Nachruf auf Hans Günter Winkler Der Reiter der Nation

Düsseldorf · Sein Ritt zu Olympiagold 1956 bildet die Basis für Hans Günter Winklers Status als Sportlegende. Mit seiner Wunderstute Halla wurde er weltberühmt. Nun ist er mit 91 Jahren gestorben.

 Springreiter Hans Günter Winkler auf seiner Wunderstute Halla beim Jagdspringen während der Olympischen Spiele in Stockholm.

Springreiter Hans Günter Winkler auf seiner Wunderstute Halla beim Jagdspringen während der Olympischen Spiele in Stockholm.

Foto: dpa/DB

Geschichte kommt immer wieder an Weggabelungen. Biographien genauso. Hans Günter Winklers kam in seinem Leben schon mit Anfang 20 an einen Scheideweg. Im Nachkriegsdeutschland der späten 1940er Jahre hielt er sich in Kronberg im Taunus als Reitlehrer US-amerikanischer Offiziere über Wasser. Unter ihnen war auch der spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower.

Der mochte den jungen Deutschen, dessen Vater im Krieg gefallen war. So sehr, dass er ihn in seine Familie aufnehmen wollte. „Er wollte mich sogar adoptieren, dann wäre ich heute ein Eisenhower“, erzählte Winkler vor zwei Jahren in einem letzten Interview der Tageszeitung „Die Welt“. Doch Winkler lehnte die Adoption ab, weil seine Mutter in Deutschland hätte bleiben müssen. Er wählte an dieser Gabelung seiner Vita den anderen Weg, blieb und wurde zur Legende des deutschen Reitsports. In der Nacht zu Montag starb Winkler in Warendorf an Herzstillstand. Mit 91 Jahren.

Sportliche Unsterblichkeit erreichte der gebürtige Wuppertaler bei den Olympischen Spielen 1956. Zwei Jahre nach dem als „Wunder von Bern“ titulierten Weltmeistertitel der deutschen Fußballer sorgte Winkler für das „Wunder von Stockholm“. Es war ein Ritt, der ihn im ganzen Land berühmt machte – ein Ritt und ein Pferd: Halla, die „Wunderstute“. Auf ihr erlitt Winkler beim ersten Ritt des Nationenpreises einen Muskelriss in der Leiste.

Unter großen Schmerzen und mit quasi taubem Bein ritt er weiter und holte im zweiten Umlauf mit einem Null-Fehler-Ritt sensationell Gold im Einzel und Gold für die Mannschaft. „Es war das reinste Martyrium. Ich hatte fast überhaupt keine Kontrolle über Halla, bei jedem Sprung schrie ich so laut, wie ich konnte. Halla sprang immer höher und kam fehlerlos durch. Pferde haben Instinkt, Halla besaß menschliche Intelligenz“, erinnerte sich Winkler vor zwei Jahren.

Winkler wurde zu einem Namen, den jeder Deutsche kannte, nicht nur die Reiter. Er war so etwas wie der Fritz Walter im Sattel. Eine Identifikationsfigur. Einer, der über den Sport mithalf, seinen Landsleuten ein neues, gesundes Nationalgefühl zu vermitteln. Und im Ausland das Bild eines neuen Deutschen zu zeichnen. „Der Begriff ,Legende‘ wird so oft überstrapaziert, aber er beschreibt am Besten, was dieser Mensch und Sportler war. Er war wirklich eine echte Legende“, sagte Ingmar de Vos in einer Würdigung. De Vos ist Präsident des Weltpferdesportverbandes. Und Belgier.

Mit dem Olympiasieg von Stockholm erfüllte sich Winkler einen seiner beiden als Junge geäußerten Träume. Den anderen, nie wieder so arm zu sein wie in den Kriegswirren, sicherte ihm der sportliche Erfolg. Fünf olympische Goldmedaillen gewann er – drei davon auf Halla, sieben olympische Medaillen insgesamt. Er wurde zweimal Weltmeister und ritt 105 Mal einen Nationenpreis. Seine Medaillen und Pokale bewahrte er in seinem Haus in Warendorf in einem klimatisierten Raum auf. Winkler besaß das Große Bundesverdienstkreuz, er gewann den Bambi, gehörte zur Ruhmeshalle des deutschen Sports, war Mitglied des Ehrenkomitees der Spanischen Hofreitschule und viermal verheiratet.

1986 ritt er seine letzte Ehrenrunde in Aachen. Doch dem Reitsport blieb er auch danach eng verbunden. Als Bundestrainer, Berater von Unternehmen, Initiator von Nachwuchsserien im Springsport und als Pferdehändler. „Bis ins hohe Alter haben wir Pferdegeschäfte miteinander gemacht, und ich kann verraten: Es war nicht einfach, mit ihm zu feilschen“, sagte Ludger Beerbaum, selbst viermaliger Olympiasieger.

Denn Winkler wusste stets ganz genau, was er wollte. Er hatte immer einen Plan. Und wenn es nur der Plan war, beim nächsten Mal wieder besser Tennis zu spielen. Für das, was nach seinem Tod passieren sollte, hatte Winkler ebenfalls einen Plan. Einen, den er 2016 verriet. „Auf meinem Grundstück ist mein Friedhof, wo ich neben meiner Frau und meinen Eltern beigesetzt werden möchte“, sagte er.

Man wird ihm diesen Wunsch kaum abschlagen. Und es dürfte auch nicht lange dauern, bis jemand vorschlägt, Hans Günter Winkler eine Statue zu widmen. Auf dem Gelände der Reiterlichen Vereinigung in Warendorf. Direkt neben der Bronzeplastik seiner Halla, die dort bereits steht. Dann wäre das Traumpaar wieder vereint. 62 Jahre nach dem Wunder von Stockholm.

(klü)
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