Auch Köln ist gescheitert Darum ist NRW ein Basketball-Entwicklungsland

Düsseldorf · 2013 starteten in Hamburg und Köln Basketballvereine das Projekt Bundesliga-Aufstieg. Die Hamburg Towers haben es geschafft. Köln dagegen spielt ab der kommenden Saison nur noch viertklassig. Warum tun sich viele Klubs so schwer? Eine Spurensuche.

 Leverkusens Alexander Blessing zieht zum Korb: Ab der kommenden Saison spielt der deutsche Rekordmeister Bayer Giants wieder zweitklassig.

Leverkusens Alexander Blessing zieht zum Korb: Ab der kommenden Saison spielt der deutsche Rekordmeister Bayer Giants wieder zweitklassig.

Foto: imago/Beautiful Sports/BEAUTIFUL SPORTS/Mueller-Laschet

In Köln träumten die Basketball-Fans von Berlin und München, ab der kommenden Saison heißen die Gegner stattdessen Grevenbroich und Wulfen. Die Rheinstars Köln wollten mit aller Macht in die Basketball-Bundesliga, aber sind bei dem Versuch, den Kölner Basketball dorthin zurückzubringen, krachend gescheitert. Die Mannschaft ist mit nur fünf Siegen in 22 Spielen aus der drittklassigen ProB abgestiegen. Trotz sportlicher Erfolge mussten in der Vergangenheit schon die beiden Bundesligisten Saturn Köln und Köln 99ers aufgeben. Nun droht der nächste Klub aus der Stadt in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

„Ich glaube, dass Köln eine sehr gute Chance gehabt hätte, sich über die Jahre in Richtung Bundesliga zu entwickeln. Das Publikum dafür wäre da gewesen. Aber das Hallenproblem hat dem Projekt die Beine weggezogen“, sagt Hansi Gnad, Basketball-Europameister von 1993 und Trainer der Bayer Giants Leverkusen, die in der kommenden Saison in der zweihöchsten deutschen Spielklasse ProA antreten werden.

Dort wollten auch die Kölner Macher schnell hin. Nachdem die Rheinstars 2015 den Aufstieg aus der Regionalliga geschafft hatten, übersprangen sie die ProB, um direkt in der ProA anzutreten. Ein Schritt, der der Marke zum Verhängnis werden sollte: Die Rheinstars mussten aus der „ASV-Sporthalle“ mit ihren 1000 Plätzen in die riesige, 18.500 Zuschauer fassende Kölner Arena ziehen, da sie die einzige Halle in der Stadt ist, die die strengen Regularien der ProA erfüllt. Für die Spiele wurden der Oberrang und ein Teil des Unterrangs abgehängt, sodass etwa 3500 Zuschauer hineinpassten. Das aber konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Halle völlig überdimensioniert ist für Zweitligabasketball in Deutschland. Eine Arena für 3000 bis 6000 Zuschauer, in der Bundesligabasketball möglich wäre, gibt es in Köln nicht.

Die meisten Sitze in der Arena blieben leer, die Stimmung blass. Die Halle war ein Marketingdesaster und eine Geldvernichtungsmaschine. Als auch im dritten Jahr der Aufstieg nicht klappte, hatten die Verantwortlichen ein Einsehen und zogen sich in die ProB zurück. Nun also die Regionalliga. „Ich bin müde. Uns fehlt die Perspektive, mit einer vernünftigen Halle höher spielen zu können“, sagt der ehemalige Nationalspieler und Leverkusener Stephan Baeck, der starke Mann bei den Rheinstars. Hoffnung machen ihm Planspiele, wonach in Köln eine neue, bundesligataugliche Halle entstehen könnte. „Wo die Kölner jetzt gelandet sind, tut dem Basketball in NRW sehr, sehr weh“, sagt Gnad. Besonders weil sich die Geschichte wiederholt.

Gescheitert sind in der Vergangenheit viele Basketballprojekte in NRW. In Düsseldorf zum Beispiel. Mitte der 2000er versuchten es die Düsseldorf Magics aufzusteigen. Als Leverkusen mit seiner Bundesligamannschaft nach Düsseldorf umzog, nachdem Bayer sein Engagement drastisch zurückgefahren hatte, waren die Magics Geschichte. Ihre Lizenz übernahm der FC Bayern München.

Auch die Düsseldorf Giants mussten das Projekt Bundesliga-Basketball bald aufgeben. Der Verein war ohne echte Fan-Basis und als One-Man-Show unter dem türkischen Trainer Murat Didin zur Lachnummer verkommen. Der Verein startete im Amateurbereich neu und hat es inzwischen in Kooperation mit der ART Düsseldorf in die ProB geschafft. Ein achtbarer Erfolg.

Nordrhein-Westfalens einzige Bundesliga-Konstante sind die Baskets aus Bonn. Seit 1996 ist die ehemalige Bundeshauptstadt Erstliga-Standort. Auch, weil hier die Telekom ihren Hauptsitz hat und als kontinuierlicher Geldgeber und Namenssponsor auftritt. Mehr aber noch, weil sich die Baskets 2006 als erster Basketball-Bundesligist überhaupt eine eigene Spielstätte finanzierten: 6000 Plätze samt Trainingszentrum und Geschäftsstelle für 15 Millionen Euro. „Das war damals schon ein gewaltiges Wagnis“, erinnert sich Sportdirektor Michael Wichterich. „Aber ohne diese Entscheidung wäre Erstliga-Basketball in Bonn heute kaum noch vorstellbar, dann hätten wir möglicherweise einen ähnlichen Weg wie Leverkusen genommen.“ Stattdessen halten die Bonner mittlerweile alleine die NRW-Fahne hoch, seit Phoenix Hagen 2016 Insolvenz anmelden musste. „Uns fehlt schon ein echtes Derby, so wie früher gegen Rhöndorf oder Leverkusen. Das waren Rivalitäten, die Anreiz und Saison-Höhepunkt zugleich waren“, sagt Wichterich. Solche Duelle gibt es heute nur noch im Jugendbereich, wo Teams aus NRW stark vertreten sind, ehe es die Talente später in die (finanzkräftigen) Bundesliga-Standorte im Norden oder Süden zieht. An eine Rückkehr der NRW-Derbys im Seniorenbereich glaubt Wichterich auch deshalb nicht: „Ich sehe nicht, wie Köln ohne Halle oder Leverkusen ohne große Bayer-Unterstützung in den nächsten sechs, sieben Jahren wieder nach oben kommen könnten.“

Der Blick nach Hamburg muss den Basketball-Standort NRW besonders nachdenklich machen. Zeitgleich zu den Kölner Rheinstars war dort 2013 das Projekt „Towers“ gestartet. Ab der kommenden Saison spielt die Mannschaft in der Basketball-Bundesliga. Die Perspektiven der Hamburger scheinen glänzend.

Die Towers spielen in einer Arena mit 3400 Plätzen – die meistens ausverkauft ist. Wer dort das Erlebnis Basketball kennenlernt, will mehr. Mit Hilfe öffentlicher Gelder und einer Stiftung wurde für 14 Millionen Euro aus einer ehemaligen Messehalle eine moderne Sportarena. Die Halle im Multikulti-Stadtteil Wilhelmsburg hat den Hamburgern viele Möglichkeiten eröffnet, die andernorts fehlen. „Ich bin immer noch der Meinung, dass es Köln in die Bundesliga schaffen könnte, wenn es eine entsprechende Halle gäbe“, sagt Gnad, der auch schon im Trainerstab der Nationalmannschaft arbeitete. „Die Region würde einen weiteren BBL-Standort hergeben. Ich glaube, auch in Leverkusen wäre das möglich. Aber dazu gehört so viel. Die Anforderungen haben sich stark verändert.“

Die Liga schreibt Bundesligisten einen Mindestetat von drei Millionen Euro vor. Sie brauchen eine Halle mit mindestens 3000 Plätzen, hauptamtliche Trainer in der Jugend und in der Geschäftsstelle, LED-Banden und eine Trainingshalle. Das ist für viele Klubs schwer zu stemmen, weil meistens entweder Geld, Halle oder Strukturen fehlen. Aktuell verweigerte die Liga dem sportlichen Aufsteiger aus Nürnberg und dem Erstligisten Eisbären Bremerhaven die Lizenz. Nürnberg fehlt die Halle, Bremerhaven das Eigenkapital. „Der Basketball hat in den vergangenen Jahren eine enorme Professionalisierung durchgemacht, auch in der Jugend“, sagt Gnad. „Unsere Jugend ist noch immer top im deutschlandweiten Vergleich. Unsere zweite Mannschaft spielt dort, wo die erste von Köln spielt. Aber wir kriegen die Top-Talente jetzt nicht mehr automatisch. Das Bild hat sich total verändert. Das Top-Programm ist in Berlin. Die Crème-de-la-Crème sitzt woanders.“ Dort, wo das Geld sitzt. In Sport-Deutschland ist das beim Fußball.

So ist der Krösus im deutschen Basketball aktuell derselbe wie im Fußball: der FC Bayern München. 2010 ließ Vereinspräsident Uli Hoeneß die Mitglieder über eine Stärkung der Basketball-Abteilung abstimmen, 75 Prozent stimmten zu. Seither fließen die Millionen, was 2014 und 2018 bereits zur Meisterschaft führte. Und auch in dieser Saison sind die Bayern das Maß aller Dinge, mit nur zwei Niederlagen in 32 Spielen dominieren sie die Liga.

Für Liga-Geschäftsführer Stefan Holz sind die Bayern ob ihrer Strahlkraft gleichermaßen Glücksfall wie Hoffnungsträger. „Natürlich können wir Fußballvereinen erläutern, wieso es für sie attraktiv ist, es Bayern München gleich zu tun und auch mit Ambition in den Basketball zu gehen“, sagt Holz. Nach Informationen unserer Redaktion ist die Liga bereits auf Fußball-Vereine aus NRW zugegangen. Ein Duell Schalke gegen Bayern etwa würde auch auf dem Basketball-Parkett für Brisanz und Aufmerksamkeit sorgen. In der Realität musste die Basketball-Abteilung von Schalke 04 allerdings lange um den Klassenerhalt in der ProA kämpfen. Höhere Ambitionen ließe die aktuelle sportliche Situation nicht zu, teilte der Verein unserer Redaktion mit. Im Allgemeinen schließt Holz eine Sonderbehandlung durch die Liga aus: „Wir sind keine Franchise-Liga, die sich ihre Teilnehmer aussucht. Wir stehen zum europäischen Sportsystem mit Auf- und Abstieg, und können deshalb auch nur beobachten, wie sich einzelne Standorte entwickeln.“

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