Reit-EM in Aachen Punktrichter verschmähen Totilas

Aachen · Die Benotung des Hengstes bei der EM in Aachen sorgt für Unmut. Die deutsche Dressurequipe holt nur Bronze.

Reit-EM: Dressur-Equipe holt mit Totilas nur Bronze
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Dressur-Equipe holt mit Totilas nur Bronze

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Foto: afp, PST-apr

Loriot hätte seinen Spaß bei den Europameisterschaften in der Reiterei gehabt. Herrliche Namen finden sich in den Meldelisten der Dressur: den des Pferds Atterupgaards Orthilia zum Beispiel oder den der finnischen Reiterin Eevamaria Porthan-Broddell. Auch Annette Fransén-Iacobäus und Eduard de Wolff van Westerrodde haben hübsche Namen - aber einen schweren Job. Zwei Tage lang sitzen die Schwedin und der Niederländer wie die ihre fünf Kollegen in kleinen weißen Häuschen am Sandrechteck, das die Organisatoren ins Aachener Springstadion gelegt haben. Sie sehen das immer gleiche Grand-Prix-Programm, vorgeführt von 72 Paaren. An diesen drückend heißen Tagen gibt es sicher angenehmere Aufgabe als die der Punktrichter.

Und dann standen sie auch noch im Mittelpunkt der Kritik. Vor allem aus dem Lager der Reiterlichen Vereinigung des Gastgeberlandes. Am Mittwoch schon hatte sich die Rheinbergerin Isabell Werth über die schlechten Noten beklagt. "Ich bin sicher nicht überbewertet worden", sagte sie gestern mit reichlich Sarkasmus in der Stimme.

Am zweiten Wettkampftag nun lagen zwischen der Wahrnehmung, die Reiter Matthias Rath, seine Entourage und das Publikum von Totilas' Auftritt hatten sowie der Einschätzung der Punktrichter Welten. "Alle im Team waren zufrieden, als ich rausgeritten kam", sagte er über die Reaktionen im Team. Und sie waren schockiert, als sie die Wertung sahen. Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff legte ihrem großen Jungen Matthias tröstend die Hand auf die Schulter. Mit 75,971 Prozent lag das Resultat deutlich unter den 80 Prozent, die für einen Hengst von Totilas' Klasse standesgemäß wären. "In erster Linie tut es mir für die Mannschaft leid", sagte Rath, "natürlich hätte ich höhere Risiken eingehen können." Aber das sei im Teamwettbewerb nicht angeraten. Für Unverständnis sorgte bei dem 31-Jährigen vor allem die für ein Championat unüblich weite Spanne der Urteile. Sie lagen zwischen 71,6 und 80,1 Prozent. Kuriosum: Der Brite bewertete den Ritt am höchsten, die deutsche Richterin beinahe am schwächsten.

Kristina Bröring-Sprehe, die auf Desperados als letzte Reiterin an der Reihe war, konnte das deutsche Team nicht mehr an die Spitze bringen. Für sie, Rath, Championatsdebütantin Jessica von Bredow-Werndl und Werth reichte es nur zum dritten Platz. Gold ging an die Niederlande, Silber holte sich Großbritannien.

Vor zwei Jahren im dänischen Herning hatte sich die deutsche Mannschaft noch durchgesetzt und ihren 22. EM-Titel geholt. Doch die Zeiten, in denen die deutschen Dressurequipen so überlegen waren wie die deutschen Rodlerinnen im Winter, sind vorbei. Bei den Olympischen Spielen vor drei Jahren in London war die einzigartige Siegesserie, die seit 1964 bis auf die Ausnahme 1972 gehalten hatte, gerissen.

Ob Totilas im kommenden Jahr bei den Spielen in Rio de Janeiro antreten wird, ist offen. Er ist mit 15 Jahren bereits im fortgeschrittenen Alter für ein Dressurpferd. Auf den letzten Drücker hatte er erst einen Leistungsnachweis erbracht und sich damit ins EM-Team geschoben. Zweifel an seiner Gesundheit begleiten ihn auch in Aachen. Fast ein Jahr lang war der Hengst, dessen Popularität zeitweise an Winklers Halla und Winnetous Iltschi herangereicht hatte, verletzungsbedingt ausgefallen.

An vorzeitige Aufgabe nun in Aachen denkt Rath nicht. "Ich gebe nicht auf, nur weil sieben Leute gegeben hat, die das heute mal anders gesehen haben", sagte der im Taunus beheimatete Reiter mit schönem Gruß an die Punktrichter und kündigte einen Start morgen im Grand Prix Special an. Auch bei der Kür am Sonntag wird er sich vor 40 000 Zuschauern wohl präsentieren - anders als beim CHIO im vergangenen Jahr, als sein Startverzicht in der abschließenden Prüfung für Unmut gesorgt hatte.

Eine realistische Chance auf eine Einzelmedaille hat das Paar als sechstes der Einzelwertung nicht mehr. Seit seinem zehn Millionen Euro schweren Wechsel 2011 aus den Händen des niederländischen Dreifach-Edward Gal zu Rath hat Totilas keine Medaille mehr bei einer internationalen Meisterschaft gewonnen. Gal, der nun ein Pferd des schwerreichen österreichischen Waffenherstellers Gaston Glock reitet, belegt hinter der Favoritin, der Engländerin Charlotte Dujardin mit Valegro, Rang zwei. Sprehe liegt auf dem dritten Rang.

(RP)
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