Interview mit dem Chef der Basketball-Bundesliga „Ein gemeinsames Format mit Eishockey oder Handball wäre hochspannend“

Dem Basketball in Deutschland geht es gut - eigentlich. Nie spielten mehr Deutsche in der NBA, die Nationalmannschaft ist stark besetzt und könnte sich erstmals seit 2010 wieder für eine WM qualifizieren, die Liga will in zwei Jahren die beste Europas sein. Also alles gut? Ein Gespräch mit Liga-Geschäftsführer Stefan Holz.

  BBL-Geschäftsführer Stefan Holz.

BBL-Geschäftsführer Stefan Holz.

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Herr Holz, Sie sind Ökonom, haben Unternehmen und TV-Sender beraten. Mögen Sie Basketball überhaupt?

Stefan Holz: Klar, ich bin sozusagen Sport-Freak. Außerdem schließen sich Ökonomie, Medien und Basketball sicherlich nicht aus, ganz im Gegenteil.

Aber die Liga hat Sie 2015 ja vor allem wegen Ihrer Fähigkeiten im Vermarktungsbereich geholt. Drei Jahre später läuft der Vertrag mit der Telekom bis 2023, easyCredit hat die Namensrechte bis mindestens 2021 gekauft, Spalding hat auch verlängert – die Liga ist also auf Jahre marketingmäßig ausgeschlachtet.

Holz: Unser neuer Gesundheitspartner Barmer nicht zu vergessen. Grundsätzlich ist man nie ausvermarktet, aber momentan gibt es tatsächlich keine größeren Vermarktungsflächen, die von Seiten der Liga nicht belegt sind. Grundsätzlich stellt sich bei einer Zentralvermarktung aber immer die Frage: Wie erzielen wir den insgesamt höchsten Wert für unser Produkt? Wenn wir also eine neue Fläche schaffen und unsere 18 Klubs vermarkten diese in Summe beispielsweise für zusammen fünf Millionen Euro, wir generieren zentral aber „nur“ zwei Millionen, dann sollte diese Fläche tendenziell natürlich dezentral vermarktet werden. Wobei es neben dem Erlös immer noch weitere Faktoren zu berücksichtigen gilt.

Im TV gibt es die Liga seit 2014 vor allem im Internet-Stream bei der Telekom. Auf welchem frei empfangbaren TV-Sender wird es die Bundesliga nächstes Jahr zu sehen geben?

Holz: In Sachen Bewegtbild wollen wir vier Bereiche abdecken. Wir haben mit der Telekom einen Partner, der alle unsere Spiele hochwertig produziert und auf seiner Bezahl-Plattform ausstrahlt. Dazu muss es auch in der kommenden Saison eine sinnvolle Free-TV-Ergänzung geben. Die steht aktuell noch nicht, da sind wir noch in Gesprächen. Drittens braucht es auch im Jahre 2018 immer noch eine starke öffentlich-rechtliche Präsenz, zumindest in Form von Highlights in den Sport-Sendungen von ARD und ZDF. Und viertens braucht es eine starke digitale Verbreitung, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken. Ich sehe uns insgesamt gut aufgestellt, auch wenn es noch einige Hausaufgaben zu erledigen gilt.

Zum Sportlichen: Die neureiche Basketball-Macht Bayern holte vergangene Saison das Double – gut oder schlecht für das Ansehen der Liga, wenn der Fußball-Dominator nun auch den Basketball übernimmt?

Holz: Ich empfange keine Botschaften, dass die jüngsten Bayern-Erfolge im Basketball kritisch gesehen werden. Ganz im Gegenteil. Bayern München ist doch ein Glücksfall für die Liga. Von Dominanz kann im übrigen auch keine Rede sein. In den letzten zehn Jahren war sieben Mal Bamberg Meister und nur zweimal die Bayern.

Sie würden es also begrüßen, wenn mehr Fußballvereine dem Münchner Beispiel folgen und eine Basketball-Abteilung aufbauen würden?

Holz: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die eine oder andere starke Fußballmarke uns gut täte. Ich muss aber klar sagen: Aktuell sehe ich keinen Verein, der nur annähernd so Gas gibt, wie der FC Bayern es tut. Der gesamte Verein und massgebliche Personen wie Uli Hoeneß in München müssen wirklich und nachhaltig hinter so einem Projekt stehen, und natürlich muss auch eine geeignete Halle zur Verfügung stehen. Ich würde einen Einstieg einer Fussball-Marke immer unterstützen, glaube aber an einen gesunden Mix aus Marken, Großstädten, aber auch traditionellen Standorten und „gallischen Dörfern“, in denen Basketball gelebt wird. So wie beispielsweise in Bamberg, Gießen, Göttingen oder Vechta.

Aber gerade in den Großstädten fehlt es doch an Basketball-Spitzenclubs. Köln, Hamburg, Leipzig, Stuttgart – da gibt’s viele Einwohner, aber keinen Basketball-Bundesligisten.

Holz: Die Liga ist kein Reißbrett-Produkt. Alle aktuellen Vereine haben es sich erspielt, in dieser Liga spielen zu dürfen. Beispielsweise wird in Weißenfels in Sachsen-Anhalt seit Jahren großartige Arbeit geleistet, dieser Club deckt außerdem ein Stück weit den Leipziger Raum ab, genauso wie Ludwigsburg den Stuttgarter Markt. Trotzdem haben wir weiße Flecken die uns wehtun. Ich würde mir vor allem im Ruhrgebiet eine Präsenz wünschen. Köln, Düsseldorf, Leverkusen haben alle ihre eigene, teils traurige Geschichte. In Köln scheitern immer wieder ambitionierte Basketball-Projekte an einer geeigneten Halle. Aber solche Entwicklungen können wir nicht steuern, wer nächste Saison in der Liga spielt, der hat es auch verdient.

Aber mit Ausnahme von Berlin hat kein Standort mehr als 7000 Fans im Schnitt, da sind Handball oder Eishockey voraus. Muss eine weitere Anpassung der Lizenzvorgaben her – möglicherweise in Kombination mit einer Verkleinerung der Liga von 18 auf 16 Teams?

Holz: Wachstum entsteht nicht durch eine Liga-Verkleinerung. Das Thema ist ohnehin bis auf weiteres durch, da es hierfür keine Mehrheit gibt. Was wir aber geändert haben: Jeder Verein muss künftig 250.000 Euro Eigenkapital nachweisen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verbessern und Insolvenzen im laufenden Spielbetrieb zu vermeiden. Zweitens haben wir den Mindestetat von zwei auf drei Millionen Euro erhöht, was ein kontrovers diskutierter und großer Schritt ist. In diesem Zusammenhang haben wir auch die Hallenkapazität diskutiert. Wir sind dann aber zum Schluss gekommen, dass die aktuelle Mindestkapazität von 3000 erstmal bleibt. Dieses Thema ist komplexer als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und wird uns weiter beschäftigen. Vielleicht muss man die Größe künftig nach Standortgröße differenzieren, aber einfach nur mal eben eine Zahl rauszuhauen ist zu kurz gedacht.

Ein Magnet für Fans und Zuschauer ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Dirk Nowitzki. Wie sehr wird sein baldiges Karriereende dem Basketball und der Liga in Deutschland schaden?

Holz: Dirk Nowitzki ist der möglicherweise größte Sportler und ganz sicher der beste Teamsportler den Deutschland je hatte. Es wird schwer bis unmöglich sein, da einen adäquaten Nachfolger – auch charakterlich – zu finden. Aber man muss auch sagen: Dirk Nowitzki spielt seit 20 Jahren in den USA, und auch in seinen glanzvollsten Zeiten konnte er alleine die BBL nicht substantiell voranbringen. Mir ist ganz gewiss nicht bange vor der Zukunft nach Dirk Nowitzki, solange wir unsere Hausaufgaben machen. Zumal wir heute mit Dennis Schröder einen neuen Star und insgesamt sieben deutsche Spieler in der NBA haben. Das ist sicherlich auch Dirk aber eben auch der Nachwuchsförderung der Liga zu verdanken.

Nehmen Sie es Nowitzki übel, dass er zum Ende seiner Karriere nicht nochmal in Deutschland spielen wollte?

Holz: Da habe ich nicht mal ansatzweise drüber nachgedacht. Mir steht es auch nicht zu, über seine Karriereplanung zu sinnieren.

Der Deutsche Basketball Bund (DBB) ist Teil der Initiative „Teamsport Deutschland“, gemeinsam mit den Verbänden aus Fußball, Volleyball, Handball und Eishockey. Was kann denn der Deutsche Fußball Bund (DFB) noch vom Basketball lernen?

Holz: (lacht) Gute Frage. Auch da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Das sind völlig andere Voraussetzungen. Wir haben als Profiligen mit der „Initiative Profisport Deutschland“ seit Jahren ein ähnliches Konstrukt, wo wir uns mit der Fußball-, Handball- und Eishockeyliga austauschen. Denn es gibt durchaus gemeinsame Themen: Glücksspiel und Werbeverbote, Lärmschutz, Sicherheit, oder auch Nachwuchs- und Ausländerregelungen. Das kann man alles miteinander abgleichen. Gleichzeitig wollen wir alle wachsen, der Fußball halt auf einem völlig anderen Niveau als wir. Ob die Fußball-Bundesliga da von der Basketball-Bundesliga lernen kann? Die Frage stellt sich für mich nicht.

Naja, gerade haben zahlreiche Einzelsportarten mit der „European Championship“ bewiesen, dass man die fußballfreie Zeit zwischen WM und Bundesliga für den eigenen Sport nutzen kann – ganz ohne den Fußball daran zu beteiligen. Sowas sucht man bei den Teamsportarten vergeblich.

Holz: Ich finde das Konzept „European Championship“ herausragend und auch spannend, dass es von den öffentlich-rechtlichen Sendern so mitgetragen und stark beworben wurde. Wenn sieben europäische Verbände es schaffen, ihre Terminkalender zu synchronisieren, dann weiß ich, was für ein Akt dahinter stand. Ich habe durchaus Fantasie für Teamsport-Projekte abseits vom Fußball, in denen wir unsere Plattformen bündeln. Eine solche Bündelung hätte sicherlich Charme und kann auch eine enorme Chance sein, aber wir müssen auch so selbstbewusst sein und sagen: Wir sind auch alleine attraktiv genug für Übertragungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Letztlich ist es doch so: Eishockey, Volleyball, Handball, Basketball – alle wollen große Turniere wie EM oder WM gerne in Deutschland austragen. Wieso sowas nicht mal gemeinsam veranstalten?

Holz: Wie gesagt: Auch ich finde das hochspannend und wir werden – so viel kann ich sagen –gemeinsam mit den anderen Ligen die Köpfe zusammenstecken und schauen, ob wir gemeinsame Ansätze finden. Nur: Bündelung alleine wird nicht reichen, um öffentlich stärker wahrgenommen zu werden. Wir müssen auch alleine attraktiv genug sein.

Seit Jahren verfolgt die Liga das Ziel, 2020 die beste Basketball-Liga Europas zu sein. Wie wollen Sie das eigentlich definieren?

Holz: Unser Ziel gilt nach wie vor. Wir wollen 2020 die beste nationale Liga Europas sein. Ich glaube, dass es enorm wichtig für die Liga war, dieses Ziel auszugeben, denn so hatten alle Klubs eine gemeinsame Vision, hinter der man sich versammeln konnte. Die BBL entwickelt sich in die richtige Richtung, das zeigen die Kennziffern und wird uns auch von anderen europäischen Ligen und dem Basketball-Weltverband bescheinigt. Am Ende geht es aber nicht darum, eine Liste mit Kennziffern abgehakt zu haben, sondern insgesamt darum, dass wir in maßgeblichen Bereichen schon heute auf Augenhöhe beispielsweise mit der spanischen Liga sind. Diese substanzielle Entwicklung wollen wir fortsetzen.

Konkret bitte: Was sind die Kennziffern, an denen Sie die Stärke der BBL bemessen wollen?

Holz: Dahinter steht ein Dreiklang aus erstens medialen Kennziffern, also letztlich: Wie viele Menschen erreichen wir. Es geht zweitens um wirtschaftliche Faktoren. Und am Ende betreiben wir Profisport, also geht es drittens logischerweise auch um sportliche Erfolge. Wir wollen bis 2020 noch den einen oder anderen Erfolg im Europapokal verzeichnen – und dann werden wir mal einen Strich darunter ziehen.

Die wirtschaftlichen Bedingungen im europäischen Vergleich sind denkbar ungleich. Muss die Liga nicht verstärkt auf eine Art europäische Gehaltsobergrenze drängen?

Holz: Das Thema hat ja zum Beispiel der Fußball auch. Solange in anderen Ländern ganz andere Steuersätze gelten oder das Gehalt in einer Plastiktüte übergeben wird, herrscht natürlich keine finanzielle Chancengleichheit. Wir werfen dafür andere Pluspunkte in die Waagschale: Hochsolide Klubs die vereinbarte Gehälter auch pünktlich zahlen, dazu volle und moderne Hallen, und einen extrem kompetitiven Wettbewerb. Und so gelingt es uns – wie auch im Fußball – immer wieder internationale Topspieler in die Liga zu holen. Den Wettbewerb mit anderen Ländern müssen wir deshalb nicht scheuen.

Die EuroLeague sorgt auch an anderer Stelle für Ärger. Es gibt Terminstreitigkeiten mit dem Weltverband FIBA, mit der Konsequenz, dass EuroLeague-Spiele und Nationalmannschaftstermine kollidieren. Was kann die Liga tun, da eine Besserung herbeizuführen?

Holz: Das ist eine unsägliche Situation, die dem Sport schadet. Wir haben aktuell vier verschiedene europäische Wettbewerbe ohne klare Struktur und Verzahnung. Wir müssen dahin kommen, dass jeder beim Blick auf die Abschlusstabelle weiß, in welchem europäischen Wettbewerb sein Team kommende Saison spielt. Wir sind Betroffene, auf unseren Rücken wird dieser Streit ausgetragen. Klubs und Ligen sind hier alleine gelassen, aber wir müssen den Druck aushalten, Spieler sowohl für die Nationalmannschaft abstellen, als auch in der EuroLeague starke Teams an den Start schicken. Wir müssen letztlich ein Problem lösen, das wir nicht verursacht haben und das wir alleine auch gar nicht lösen können. Nochmal: Das ist unsäglich.

Wurde mit der EuroLeague eine Parallelgesellschaft geschaffen, die in Konkurrenz zu den herkömmlichen nationalen Ligen steht?

Holz: Die EuroLeague ist mittlerweile eine eigene Liga, wie der Name schon sagt. Sie erhöht bald von 16 auf 18 Teams, es wird eine Hin- und Rückrunde gespielt – also ist die EuroLeage kein klassischer europäischer Pokalwettbewerb mehr. Es ist für mich trotzdem keine Frage, dass wir als ambitionierte Liga in diesem starken Wettbewerb vertreten sein und eine gute Rolle spielen müssen. Es ist keine Option für uns, die EuroLeague zu ignorieren.

In der kommenden Saison werden wohl so viele Deutsche in der NBA spielen, wie nie zuvor. Eigentlich schlecht für die Liga, wenn die besten Spieler in den USA spielen, oder?

Holz: Es ist vollkommen unrealistisch, dass Spieler, die in der NBA einen garantierten Vertrag bekommen, in der BBL spielen. Wir stehen in der Mitte der Nahrungskette, die NBA thront mit weitem, weitem Abstand am Ende dieser Kette. Entsprechend sind wir stolz, wenn wir die NBA – das Endprodukt im Basketball-Markt – mit tollen Spielern beliefern können. Das beweist ja letztlich auch unsere sportliche Entwicklung.

Die Entwicklung von Talenten bis hin zu Startern ist kostspielig – und dann gehen die Jungs an US-Colleges, zu den Bayern oder eben in die NBA. Ist Nachwuchsförderung für kleinere Standorte überhaupt lukrativ?

Holz: Die Vereine der BBL investieren insgesamt 15 Millionen Euro pro Jahr in die Nachwuchsförderung. Das refinanziert sich auf verschiedenen Wegen. Zunächst mal entwickeln die Vereine mit ihren jungen Talenten aus der Region eigene Aushängeschilder und Identifikationsfiguren. Der Spielanteil deutscher Spieler steigt kontinuierlich, das kommt bei den Fans und Sponsoren an. Und Nachwuchsförderung erzeugt neben Spitze auch Breite, was wiederum an den Standorten die Fanbasis vergrößert.

Wie wichtig ist bei der weiteren Entwicklung der Erfolg der Nationalmannschaft?

Holz: Total wichtig. Wir brauchen eine sympathische und starke Nationalmannschaft, das ist die vielzitierte „Lokomotive“ für unseren Sport. Welche Auswirkungen eine erfolgreiche Nationalmannschaft haben kann, konnte man zuletzt im Eishockey beobachten. Nach der Silbermedaille bei den olympischen Spielen in Südkorea gab es dort in der Liga einen regelrechten Boom.

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