Rückkampf gefordert Klitschko gefeiert wie ein Weltmeister

Los Angeles (rpo). Vitali Klitschko hatte Lennox Lewis am Rand einer Niederlage. Dann brach - für viele überraschend - der Ringrichter den Kampf ab. Jetzt feiern die Amerikaner den Ukrainer wie einen Weltmeister.

Boxen: Lennox Lewis - Witali Klitschko
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<P>Los Angeles (rpo). Vitali Klitschko hatte Lennox Lewis am Rand einer Niederlage. Dann brach - für viele überraschend - der Ringrichter den Kampf ab. Jetzt feiern die Amerikaner den Ukrainer wie einen Weltmeister.

Der amerikanische Traum hat sich für Vitali Klitschko im "Duell der Giganten" vorerst nicht erfüllt. Doch der jahrelang im Land der unbegrenzten Möglichkeiten als Weichei verhöhnte Ukrainer wurde im Box-Mekka über Nacht zum "Weltmeister der Herzen". Nach der umstrittenen Abbruch-Niederlage in einer spektakulären Ringschlacht um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft des World Boxing Councils (WBC) gegen Titelträger Lennox Lewis wurde der Profi aus dem Hamburger Universum Boxstall von den 16 000 Zuschauern im Staples Center von Los Angeles wie ein Weltmeister gefeiert.

"Schiebung, Bullshit"

"Jetzt fühle ich mich als Champion der Leute. Ich weiß, ich bin der Gewinner. Ich will ein Rematch", sagte Klitschko (32 Siege/2 Niederlagen) nach dem für ihn überraschenden wie enttäuschenden Ende, das das Publikum mit einem gellenden Pfeifkonzert quittierte. Sprechchöre wie "Schiebung, Bullshit" dröhnten durch die Arena, als der Verlierer mit gequältem Lächeln und triumphaler Siegerfaust durch den Ring schritt und Lewis (41/2/1 Unentschieden) bei der Zurschaustellung des WM-Gürtels gnadenlos ausgebuht wurde. Der 5:1- Außenseiter aus der Ukraine, der mit einem Schmerzensgeld von etwa drei Millionen Dollar entlohnt wurde, hatte zum Zeitpunkt des technischen K.o. bei allen drei Punktrichtern mit 58:56 geführt.

Fassungsloser Klitschko

Klitschko verstand die Welt nicht mehr, als Ringrichter Lou Moret plötzlich auf Empfehlung von Ringarzt Paul Wallace den Kampf wegen einer in der dritten Runde durch einen Kopfstoß erlittenen Risswunde unter seiner linken Augenbraue nach der sechsten Runde stoppte. "No, no, no", rief der stark blutende Klitschko und versuchte sich der Anweisung, mit Macht zu widersetzen. Nur das besonnene Handeln von Bruder Wladimir konnte Vitali ein wenig beruhigen. Der zweifelhafte Abbruch bewahrte den langsam, träge und müde wirkenden Briten vermutlich vor der Entthronung. "Vielleicht war das die Situation, um für Lewis den Kampf zu retten", sagte Klitschko-Trainer Fritz Sdunek und goss damit kräftig Öl ins Feuer der Diskussionen.

"Ich habe den Kampf kontrolliert. Ich war entsetzt, war völlig irritiert. Ich wusste überhaupt nicht, warum der Doktor den Kampf stoppte. Die Verletzung war nicht schlimm. Ich habe noch alles gesehen", versicherte Klitschko. Nach der Ringschlacht, die gleich mit dem ersten Gong begann und Erinnerungen weckte an Rocky-Filme, deren Hauptdarsteller Sylvester Stallone in der ersten Reihe saß, hatte der Schönheitschirurg einiges zu tun. Fast eine Stunde brauchte er, um bei Klitschko fünf Risswunden rund um das linke Auge, Jochbein und Lippe mit 60 Stichen zu nähen. Auch Lewis musste wegen eines Cuts auf der Nase geflickt werden.

Taktik aufgegangen

Der Ringarzt habe sich die Risswunde überhaupt nicht aus nächster Nähe angeschaut, wetterte Sdunek, dessen Schützling "eigentlich alles richtig gemacht hat. Die Taktik ging auf. Vitali hätte Lewis in der zweiten Hälfte ausgeknockt." Ein, zwei Runden hätte der Kampf mindestens noch gehen müssen, protestierte Promotor Klaus-Peter Kohl. Wallace hielt entgegen: "Ich habe Vitali Klitschko gesagt, er möge mich anschauen. Als er den Kopf hob, habe ich gemerkt, dass die Wunde seine Sicht behinderte. Ich hatte keine andere Wahl, als den Kampf zu stoppen. Es gab keine Möglichkeit, dass er sich verteidigen konnte".

Lewis, der seit seinem K.o.-Sieg gegen Mike Tyson vor zwölf Monaten nicht mehr geboxt hatte, störten die Schmährufe nicht. "Schaut ihm doch ins Gesicht. Er hat doch Glück, dass es so zu Ende gegangen ist. In den nächsten Runden hätte ich ihn weggeblasen", tönte er in seiner üblichen Arroganz genauso wie sein Trainer Emanuel Steward: "Vitali hat mehr gezeigt, als ich erwartet habe. Ich hatte aber keinen Zweifel, dass er ihn in der nächsten Runde ausgeknockt hätte." Wenn das Geld stimmt, wäre Lewis zum Rückkampf bereit, "um Klitschko dann die rechte Gesichtshälfte so zuzurichten wie die linke".

Lewis wankte schon

Am Rande des Niederschlags stand Lewis, der eine Garantiebörse von fünf Millionen Dollar kassierte, schon in der zweiten Runde. Nach einer Rechten ans Kinn wankte er, doch Klitschko konnte den finalen Schlag nicht landen. Mit seinem linken Jab dominierte er das Duell. Selbst zwei schwere Aufwärtshaken in der fünften Runde schienen "Dr. Eisenfaust" nicht zu erschüttern. "Lewis ist Abfall", befand IBF- Weltmeister Chris Byrd, der den älteren Klitschko vor drei Jahren im WM-Fight der WBO wegen einer Verletzung die bislang einzige Niederlage zugefügt hatte. "Vitali hat Herz und Seele eines Boxers gezeigt. Ich bin unheimlich stolz auf ihn", sagte Wladimir. "Das war eine genauso großartige Leistung wie die von Axel Schulz 1995 beim WM-Kampf gegen George Foreman", anerkannte Promotor Wilfried Sauerland.

Die US-Experten, die Klitschko nach der Byrd-Niederlage als Boxer ohne Herz niedergemacht hatten, überschlugen sich regelrecht mit Sympathiebekundungen. "Vitali hat 100 Millionen amerikanische Herzen erobert. Er ist der Held in Amerika. Jeder Amerikaner will den Rückkampf sehen", schwärmte der legendäre TV-Kommentator Bob Sheridan. "Er ist für mich der Weltmeister", sagte Ex-Champion George Foreman im ZDF, das über sieben Stunden rund um den Kampf berichtet hatte. Auch Foremans TV-Kollege von HBO, Jim Lampley, schwelgte: "Vitali ist der Gewinner des Events, der Gewinner der Nacht, der Gewinner der Massen. Vitali hat für eine wunderschöne Blutauffrischung gesorgt. Wir werden alles für ein Rematch tun". Der 6. Dezember soll angeblich als Termin ins Auge gefasst worden sein.

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