Trabrennsport vor düsterer Zukunft Frust statt sonntäglicher Wettlust

Mönchengladbach · Einst war der Trabrennsport ein Magnet für Pferdefreunde aus jeder Gesellschaftsschicht. Auf der Rennbahn in Mönchengladbach ist das Fahren und Wetten seit 125 Jahren Tradition. Doch die Zukunft des Sports sieht düster aus.

 Früher fanden sich auf der Trabrennbahn in Mönchengladbach mehr Zuschauer ein als heutzutage (Archivbild).

Früher fanden sich auf der Trabrennbahn in Mönchengladbach mehr Zuschauer ein als heutzutage (Archivbild).

Foto: Detlef Ilgner

Es gab Zeiten, da rangen Zehntausende Besucher auf den Trabrennbahnen um die besten Plätze. Sie standen Schlange, um Wetteinsätze von 50 Pfennig oder gar einem halben Vermögen Deutscher Mark zu setzen. Auch Werner Pietsch erinnert sich daran. Sein erster Besuch auf der Trabrennbahn war 1975. Der damals 18-Jährige fuhr von Mönchengladbach nach Gelsenkirchen - und bestaunte europäische Spitzenpferde beim Elitepreis-Turnier. 50.000 Zuschauer taten dies, darunter Arbeiter, Männer im feinsten Zwirn und Frauen mit Hüten auf dem Kopf. Dem Pferdesport blieb Pietsch treu. Er war neun Jahre lang Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Rheinischen Trabrennsports. Und setzt sich heute für das Überleben dieser traditionsreichen Sportart ein.

An der Niersbrücke in Mönchengladbach steht die älteste deutsche Trabrennbahn. 125 Jahre Geschichte. Und die Jahre merkt man ihr an: Putz und Holzsplitter blättern von Tribünen, Stallungen und den kleinen Wetthäuschen. All das hat nur deshalb Charme und ist auch irgendwie chic, weil es nostalgische Gefühle weckt. Die Relikte zeugen von einer Zeit, in der hier sonntägliche Wettlust statt Frust herrschten.

Die ersten Trabrennen wurden bereits 1799 in Russland veranstaltet. Ohne festes Regelwerk organisierten meist Bauern solche Zuchtrennen. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich der Trabrennsport in Europa und in den USA. 1864 wurde ein eigenes Rennsystem festgelegt. Und mit Einführung der Rennwette wurde der Sport dann zum Spektakel und der Trab im Speziellen zum beliebten Volkssport. Hans "Hänschen" Frömmig ist bis heute einer der populärsten deutschen Fahrer und vielen ein Begriff.

Einst schrieb Siegfried Kracauer über das Publikum: "Es ist bei diesen Trabrennen eine merkwürdige Legierung aus eleganten Interessenten beiderlei Geschlechts und einer wenig mondänen Menge in betonten Festtagskleidern." Und mit dieser Feinmalerei lag der Soziologe goldrichtig: Sonntags auf der Rennbahn standen Familienväter mit Frau und Kind, Großeltern mit Enkeln oder auch prominente Gäste beisammen. Es sind heute aber keine Zehntausende mehr.

An einem normalen Renntag in Gladbach kommen einige Hundert Besucher. Im vergangenen Jahr kamen an 15 Renntagen immerhin insgesamt 25.000 Zuschauer. An diesem Feiertag werden es wieder viele sein, denn der Verein feiert 125-jähriges Rennbahn-Jubiläum mit einem bunten Programm und rund 50.000 Euro an Preisgeldern. Michael Nimczyk, Champion der Trabrenn-Berufsfahrer aus Willich-Neersen, gastiert. Ebenso Isabell Werth, erfolgreichste Dressurreiterin der Welt. Sie wird Sattel gegen Sulky tauschen. Vielleicht lässt sich am Donnerstag ab 11 Uhr der ein oder andere Promi sehen - wie es in den 1970er und 80er Jahren oft war.

Auf der Gelsenkirchener Rennbahn "Gelsentrab" etwa verbrachten Fußballspieler wie Klaus Fischer oder Hannes Bongartz gern spielfreie Tage. In Mönchengladbach ließ sich Borussias Rainer Bonhof häufiger mal sehen. Nationaltorwart Manuel Neuer, gebürtiger Gelsenkirchener, pflegte dies auch eine Zeitlang. Doch prominenter Besuch ist selten geworden und beschränkt sich auf hochkarätige Events - etwa auf das Deutsche Traber-Derby in Berlin. Aus dem Fokus "normaler" Fans ist der Sport ebenfalls gerückt.

Dass Trabrennen an Attraktivität verloren hätten, glaubt Werner Pietsch allerdings nicht. Für ihn hat der Bedeutungsverlust andere Gründe: "Im Internet kann man mittlerweile von überall aus auf alles wetten", sagt er. Deswegen blieben Besucher aus. Zudem hätten Tierschutzorganisationen den Ruf beeinträchtigt - zu Unrecht, betont Pietsch: "Die Pferde wollen laufen. Sie sind trainiert wie ein Athlet." Der 1. Vorsitzende des Trabrennvereins, Elmar Eßer, erklärt zudem: "Der Wendepunkt kam Mitte der 80er Jahre, als der Pferdesport das Monopol auf Glücksspiel verloren hat."

Dass der Sport seine besten Zeiten hinter sich hat, ahnt man hier vielleicht. Die Verantwortlichen planen dennoch, Sanierungen mit Hilfe von Sponsoren und Ehrenamtlern bald anzugehen. Zum Jubiläum wollen sie gut 4000 Besucher begrüßen. Pietsch wirbt mit einem alten Spruch: "Es braucht sich keiner Sorgen um sein Geld zu machen. Wenn er es nicht selbst in der Tasche hat, hat es ein anderer. Aber es geht nichts verloren." Es lebt die Hoffnung, dass das auch für die Tradition des Trabrennens gilt.

(ball)
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