Ehemaliger Weltrangistenerster im Formtief Martin Kaymer sucht Ausweg aus der Krise

München · Martin Kaymer ist frustriert, er sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Die einstige Nummer eins der Golfwelt ist zum Mitläufer geworden – und macht sich grundsätzliche Gedanken.

Martin Kaymer: Deutschland bester Golfer
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Das ist Martin Kaymer

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Foto: AP/David Davies

Martin Kaymer ist frustriert, er sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Die einstige Nummer eins der Golfwelt ist zum Mitläufer geworden — und macht sich grundsätzliche Gedanken.

Am Dienstagnachmittag wollte Martin Kaymer nach vier Monaten in den USA endlich einmal wieder "ganz normale Sachen" machen — Erdbeerpflücken stand deshalb auf dem Programm. Der 28 Jahre alte Golfstar ist derzeit auf der fast schon verzweifelten Suche, einen Weg aus seinem andauernden Tief zu finden.

Zwei Tage vor der BMW Open in München gewährte Kaymer einen ungewohnt offenen Einblick in sein Seelenleben. Es klang manchmal fast schon wie ein Hilferuf, als er im Seehaus am Englischen Garten über seine vergangenen Monate auf der Tour sprach.

"Ich bin dabei, das durchzuleben"

Unterstützung von außen kommt für Kaymer aber definitiv nicht infrage. Beinahe trotzig meinte er: "Das brauche ich nicht, ich will mich nicht auf die Couch setzen. Wenn man sich selbst vertraut, dann braucht man keine Hilfe, auch wenn das vielleicht etwas länger dauert. Ich bin dabei, das zu durchleben." Mit einem Mentalcoach werde man "so tief reingezogen, dass man sich nur noch Gedanken macht."

Die Gedanken macht er sich lieber selbst. Gedanken darüber, wie er von Rang 35 der Weltrangliste wieder an die Spitze kommt — dorthin, wo er 2011 schon einmal gewesen war. Seit eineinhalb Jahren, seit seinem Sieg in Shanghai im November 2011, hat der gebürtige Mettmanner auf der Tour kein Turnier mehr gewonnen.

Aber, unterstrich Kaymer nach Platz 59 bei der US Open mit Nachdruck, "es wird funktionieren. Es gibt keine andere Option. Ich war vor zwei Jahren der beste Spieler der Welt, es muss gehen. Ein Auf und Ab ist normal, wie lange das anhält, ist schwer zu sagen. Das Puzzle muss sich nur zusammenfügen." Sobald der Erfolg komme, werde er auch wieder lockerer. Aber diese Freiheit, dieser Glaube, "fehlt noch ein bisschen".

Deshalb will er sich mit Prognosen für das Jubiläums-Turnier von Donnerstag bis Sonntag in München-Eichenried, wo er 2008 als erster und bislang einziger Deutscher triumphiert hatte, mit Prognosen zurückhalten. "Das ist das einzige Turnier in Deutschland. Ich freue mich riesig. Ich bin gut vorbereitet, mal schauen, wo ich lande", sagte der Markenbotschafter des Hauptsponsors vor der 25. Austragung brav, ergänzte aber: "Es gibt keinen Grund, nicht gut zu spielen."

Dennoch klappt es seit Monaten — abgesehen von einem Erfolg Ende 2012 bei einem Einladungsturnier in Südafrika — nicht mehr so richtig. Er sei zwar immer wieder "nah dran gewesen". Insgesamt sprach Kaymer aber von einer "schwierigen Situation", die bei einer Veranstaltung im vergangenen Jahr in Portugal derart frustrierend gewesen sei, "dass ich am neunten Loch am liebsten direkt nach Hause geflogen wäre".

"Ich liebe Golf"

Er habe festellen müssen, "umso mehr man versucht, umso schlimmer wird es." Beim Fußball könne man zwecks Frustabbau "wenigstens mal einen umhauen". Es habe deshalb erstmals sogar Gedanken in seinem Leben gegeben, "dass Golf nicht alles sein kann". Seine Karriere frühzeitig zu beenden, stand jedoch nie zur Debatte, stellte Kaymer im gleichen Atemzug klar: "Ich liebe Golf."

Doch mit den Umständen seines unsteten Profi-Lebens hat er offenbar einige Probleme. "Es ist nicht immer so einfach, wenn du vier, fünf Monate nicht zuhause bist. Es sind die Kleinigkeiten, die man vermisst. Viele denken, dass du ein unfassbar schönes Leben hast. Es ist aber nicht alles Sonnenschein", räumte er offen ein. Er würde deshalb Fußball-Profis wie Bastian Schweinsteiger, Mario Gomez oder Manuel Neuer beneiden, "die können wenigstens immer zuhause schlafen".

Es seien deshalb "viele kleine Dinge", die es schwierig machen würden, "gutes Golf zu spielen". Er hoffe deshalb auch "auf etwas Verständnis. Ich selbst bin derjenige, der am ungeduldigsten ist und sich selbst den meisten Druck macht", meinte Kaymer. Er müsse nun für sich "herausfinden, was passt. Ich muss meinem Körper und meinem Herz folgen."

Für das kommende Jahr hat er sich schon einmal fest vorgenommen, "meinen Kalender anders zu gestalten". Der 28-Jährige wird zwar erneut in den USA und auf der Europa-Tour abschlagen, "aber ich werde nicht mehr so lange am Stück in den USA bleiben. Das habe ich gelernt. Ich werde auch mal für ein oder zwei Wochen zwischendurch nach Hause kommen."

Zum Erdbeerpflücken zum Beispiel...

(sid/seeg)
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