Kampf um Medaillen und Olympia Deutschlands Schwimm-Hoffnung Wellbrock auf historischer WM-Mission

Gwangju · Deutschland hat in Florian Wellbrock endlich wieder einen Siegschwimmer. Der Europameister peilt bei der WM einen Doppelcoup im Freiwasser und Becken an - als Generalprobe für Olympia in Tokio.

 Florian Wellbrock.

Florian Wellbrock.

Foto: dpa/Ian Rutherford

Fällt Florian Wellbrock in ein Motivationsloch, greift er zum Laptop und gibt bei Youtube die Wörter "Wellbrock, Glasgow, Gold" ein. Dann klickt der Magdeburger auf das Video mit seinem famosen Triumph im EM-Finale vor einem Jahr über 1500 m Freistil - und keine 15 Minuten später fließt wieder reichlich Adrenalin durch seinen Körper.

"Wenn ich total kaputt bin und überhaupt nicht aus dem Bett komme", berichtet Wellbrock im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID), "dann schaue ich mir morgens im Bad das Rennen nochmal an und weiß: Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Feuer frei!"

Das ist auch Wellbrocks Motto für die am Freitag beginnende Schwimm-WM in Südkorea. Der 21-Jährige will zuerst im Freiwasser im Ocean Park von Yeosu über 10 km das Olympiaticket buchen und möglichst eine Medaille holen, danach kämpft er im Nambu University Municipal Aquatics Center von Gwangju über 800 und 1500 m Freistil aussichtsreich um Edelmetall.

"Die Farbe habe ich im Kopf", sagt er, "wird aber nicht verraten". Der junge Mann, der kürzlich seine Ausbildung zum Immobilienkaufmann erfolgreich abschloss, weiß nun, wie süß Erfolg schmeckt: "Wenn man Europameister wird, dann macht das Lust auf mehr."

Sollte der doppelte Wellbrock tatsächlich doppelten Erfolg haben, wäre das einmalig im deutschen Schwimmsport - und ein wichtiger Fingerzeig für die Olympischen Spiele in einem Jahr. Denn auch in Tokio plant Wellbrock den Doppelstart, den Ex-Bundestrainer Henning Lambertz aus Gründen der Trainings- und Belastungssteuerung für eine schlechte Idee hielt. Gut für Wellbrock, dass inzwischen sein Heimtrainer Bernd Berkhahn zum Team-Chef der deutschen Schwimmer ernannt wurde.

"Jetzt treffen glücklicherweise andere Leute die Entscheidung", sagt der deutsche Rekordhalter: "Ich glaube, dass es für den Verband das Beste ist, weil ich schon gezeigt habe, dass ich beide Sachen gut drauf habe." Im Freiwasser ist er über die olympischen 10 km sogar noch ungeschlagen, im Becken geht er über 800 und 1500 m jeweils als Weltranglistenzweiter ins Rennen.

Seine größten Konkurrenten Gregorio Paltrinieri und Michailo Romantschuk sind dabei auch seine größten Motivatoren. "Ich kann mich noch an die WM 2009 erinnern, als Paul Biedermann gegen Michael Phelps geschwommen ist. Das hat mich fasziniert und motiviert", sagte Wellbrock: "Jetzt schwimme ich zwar nicht gegen Biedermann oder Phelps, aber gegen andere große Namen. Das ist ein tolles Gefühl, das treibt einen jeden Tag an."

Mit dem Erfolg wächst auch die Verantwortung. Wellbrock geht als deutscher Vorschwimmer in die WM - ob er will oder nicht. "Ich werde oft gefragt, ob ich jetzt der neue Paul Biedermann bin. Für mich ist das überhaupt nicht relevant", sagt er: "Ich mache auf der Tribüne nicht den Hampelmann oder schwinge irgendwelche Reden." Er wolle mit Leistung "das Team mitziehen und anspornen".

Dass seine Freundin Sarah Köhler als ebenfalls aussichtsreiche Medaillenkandidatin in Südkorea dabei ist, hilft Wellbrock. Viel Platz für die Liebe bleibt bei der WM zwar nicht, "aber nach dem Rennen und Ausschwimmen können wir auch Pärchen sein". Auf die Fangfrage in der ZDF-Sportreportage, wer von beiden denn eine Medaille gewinnen sollte, wenn es nur eine gebe, nannte Köhler ihren Freund. Wellbrock nannte sich selbst.

(ako/sid)
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