Nachwuchsruderer aus Krefeld will zu Olympia Der Traum vom Achter

Krefeld · Jan Henrik Szymczak ist 17 Jahre alt und Junioren-Weltmeister im Rudern. Der Dortmunder trainiert beim Crefelder Ruderklub und träumt von einer großen Karriere — und vor allem vom Deutschland-Achter.

 Jan Henrik Szymczak in der Bootshalle des Crefelder Ruder Klubs, wo er viele Stunden in der Woche verbringt.  Foto: Lammertz

Jan Henrik Szymczak in der Bootshalle des Crefelder Ruder Klubs, wo er viele Stunden in der Woche verbringt. Foto: Lammertz

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Tokio ist eine schöne Stadt. Davon durfte sich Jan Henrik Szymczak in diesem Sommer vor Ort überzeugen. Der Nachwuchsruderer vom Crefelder Ruder-Klub nahm für die Junioren-Nationalmannschaft an den Weltmeisterschaften teil und holte im Achter mit Steuermann den ersten Platz. „Der Titel ist wie ein Olympiasieg bei den Senioren“, erklärt Szymczak den bedeutenden Sieg in Übersee. Die Reise in die japanische Hauptstadt war für den 17-Jährigen ein echter „Kulturschock“. Auch die klimatischen Bedingungen seien völlig anders gewesen, die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Das sei sehr heftig gewesen, auch in Hinblick auf den Wettkampf auf dem Wasser.

Trotz des frühen Karrierehochs bleibt Weltmeister Szymczak bescheiden. „Ich bin sehr stolz auf meinen Erfolg“, sagt er. „Aber ich bilde mir darauf auch nichts ein, weil mir das in meinen nächsten Rennen auch nicht weiterhilft.“ Irgendwo auf der Welt sei immer einer schneller, deswegen bringe es auch nichts, mit den eigenen Erfolgen anzugeben. „Ich bin jetzt nicht der Master of the Universe und stelle mich über andere“, sagt Szymczak, der auch Deutscher Meister im Ergometer-Rudern ist.

Die anfänglichen Schritte in den Rudersport waren vergleichsweise schmal. Szymczak ist über seine Mutter zum Rudern gekommen, als er acht Jahre alt war. Als er mit Schwimmen und Turnen aufgehört hatte, sagte seine Mutter, irgendeinen Sport müsse er aber machen. Da der Stützpunkt des Deutschland-Achters beim Ruderklub Hansa aus Dortmund nur fünf Minuten vom Zuhause der Szymczaks entfernt liegt, war die Entscheidung für das Rudern schnell gefallen. Nach einem Schnupperkurs war Szymczak sofort Feuer und Flamme.

Bis heute ist seine Leidenschaft eher größer als kleiner geworden. Am Rudern reizt Szymczak die Vielseitigkeit. „Es ist eine Mischung aus maximaler Konzentration und vollständiger Belastung“, sagt er. Im Boot selbst schätzt Szymczak den Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den einzelnen Athleten, um gemeinsam schnell ins Ziel zu kommen. Zudem kann er beim Rudern gewisse Dinge verarbeiten, zum Beispiel Stress. Weiterer schöner Nebeneffekt: Szymczak kommt durch den Sport viel herum, ist für den Rudersport unter anderem nach Amerika, Polen und durch ganz Deutschland gereist.

Rudern ist ein extremer Sport, der die Athleten bis an die eigenen Grenzen und darüber hinaus führt. Es kommt häufiger vor, dass sich Athleten nach einem Wettkampf übergeben müssen oder sich nicht mehr an alle Einzelheiten eines Rennens erinnern. Das hat auch Szymczak schon erlebt. „Man bekommt ein Flimmern vor den Augen, nimmt die Geräusche von außen nur noch dumpf war und spürt ein Brennen in den Muskeln“, sagt er. Über die eigenen Grenzen zu gehen, das passiert allerdings nicht nur aufstrebenden Talenten, sondern auch gestandenen Profis. Christopher Reinhardt aus dem Deutschland-Achter brach Anfang September bei einem Rennen – das er mit seinem Team am Ende gewann – mit einem Schwächeanfall zusammen.

Diese Nebenwirkungen schrecken Szymczak aber nicht ab. Er hat große Ziele. Ein oder zwei Jahre, nachdem er mit dem Rudern angefangen hatte, wuchs in ihm der Wunsch, einmal im Leben bei Olympia zu rudern. „Das ist mein absoluter Traum“, gibt Szymczak zu. „Danach könnte ich sagen: ‚Ich bin raus‘.“ Schließlich hätten nur sehr wenige Sportler das Privileg, zu Olympischen Spielen fahren zu dürfen. Ein Szenario hat der Nachwuchs-Ruderer besonders fest im Kopf: „Der Deutschland-Achter als das Flaggschiff des Deutschen Rudersports ist meine Antriebsschraube.“ Seit Szymczak dessen Gold-Triumph bei Olympia 2012 in London gesehen hat, will er unbedingt die gleiche Erfahrung sammeln. Zuvor will er sich aber mit guten Leistungen – etwa bei den Deutschen Meisterschaften - ein weiteres Mal für die Junioren-Nationalmannschaft qualifizieren. „Nochmal zu einer WM zu fahren, wäre schön – egal in welcher Bootsklasse“, sagt Szymczak. „Denn als Junior ist eine WM das höchste, was man erreichen kann. Mehr geht nicht.“

Szymczak nimmt einiges für seinen Traum in Kauf. Der gebürtige Dortmunder wohnt noch in seiner Heimatstadt bei den Eltern, pendelt oft mindestens zwei Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Krefeld zum Training. Am Elfrather See bringt er sich für seine Rennen in Form, hat bis zu sieben Trainingseinheiten in der Woche. „Das ist fast die Obergrenze, aber ich bin es gewohnt“, sagt Szymczak. Auf dem Wasser trainiert Szymczak in der Regel bis zu zwei Stunden pro Einheit. Hinzu kommen Fahrten auf dem Ergometer, Nachbereitung, Gymnastik, Mobilitätsübungen und Krafttraining. So kommt es schon mal vor, dass er länger als sechs Stunden rund um die Bootshalle verbringt. Doch es ist Vorsicht geboten. „Ab einem gewissen Level ist Training nicht mehr gesund für den Körper, weil man übertrainiert“, weiß Szymczak.

Bei aller Leidenschaft ist Rudern nicht alles im Leben des Nachwuchs-Athleten. Er arbeitet bereits an der zweiten Karriere. Neben all den Trainingseinheiten studiert Szymczak Biologie und bald auch Geschichte auf Lehramt. „Ich möchte Lehrer werden, weil ich gerne mit Menschen arbeite“, sagt er. Dass Lehrer ein geeignet Beruf für ihn wäre, macht sich auch auf dem Wasser beim Rudern bemerkbar, weil er dort Dinge gerne erklärt und besser machen will. Und zwar so lange, bis das Boot noch ein Tick schneller ins Ziel kommt. Ein sicherer Job neben dem Sport ist auch deshalb wichtig, weil man mit Rudern nicht reich wird. „Ich werde mit 35 nicht ausgesorgt haben“, sagt Szymczak. Egal ob er Erfolg hat oder nicht. „Mit Rudern Geld zu verdienen, wäre schön“, ergänzt er. „Aber ich mache es nicht des Geldes wegen, sondern aus purer Leidenschaft.“

Bis Szymczak allerdings unterrichtet, dürfte es noch dauern. Vorher will er sich unbedingt den Traum vom Deutschland-Achter erfüllen – trotz aller Bescheidenheit.

(jlu)
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