Kleiderordnung im Sport Sportlerinnen wollen „frei entscheiden“

Köln · Die Turnerinnen setzen in Ganzkörperanzügen ein Zeichen, die Beachvolleyballerinnen wollen in Bikinis spielen, im Beachhandball wird genau das diskutiert. Immer mehr Sportlerinnen wollen selbst bestimmen, was sie tragen.

 Karla Borger (r) und Julia Sude.

Karla Borger (r) und Julia Sude.

Foto: dpa/Christian Charisius

Die Turnerinnen sorgten mit Ganzkörperanzügen für Aufsehen, ein Beachvolleyball-Duo will im Bikini spielen, und einige Beachhandballerinnen haben genau darauf keine Lust mehr. Widersprüchlich? Nein, denn es geht "nicht vorrangig um Sexismus oder Sexualisierung, sondern darum, frei entscheiden zu können, worin fühle ich mich wohl", sagt Beachvolleyballerin Karla Borger dem SID und spricht dabei wohl vielen Sportlerinnen aus dem Herzen.

Immer mehr Athletinnen wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, was sie tragen sollen. Weg mit den möglichst knappen Outfits und hin zu mehr Entscheidungsfreiheit - zumindest, wenn es nach den norwegischen Beachhandballerinnen geht. Deren Anliegen, das der Verband Ende April bei der europäischen Handball-Föderation (EHF) vorbrachte, findet auch in Deutschland Befürworterinnen.

"Ich finde das sehr gut und mutig, da mal vorzusprechen und diesen Vorschlag einzubringen", sagt Leonie Wöbking vom deutschen Beachhandball-Meister "Strandgeflüster Minden" im Gespräch mit dem SID. Manchen mache das Bikini-Outfit nichts aus, berichtet Wöbkings Teamkollegin Miriam Bolduan, "aber es gibt auch welche, die es sehr stört und die sich unwohl fühlen".

Und für die ist wenig Spielraum in den internationalen Regularien des Weltverbandes IHF, auf die auch die EHF verweist. Frauen "müssen Bikinihosen tragen", die "körperbetont geschnitten" und an der Seite "höchstens 10 cm" breit sind. Dazu eng geschnittene, bauchfreie Tops, "mit einem weit nach innen laufenden Armloch".

Während Nationalspielerin Bolduan auf nationaler Ebene mit ihrem Team (wie fast alle) in Tank-Tops und Shorts spielt, war der erste internationale Auftritt im Bikini "super ungewohnt", berichtet sie: "Beim Aufwärmen und Dehnen denkt man sich schon mal, hoffentlich guckt jetzt keiner so genau."

Ein Gefühl, dass auch Turnerin Elisabeth Seitz kennt. Wenn beim kurzen Anzug etwas verrutscht, "sieht man mehr, als andere sehen sollen", schilderte die 27-Jährige kürzlich im NDR-Sportclub. Auch deshalb setzten Seitz und ihre Kolleginnen Sarah Voss und Kim Bui bei der EM im April ein Zeichen: "Zieht das an, wonach ihr euch fühlt", stellte Seitz klar - und das bedeutet: egal, ob lang oder kurz.

Letzteres stellte Borger und Partnerin Julia Sude beim Beachvolleyball-Turnier in Katar vor Probleme, wo das Bikini-Outfit trotz der Hitze wohl nicht gerne gesehen war, es folgte der Startverzicht des Duos. Die internationalen Regeln sind zwar relativ offen formuliert, verweisen aber auch auf die jeweiligen Turniervorschriften.

Laut Borger kann es durchaus vorkommen, dass ab einer gewissen Temperatur "ein Schiedsrichter in Schuhen und Jacke vor dir steht und sagt, weil er dazu verpflichtet ist, ihr müsst heute in kurzen Trikots spielen". Von einer vollkommen freien Entscheidung kann wohl in den wenigsten Fällen die Rede sein. Hier sind es festgeschriebene Regeln, dort jahrelange Gewohnheiten, die es erst einmal zu durchbrechen gilt.

Der Auftritt der Turnerinnen hat Borger "noch mal motiviert", mit dem Deutschen Volleyball-Verband (DVV) "in Kontakt treten zu wollen" und die Regeln auf den Prüfstand zu stellen. Auch im Beachhandball will sich die EHF mit der Kleidervorschrift beschäftigen. Denn das Outfit "sollte eigentlich nebensächlich sein", sagt Wöbking. Das geht aber nur, "wenn sich alle darin wohlfühlen".

(sid/old)
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