Tischtennis-WM Wachablösung vertagt

Düsseldorf · Timo Boll begeistert die Tischtennis-Fans auch bei der Heim-WM in Düsseldorf. Kronprinz Dimitrij Ovtcharov muss sich hinten anstellen.

Tischtennis-WM: Die Einzelkritik der deutschen Spieler
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Die Einzelkritik der deutschen Spieler

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Foto: dpa, jg jai

Letztlich war alles wie immer. Wenn bei der Tischtennis-Weltmeisterschaft die Finals in Einzel und Doppel ausgetragen werden, hat eben China die Nase vorn. Auch in Düsseldorf, als Ma Long bei den Herren, Ding Ning bei den Damen und natürlich beide Doppel die Goldmedaillen für das Reich der Mitte abholten. Lediglich das japanische Mixed Maharu Yoshimura/Kasumi Ishikawa brach in die Phalanx ein.

Alles wie immer - und dennoch spannend, hochklassig und mitreißend. Und was für das internationale Tischtennis gilt, darf ohne Einschränkung auf das deutsche übernommen werden. Die nationalen Stars der Szene zeigten Sport auf allerhöchstem Niveau, doch eine Wachablösung fand in der Düsseldorfer Messe nicht statt. In der Weltrangliste hat der dort fünftplatzierte Dimitrij Ovtcharov (28) seinen acht Jahre älteren Kumpel Timo Boll inzwischen zwar um drei Plätze überflügelt. Doch wenn es hart auf hart kommt, ist der Platzhirsch eben zur Stelle. Als einziger Deutscher erreichte Boll das Viertelfinale und begeisterte dabei die Fans.

Glücklich war der Topspieler des deutschen Rekordmeisters Borussia Düsseldorf dennoch nicht. "Meine Leistung war gut, aber die Enttäuschung ist trotzdem da", fasste der gebürtige Hesse zusammen. "Es ist sehr ärgerlich, dass ich im Viertelfinale gegen Ma Long den sechsten Satz trotz einer 8:4-Führung nicht eingefahren habe." Man müsse gegen den Weltranglisten-Ersten jeden Ball zu hundert Prozent dort platzieren, wie man es sich taktisch zurechtgelegt habe. "Schafft man das nur zu 95 Prozent, haut er einem einen Angriffsschlag um die Ohren. In den entscheidenden Phasen hat Ma die ganz schweren Bälle getroffen. Das macht die wahre Nummer eins der Welt aus."

Eine gestochen scharfe Analyse, bereits wenige Minuten nach dem bitteren Aus - typisch für Timo Boll, einen ganz großen Champion. Und weil er genau das ist, ruht sich der Düsseldorfer nicht auf seiner erneut bestätigten Rolle als deutscher Platzhirsch aus. "Ich habe jetzt bei drei Weltmeisterschaften in Folge jeweils im Viertelfinale gegen einen ganz starken Chinesen ein gutes Spiel gemacht", sagte Boll. "Gewonnen habe ich keines dieser Spiele. Das ist nicht frustrierend, dafür sind die Chinesen einfach zu stark, aber es schon ein bisschen traurig."

Dennoch verließ der beste deutsche Tischtennisspieler aller Zeiten seine Heim-WM nicht unzufrieden. "Nach den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr in Rio habe ich noch gedacht, dass Ma Long und die übrigen chinesischen Topspieler komplett außerhalb meiner Reichweite gelandet sind", erinnerte er sich. "Jetzt freue ich mich, dass ich mich doch wieder näher herangekämpft habe. Ma hat mich nicht überrollt, ich konnte das Publikum mitnehmen, und das war wichtig für mich. Aber ich bin nun mal ehrgeizig, ich will dann auch gewinnen."

Das gelang gegen Ma Long, mit dem er gemeinsam im Doppel-Achtelfinale an den späteren Weltmeistern Fan Zhendong/Xu Xin scheiterte, diesmal wieder nicht. Dimitrij Ovtcharov kam gar nicht dazu, seine Kräfte mit Chinas Assen zu messen: Für den früheren Düsseldorfer, der kürzlich mit seinem aktuellen Klub Fakel Orenburg aus Russland die Champions League gewann, war bereits im Achtelfinale gegen den Japaner Koki Niwa Schluss.

"Ich bin schon extrem enttäuscht", gab "Dima" zu. "Ich hatte mir fest vorgenommen, mit dem tollen Publikum im Rücken das Wunder möglich zu machen und einen der großen Chinesen zu schlagen." Das Wunder blieb aus, so wie die deutsche Wachablösung. "Es gab viele harte Niederlagen in meinem Leben", sagte Ovtcharov, "und sehr viele schöne Momente. Beides macht einen stärker." Er wird es wieder versuchen, Boll ebenso. "Ich fühle mich gut, es macht mir Spaß, weiter zu ackern", betonte der 36Jährige. "Vielleicht liegen noch ein paar schöne Tischtennis-Jahre vor mir." Für die Konkurrenz klingt das beinahe wie eine Drohung.

(jol)
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