Tischtennis-Weltverbands-Präsident Weikert "Zwei deutsche Medaillen wären super"

Düsseldorf · An diesem Montag beginnt die Tischtennis-WM in Düsseldorf. Der Weltverbands-Präsident Thomas Weikert spricht über Korruption, Schlägertuning und Parteilichkeit.

 Thomas Weikert.

Thomas Weikert.

Foto: Andreas Krebs

Thomas Weikert geht mit gemischten Gefühlen in die heute startende Tischtennis-Weltmeisterschaft in Düsseldorf (bis 5. Juni). Auf der einen Seite freut sich der gebürtige Hesse auf die Heim-WM, auf der anderen Seite ist er angespannt. Am 31. Mai will er als Präsident des Weltverbands ITTF wiedergewählt werden.

Herr Weikert, heute startet die WM in Düsseldorf. Worauf liegt Ihr Fokus?

Weikert Ich spüre große Vorfreude. Dieses Mal ist es besonders. Einerseits ist es eine WM im eigenen Land, erstmals als ITTF-Präsident. Andererseits stehen natürlich mitten während der WM die Wahlen am 31. Mai an. Ich weiß also nicht, ob ich auch als Präsident aus der WM herausgehe.

Warum ist die Wahl während der WM?

Weikert Weil dann fast alle Delegierten vor Ort sind. Es ist eine Kostenfrage. Und da wird es schon politisch. Ich bin dafür, dass in Zukunft alle Delegierten im Wahljahr die Reise zur WM bezahlt bekommen. Damit schließt man Manipulationen aus.

Können Sie das bitte näher erklären?

Weikert Ich habe das durchgerechnet. Wenn wir von 200 Verbänden und Durchschnittskosten von 1000 Euro ausgehen, dann kostet das 200.000 Euro verteilt auf vier Jahre, macht 50.000 Euro pro Jahr. Das sollte es wert sein. Dann muss man sich nicht darum kümmern, ob manche Reisen von irgendwelchen Quellen bezahlt werden, um die Stimmabgabe zu beeinflussen.

Gibt es da konkrete Verdachtsmomente?

Weikert Man hört davon, dass einige Delegierte die Reise bezahlt bekommen. Die Absicht dahinter kann ich nicht nachweisen. In Ozeanien ist aber definitiv Geld geflossen, um Delegierte nach Düsseldorf zu bringen. Das geht nicht. Zumal es verschleiert wurde. Das ist der Hang zur Korruption. Ich will das nicht. Ich glaube, die große Mehrzahl der Verbände möchte das auch nicht.

Sie haben sich das Thema Transparenz auch auf ihre Wahlkampffahnen geschrieben. Was muss getan werden, um Korruption zu verhindern?

Weikert Nachweise sind schwierig zu führen. Ich glaube, es läuft bei uns noch einigermaßen korrekt. Aber ich höre viel. Die einfachste Methode ist, mit den Leuten zu sprechen, aufzuklären, dass diese Mauscheleien nichts bringen. Es entspricht nicht den Maßgaben von Good Governance. Es darf nicht sein, dass Geld genommen wird, um einen Kandidaten zu wählen.

Sie haben einen Gegenkandidaten bei der Wahl. Den Belgier Jean-Michel Saive. Ist das also ein Vorwurf an ihn?

Weikert Das will ich so nicht verstanden wissen. Ich weiß, dass Geld geflossen ist. Das hatte aber mit ihm persönlich nichts zu tun.

Ihr Vorgänger, der ehemalige ITTF-Präsident Adham Sharara, hat als Wahlleiter Stimmung gegen Sie gemacht hat. Wie kann das sein?

Weikert Ich würde mir wünschen, dass so etwas nicht passiert. Er leitet die Mitgliederversammlung und ist Ehrenpräsident. Diese Unterstützung für Saive geht nach Ethik- und Good-Governance-Regeln einfach nicht. Jemand der zwei neutrale Positionen inne hat, darf sich nicht auf eine Seite schlagen.

Haben Sie mit Adham Scharara persönlich über dieses Thema gesprochen?

Weikert Ich habe mindestens zwei Mal persönlich mit ihm gesprochen. Zudem wurden schriftliche Nachrichten ausgetauscht. Es drückt sich vor einer konkreten Antwort. Was ich der internationalen Presse entnehmen kann, leugnet er die Parteilichkeit. Wobei es dafür klare Nachweise gibt. Zudem sieht er das Ganze als nicht so gravierend an.

Haben diese Vorspiele dafür gesorgt, dass sie schlechtere Chancen auf eine Wiederwahl haben?

Weikert Das glaube ich nicht. Es werden sich nicht so viele davon beeinflussen lassen. Ich denke, ich habe eine gute Mehrheit hinter mir. Es geht mehr um den Fakt, dass solch eine Einflussnahme nicht geht.

Sie sehen sich also als klaren Favoriten?

Weikert Nicht als klaren Favoriten, aber die Mehrheit der Verbände möchte Stabilität und erkennt meine Leistungen an. Das sollte zu einem positiven Ergebnis für mich führen.

Wird Guinea-Bissau für Sie stimmen?

Weikert (lacht) Die würden vielleicht für mich stimmen, haben aber noch kein Stimmrecht in diesem Jahr. Genau wie die anderen drei neuen Länder (Bahamas, Eritrea, Kap Verde).

Guinea-Bissau ist vor kurzem 226. Mitglied der ITTF geworden. Sie führen damit den ersten internationalen Sportverband, der alle Nationalverbände unter sich versammelt hat. Sie waren in Guinea-Bissau. Was hat die Aufnahme für eine Bedeutung für den Verband und für Sie persönlich?

Weikert Ich war in Guinea-Bissau. Ich hatte dem Entwicklungsteam vor anderthalb Jahren versprochen, das letzte Land, das Tischtennis spielt, werde ich besuchen. Das "Full House" ist eine tolle Sache. Die vier neuen Verbände sind aber nicht nur eine Nummer. Wir investieren in jedem Land durch Sponsoren 30.000 Euro für Kurse und Trainer. Die ITTF ist auf das Thema Entwicklung bezogen einer der stärksten Fachverbände.

Nicht nur hinter den Kulissen gibt es im Tischtennis Diskussionen um Transparenz und Chancengleichheit. Stichwort Schlägertuning. Timo Boll kritisiert die ITTF. Was sagen Sie?

Weikert Ich habe wiederholt zur Kenntnis genommen, dass Timo sich über Wettbewerbsverzerrung beschwert. Das ist Timos Meinung. Fakt ist, dass es meiner Meinung nach keine gravierende Wettbewerbsverzerrung gibt. Aber wir haben zusammen mit Timo und einem Hochschulprofessor ein Verfahren entwickelt, um die Schläger zu kontrollieren. Das passiert aber nicht von heute auf morgen. Timo ist da etwas ungeduldig.

Wo liegen Probleme?

Weikert Die Athleten müssen bereit sein, zu akzeptieren, dass die Beläge vom Holz genommen werden. Die Meinung ist geteilt. Derzeit ist sie bei ja. Das ist auch notwendig. Damit schließt man einen Teil aus, der manipulieren will. Ich glaube, das die überwiegende Mehrzahl der Athleten fair ist, aber es gibt natürlich auch schwarze Schafe.

Was muss geschehen, um Schläger besser zu prüfen?

Weikert Es ist eine Geldfrage, aber es ist nicht zu teuer. Die Frage ist, wie setze ich es am besten um. Und da sind sich die Experten noch nicht ganz einig. Ich denke, dass wir bald — vielleicht schon in der nächsten Saison — eine Lösung finden.

Wir haben vergangene Woche mit Torsten Küneth, der in der ITTF-Materialkommission sitzt, gesprochen. Er sagt auch, dass es politisch schwierig ist, Mehrheiten zu bilden, weil viele Verbände diese Kontrollen bis zur Basis durchziehen möchten. Im Fußball gibt es aber auch keine Dopingkontrollen in der Kreisklasse. Zumindest im Profibereich muss doch Chancengleichheit überprüft werden?

Weikert Das sollte man tun. Wir kriegen das auch hin. Ein Beispiel: Wir müssen ja gewährleisten, dass ein Spieler nicht benachteiligt wird, weil wir den Belag herunterreißen. Also könnten wir bei einer WM ab dem Viertelfinale die Schläger der Ausgeschiedenen kontrollieren. Das würde gehen. Wir müssen die Spitze sauber kriegen. Wenn die Spitze sauber ist, bleibt auch die Jugend sauber. Da würde ich zustimmen.

Stimmen Sie Timo Boll auch zu, dass für ein neumodisches Konzept TTX Geld ausgegeben wird, nicht aber für Schlägerkontrollen?

Weikert Das kann ich so nicht verstehen. Bei der Materialkontrolle sollten wir in jedem Falle Geld ausgeben, um Fairness zu gewährleisten. Beim Konzept TTX gibt es Refinanzierungsmaßnahmen. Wir haben auch nur gesagt, es ist teuer. Nicht, dass es zu teuer ist. Es heißt nicht: Wir geben Geld für TTX aus, das andere lassen wir sterben. Das wird es mit mir nicht geben.

Sind die Regeln beim Material zudem zu schwammig formuliert?

Weikert Wir müssen sie vielleicht klarer formulieren, ja. Man muss auch selbstkritisch sein. Theoretisch könnte man die Booster auch freigeben. Ursprünglich wurde das Verbot wegen des Gesundheitsschutzes, der Gase beim Frischkleben, eingeführt. Heute ist das anders. Man könnte sagen: Ölt die Schläger doch ein, ist doch okay. Ich bin nicht dafür, aber es wäre zumindest eine Option.

Im Fußball wird über die Dominanz der Bayern geklagt. Diese Problematik beschäftigt das Tischtennis seit Jahren mit den Chinesen. Ist das schädlich für den Sport?

Weikert Sie sind einfach die besten. Es ist dort Volkssport, die Anzahl der Trainer ist höher, die Quantität des Trainings ist höher und die finanziellen Mittel sind riesig. Die Chinesen sind nicht schuld, dass sie so gut sind. Dann müssen die anderen Nationen härter arbeiten und sich um bessere Finanzierung kümmern. Zudem gibt es das Projekt, das talentierte Spieler anderer Nationen vom chinesischen Know-how profitieren. Sie sollen drei Monate oder länger in Shanghai leben und trainieren. Dafür gibt es ein Budget von einer Million Euro.

Das zeigt auch, dass China wohl ein Interesse daran hat, dass sich der Rest der Welt ihnen annähert, oder?

Weikert Das ist der nächste Punkt. Vielleicht ist es für den Chinesen auch langweilig, wenn Ma Long mal wieder gegen Zhan Jike im Endspiel steht. Ma Long gegen Dimitrij Ovtcharov wäre vielleicht interessanter. Dann will der chinesische Verband immer noch gewinnen, aber es würde der Popularität des Sports wohl guttun.

Passt es dazu, dass der Weltranglistenerste Ma Long sich bereits zum zweiten Mal Timo Boll als Doppelpartner für die WM ausgesucht hat?

Weikert Ich denke schon. Es ist auch ein Nachweis dafür, dass Deutschland und China im Tischtennis gut zusammenarbeiten. Und China will sich auch öffnen.

TTX war eben schon ein Thema. Das Projekt soll Tischtennis hipper machen. Ist klassisches Tischtennis zu langweilig geworden für die jüngeren Generationen?

Weikert Das hat damit nicht zwingend etwas zu tun. Wir haben einfach gesagt, Tischtennis spielt jeder, in jedem Hotel, auf der ganzen Welt. Deshalb haben wir dieses Projekt gestartet. In Deutschland gibt es natürlich einen kleinen Mitgliederschwund. Klar wäre es schön, wenn Kinder mit selbstbewusster Stimme sagen: Ich spiele Tischtennis! Und nicht: Ich spiele Fußball! TTX soll auch die Kernsportart promoten.

Sie haben den Mitgliederschwund angesprochen. Was muss Michael Geiger (Präsident des deutschen Tischtennis-Verbandes, Anm. d. Red.) besser machen?

Weikert (lacht) Ich habe es ja schon jahrelang als DTTB-Präsident versucht, jetzt gibt Michael alles. Es gibt ja verschiedene Initiativen, die er angestoßen hat und die hoffentlich zum Erfolg führen.

Die Fernsehpräsenz ist auch ein großes Problem.

Weikert Klar, seit Jahren. Bei der WM ist das hoffentlich anders. Wir haben Live-Zeiten für den Samstag und Sonntag zugesagt bekommen. Der HR ist federführend für die ARD. Zudem gibt es Aufzeichnungen. Das Ganze hängt natürlich auch vom Abschneiden des deutschen Teams ab. Das ist einfach so. Ob das nachhaltige Effekte hat, wird man sehen. Es wird immer leichtfertig gesagt: Jetzt müsst ihr den Schwung ausnutzen. Ja, wollen wir. Aber das ist nicht so einfach. Im Urlaub schmeckt der griechische Wein super, aber in Deutschland nach der Rückkehr schmeckt er vielleicht nicht mehr. Wir müssen gucken, wie wir die Projekte weiterführen nach der WM.

Düsseldorf ist durch Borussia eine Tischtennis-Stadt. Andernorts ist es vielleicht schwieriger?

Weikert Bei meinem Verein, dem TTC Elz zwischen Köln und Frankfurt, bauen gerade einige Studenten die Jugendarbeit auf. Es gibt Mitgliederzuwachs. Jetzt gehen die drei Studenten ins Arbeitsleben über. Dann ist auf einmal Schluss. Wir müssen mehr Ehrenamtliche überzeugen, etwas zu tun. Zudem müssen wir mehr in die Schulen. Ein Sportlehrer hat nicht das Tischtennis-Equipment zur Verfügung und lässt deshalb eher Fußball, Basketball, Handball spielen. Und dort hat der DTTB mit einem großen Schulprojekt auch angesetzt.

Ist Tischtennis in einer immer schnelllebiger werdenden Gesellschaft zu trainingsintensiv?

Weikert Es ist ein allgemeines Problem, dass Jugendliche andere Aktivitäten wahrnehmen als vor 20, 30 Jahren. Es ist ein Problem, wie führe ich junge Leute kontinuierlich an eine Sportart heran. Das geht nicht nur dem Tischtennis so. Dafür kenne ich aber auch keine Lösung.

Wie steht es um ihr Verhältnis zu DOSB-Präsident Alfons Hörmann?

Weikert (lacht) Wir haben uns nach der Krise mit der Trainerakademie ausgesprochen. Jetzt ist es ein normales Verhältnis. Da ist nichts zurückgeblieben. Alfons Hörmann hat sich bei mir entschuldigt. Das habe ich akzeptiert. Mit Dirk Schimmelpfennig, meinem Nachfolger als Leiter der Trainerakademie, habe ich ein gutes Verhältnis.

Wie beurteilen Sie die Reform der Sportförderung in Deutschland?

Weikert Schwierig. Ich habe nicht in alles Einblick, aber ich bin in der Ballsportgruppe und in der Konferenz der Spitzenverbände. Es gibt wieder ein bisschen Zoff mit dem BMI wegen dem Aufwuchs. Da kann ich den DOSB gut verstehen. Wenn mehr Geld versprochen worden ist und es das jetzt nicht geben soll, ist das ärgerlich. Generell ist das Reformkonzept eine gute Sache, wenn dabei der Faktor Mensch nicht vergessen wird. Es kann nicht nur nach fixen Schemata A, B, C, D gehen. Der DTTB hat sich ja auch dafür ausgesprochen.

Zurück zur WM. Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Spieler ein?

Weikert Bei den Herren im Einzel haben Dima und Timo eine Medaillenchance. Wenn Petti Solja beim Damen-Einzel ins Achtelfinale kommt, ist es gut, ein Viertelfinale wäre sehr gut. Die größten Medaillenchancen gibt es im Doppel und im Mixed. Ein bis zwei Medaillen wären eine super Sache für Deutschland — auch für die Zuschauer.

Dürfen Sie denn für die Deutschen mitfiebern?

Weikert Alles andere wäre ja geheuchelt. Wir sind alle Sportler. Wenn Deutschland gegen Japan spielt, schlägt mein Herz nicht für Japan und das des Japaners nicht für Deutschland. Das ist einfach so. Ich komme aber nicht im deutschen Trikot.

Was bedeutet der Standort Düsseldorf fürs Tischtennis?

Weikert Es ist wirklich super hier. Das Deutsche Tischtennis Zentrum ist hier, Borussia spielt erfolgreich. Wir haben viele engagierte Leute hier. Andreas Preuß macht einen tollen Job. Das bringt Tischtennis voran. Die Messe ist ein toller Standort. Meine Marketing-Mitarbeiter sind begeistert. Und ich hoffe, dass es auch eine schöne WM für mich mit einem Wahlsieg wird.

BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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