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Schlechtes Image Der Reitsport kämpft gegen Alkoholexzesse beim Nachwuchs

Aachen · Das öffentliche Bild vom Reitsport wird mittlerweile auch durch Alkoholexzesse einzelner Nachwuchsreiter geprägt. Veranstalter und Verbände mühen sich seit Jahren in Prävention, wähnen sich aber zuweilen machtlos gegenüber Eltern.

 Zwei stoßen mit Bierflaschen an. (Symbolfoto)

Zwei stoßen mit Bierflaschen an. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Angelika Warmuth

Der belebteste Lkw-Parkplatz im Aachener Land befindet sich an diesem Freitagmorgen nicht an der Autobahn 4. Auch nicht an der A44. Die höchste Transporterdichte herrscht auf dem Gelände des CHIO. Eng an eng reihen sich hier teils luxuriöse Perdetransporter, in denen hinten die Pferde und vorne die Reiter für die Dauer des Turniers „Aachen Youngstars“ wohnen. Die Prüfungen für die Talente aus dem gesamten Bundesgebiet und dem nahen Ausland finden nebenan in der ehrwürdigen Albert-Vahle-Halle statt. Doch seitdem „Der Spiegel“ Anfang September eine Geschichte zu Alkoholexzessen einzelner Nachwuchsreiter publizierte, sind eben die Pferdetransporter in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt – besser gesagt: in den Fokus der öffentlichen Empörung. Als der Bereich, in dem jugendliche Turnierreiter bisweilen Alkohol in einem Maß konsumieren sollen, das dem Image des Pferdesports schadet.

CHIO-Eröffnungsfeier in Aachen 2022 mit Thomas Müller und weiteren Promis
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Promi-Auflauf bei der CHIO-Eröffnungsfeier

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Foto: dpa/Roberto Pfeil

Dass dieses Thema Schaden verursacht hat, daran hat Rolf-Peter Fuß keinen Zweifel. „Das Gefühl ist, dass das Image des Reitsports sehr gelitten hat. Bisweilen entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck,  dass sich alle Reiter fehlverhalten. Dem ist ja nicht so. Der weitaus größte Teil weiß sich ja zu benehmen und lehnt diese Auswüchse ab. Das einzig Positive ist, dass die Sensibilisierung an der Basis zugenommen hat“, sagt der Geschäftsführende Vorstand des Pferdesportverbandes Rheinland (PSVR). Fuß sitzt an diesem Morgen im Bistro der Albert-Vahle-Halle an einem Tisch mit Heidi van Thiel, der Bundesjugendwartin der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Sie hat Nachwuchs-Bundestrainer Peter Teeuwen mitgebracht. Und als Hausherr ist CHIO-Direktor Frank Kemperman zugegen. Letzterer blickt hinüber zur Boxengasse und sagt: „Wir können als Veranstalter viel machen, aber wir können nicht in die Lkw der Eltern gehen, um zu gucken, was da im Kühlschrank steht.“

Doch genau darum soll es gehen. Darum, wie der Reitsport das Thema Alkoholkonsum angeht. Dass er es angehen muss, ist keine Konsequenz aus dem Spiegel-Artikel. Darauf legen alle Wert. Die Präventionsbemühungen hätten Jahre vorher eingesetzt. „Es gibt einen Rahmenvertrag für die Bundeskader. Zusätzlich gibt es für den Nachwuchsbereich auch noch Handlungsrichtlinien. Und da steht explizit drin: kein Alkohol, keine Drogen“, sagt van Thiel. Die Richtlinien gibt es seit fünf Jahren, 2017 wurden sie noch mal überarbeitet. Bei der Erstellung holte sich die FN externe Hilfe, zudem waren Nachwuchsreiter mit im Boot. In der Ausschreibung zum Aachener Turnier ist explizit erwähnt, dass Alkohol „nicht erwünscht“ ist und „stichprobenartig Atemalkoholkontrollen durchgeführt“ werden. „Von den Reitern selbst kam der Wunsch, bei Turnieren Athleten pusten zu lassen“, sagt van Thiel.

Die Erkenntnis, dass man bei mehr als 3600 Nachwuchsturnierren pro Jahr im Land nicht überall sein kann, weiß die Jugendwartin. Aber resignieren will sie deswegen nicht. „Wir brauchen den Nachwuchs, der Nachwuchs ist unsere Zukunft. Und ich finde auch, wir haben eine gute Nachwuchsarbeit in Deutschland“, sagt sie. Das findet auch Kemperman, der längst Ideen für eine Junior-Wertung beim CHIO in der Schublade hat. „Uns in Aachen ist sehr wichtig, die Jugend einzubauen. Die liegt uns am Herzen. Wir brauchen die Reiter von morgen“, sagt er. „Die sollen alle mal an der Siegertafel des CHIO vorbeilaufen, alle mal sagen: Da will ich auch mal reiten.“ Wer gegen Regeln verstößt, wird dort nie reiten. Denn er fliege vorher aus dem Kader, beteuern die Verantwortlichen.

Gereift ist längst die Überzeugung, das Thema offensiv anzugehen. „Wir müssen uns darum kümmern, wir können nicht hoffen, dieser Kelch geht irgendwann an uns vorbei geht“, sagt van Thiel. Dass Jugendliche mit Alkohol ihre Grenzen austesten und verlieren, ist indes kein Problem des Reitsports. Es ist eins des gesamten Sports. Es ist eins der Gesellschaft. Aber der Reitsport leidet eben unter einer Besonderheit seiner Wettkampfstruktur. „Unsere Nachwuchsreiter fahren am Donnerstagabend oder am Freitag aufs Turnier. Durch die Ganztagsschule leben sie ihre Freizeit auch dort aus. Und deswegen ist es wichtig für uns, die Eltern einzubeziehen, denn die fahren ja mit“, sagt van Thiel.

CHIO in Aachen: Thomas Müller zu Gast auf dem CHIO
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Thomas Müller zu Gast auf dem CHIO

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Stoßrichtung am Tisch ist klar: Wir müssen die Jugendlichen sensibilisieren. Und dafür müssen wir die Eltern sensibilisieren. Die Eltern sind der Schlüssel. Sie sind aber oft genug auch das Problem, auf dem Land oft genug die Sponsoren, die das Turnier am Leben halten. „Die Jugendlichen haben ja irgendwann im Freizeitbereich angefangen zu reiten. Auch für die Eltern war es Freizeit, die sie da auf Turnieren verbracht haben, und dann will man sich auch verhalten wie im Urlaub. Inzwischen sind die Kinder im Spitzensport angekommen, aber für die Eltern ist die Zeit auf den Turnieren immer noch Freizeit. Also braucht es hier ein Umdenken bei den Eltern, denn ihr Verhalten leben sie den Kindern vor“, sagt Teeuwen.

Das Problem, das sagt niemand am Tisch explizit, aber das hört immer wieder, wer sich in der Reiterszene umhört, sind die Gutbetuchten unter den Eltern. Für deren Kinder der Reitsport Lebensinhalt und vorgezeichnetes Berufsziel ist – koste es, was es nun mal kostet. Und wenn die Sprösslinge doch mal elternlos zum Turnier reisen, fährt häufig, so erzählt ein Reiter, ein Angestellter der Eltern den Lkw. Der wolle sich das Leben natürlich nicht schwer machen, indem er die Kinder seines Arbeitgebers mit einer Alkoholerziehung gängele.

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