlich, und das mitten in der laufenden Saison der Profis. Einige Stars der Szene kündigten daraufhin ihren Ausstieg an, Preisgeldern von bis zu 200.000 Dollar zum Trotz.

"FIFA ist mittlerweile so ein komplexes Spiel, das ein korrigierter Fehler schnell zu anderen Fehlern führt", erklärt Goroll. Der Hersteller beziehe Profis und Amateure gleichermaßen in die Weiterentwicklung ein, für die Zukunft gelte aber, "dass wir mit Updates vorsichtiger umgehen müssen".

Schließlich kann EA es sich nicht leisten, die Aushängeschilder der Szene zu vergraulen. Sie sind mit ihrer Fangemeinde im Internet zu einem mächtigen Marketing-Werkzeug für das Spiel geworden. Gleichzeitig sind die Spieler auf gut entwickelte Spiele angewiesen, denn Sportsimulationen tun sich auf dem E-Sport-Markt schwer. Deutlich beliebter sind vor allem Shooter- und Strategie-Spiele wie "League of Legends", deren Turniere werden in Arenen vor bis zu 20.000 Zuschauern ausgespielt. Gewalt ist meist wichtiger Bestandteil dieser Simulationen, weshalb sie kaum klassische Mitbewerber haben - anders als im Sport. "Eine ganz große Konkurrenz für den Fußball-E-Sport ist der reale Fußball. Als Fan kann man eigentlich jeden Abend live richtigen Fußball schauen", sagt Goroll.

 E-Sport-Turniere werden vor Tausenden in Kölner Lanxess-Arena ausgespielt.

E-Sport-Turniere werden vor Tausenden in Kölner Lanxess-Arena ausgespielt.

Foto: Kristiansson/ESL

Vereine und Ligen tun sich beim Einstieg schwer

Das erklärt vielleicht auch, wieso - anders als im Basketball - es bislang noch keine Kooperationen mit den Fußball-Ligen gibt und viele Vereine sich mit einem Einstieg schwer tun. Bislang sind in Deutschland lediglich Schalke 04, RB Leipzig, der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim dabei. Goroll sagt: "Unser Traum ist, dass jeder Bundesligist eine E-Sports-Abteilung betreibt. Wir müssen ihnen zeigen, wie sie das schaffen."

Eine gewichtige Rolle für diese Ambitionen wird die kommende Ausgabe des Dauerbrenners spielen. "FIFA 19" wurde am Samstag, 9. Juni, in Los Angeles präsentiert und bekannt gegeben, dass sich EA für "FIFA 19" unter anderem die Rechte an der Champions League und der Europa League gesichert hat – den beiden wichtigsten Wettbewerben des analogen europäischen Fußballs. Eine authentische Darstellung dieser Wettbewerbe auf der Spielkonsole könnte den Herstellern neue Möglichkeiten für E-Sport-Turniere bieten.

Helfen beim Versuch, E-Sport noch populärer zu machen, sollen auch die Politik und die Sportverbände. Anfang Mai trafen sich Vertreter der Branche mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zum ersten "Games-Gipfel". Rund 100 Spiele-Unternehmen haben ihren Sitz in NRW, Laschets Ziel: "Wir wollen Games-Standort Nummer eins in Deutschland sein." Gleichzeitig werben Unternehmen und Spieler darum, E-Sport als Disziplin bei den Olympischen Spielen aufzunehmen. Der Deutsche Fußball-Bund hat zumindest für Fußball-Simulationen wie FIFA seine Unterstützung angekündigt. Zurückhaltender geben sich die Beteiligten jedoch bei den Killer- oder Actionspielen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verkündete jüngst, dass diese Spiele nicht als Sport bezeichnet werden sollen.

Der echte Sport, mit dem realen Dirk Nowitzki auf dem Basketball-Parkett, steht auch in den USA weiterhin im Hauptfokus. Die E-Sport-Liga trägt ihre Spiele in einem kleinen Studio zentral in New York aus. Für die NBA ist der Konsolen-Wettbewerb ein Test, der vorerst bis Ende August läuft. "Ich weiß nicht, wie es nach dieser Saison weitergeht", sagt Jannis Neumann. Gut möglich, dass ab Herbst aus dem Videospiel-Star wieder ein Hotelfachmann wird.

(cbo)
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