Trainer Schmezer tot im Hotelzimmer Isabell Werth ritt unter Tränen

Isabell Werth wischte sich die Tränen der Trauer aus dem Gesicht und ritt mit bleichem Gesicht aus der Halle: Die Dressur-Queen hatte sich soeben beim Weltcup-Finale zu schwachen 69,802 Punkten gequält. Doch das Ergebnis spielte angesichts der Tragik um Holger Schmezer keine Rolle.

Reaktionen auf den Tod von Dressur-Bundestrainer Holger Schmezer
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Foto: dpa

Der Bundestrainer war am Abend zuvor in seinem Hotelzimmer tot aufgefunden worden. "Das Ergebnis ist egal", sagte Werth: "Es war so schwierig, sich zu konzentrieren. Es ist alles so unfassbar."

Beim Abendessen am Donnerstag hatten die deutschen Reiter die Schocknachricht erhalten. Sie waren mit ihrem Coach Schmezer verabredet. Als der 65-Jährige auf viele Handyanrufe aber nicht reagiert hatte, wurde sein Zimmer vom Hotelpersonal geöffnet. Dort fand man den Coach leblos vor.

"Wir können es nicht fassen, dass Holger Schmezer nicht mehr unter uns ist. Der Dressursport verliert einen seiner engagiertesten Trainer und einen gradlinigen Menschen", sagte Präsident Breido Graf zu Rantzau vom deutschen Reit-Verband FN. "Ich bin geschockt", sagte Heike Kemmer, unter Schmezer 2004 und 2008 Mannschafts-Olympiasiegerin: "Er war für mich immer der Fels in der Brandung. Wo er stand, da stand er."

Auch beim Weltverband FEI wurde die Nachricht mit großer Trauer aufgenommen. FEI-Präsidentin Prinzessin Haya erklärte: "Der Verlust von Holger Schmezer ist einer schrecklicher Schlag für die deutsche Dressur. Solch einen begeisternden Coach im Olympia-Jahr zu verlieren, ist tragisch. Mit unseren Herzen sind wir bei seiner Frau Martha und seiner sechs Jahre alten Tochter Olenka."

Polizei geht von natürlichem Tod aus

Über die Ursachen des Todes wurden zunächst keine Angaben gemacht, ein Verbrechen schließt die Polizei allerdings aus. "Wir gehen von einem natürlichen Tod aus. Die Untersuchungen des Hotelzimmers haben keine Hinweise auf ein Verbrechen ergeben. Für die Feststellung der Todesursache ist ein Arzt zuständig. Es könnte ein Herzinfarkt gewesen sein", sagte ein niederländischer Polizei-Pressesprecher.

"Holger Schmezer war zuletzt frohen Mutes, schlagfertig und positiv eingestellt, wie man ihn kannte", sagte Dennis Peiler, ab dem 1. Mai neuer Geschäftsführer Sport des Reiterverbandes FN.

"Er hat in den vergangenen Wochen auf mich einen sehr munteren Eindruck gemacht und war mit Blick auf Olympia in London äußerst agil", sagte Klaus Roeser, Vorsitzender des Dressur-Ausschusses.

Nach langer Diskussion hatten sich Werth und Co. dazu entschlossen, beim Weltcup-Finale zu starten. "Er hätte es bestimmt so gewollt", sagte Werth. Als sie schweren Herzens mit El Santo zum Grand Prix ins Viereck einritt, hatte die Stille in den Brabanthallen von s-Hertogenbosch etwas Gespenstiges. Besser war auch den anderen deutschen Starterinnen, Helen Langehanenberg (Havixbeck) und Nadine Capellmann (Würselen), nicht zumute. "Das ist alles so schlimm. Mir fehlen die Worte", meinte Capellmann, die Doppel-Weltmeisterin von 2002.

Olympia wollte Schmezer noch mitnehmen, danach sollte Schluss sein. Er wollte endlich mehr Zeit für seine Frau Martha und die sechs Jahre alte Tochter Olenka haben. In den vergangenen Monaten hatte er die Equipe akribisch auf Olympia vorbereitet. Schmezer tat alles dafür, damit sein Team die historische Goldserie verteidigen kann. Seit Silber 1972 in München stand die deutsche Equipe bei Olympia mit Ausnahme der Boykott-Spiele 1980 in Moskau stets ganz oben auf dem Treppchen.

Schmezer hatte nicht immer einen leichten Stand zwischen den eigenwilligen Persönlichkeiten wie Isabell Werth, Ulla Salzgeber oder Matthias Rath. Am Ende fand er bei allen Streits jedoch in der Regel eine Lösung, war ein guter Diplomat. Dass er sich nicht alles gefallen ließ, zeigte er kürzlich in der Endlos-Debatte um die Form von Millionen-Pferd Totilas. Über dessen Reiter Rath, der stets intensiv von seinem Vater betreut wird, meinte Schmezer: "Er hieß ja mal Der Junge mit dem Knopf im Ohr, weil ihn sein Vater mit so vielen Informationen versorgt hat. Das hat sich jetzt zum Glück etwas geändert."

Schmezer sammelte als Bundestrainer jede Menge Medaillen. Zu seinen größten Erfolgen zählten die Goldmedaillen mit der Mannschaft bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Hongkong. Bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 holte er zweimal Teamgold und zweimal Einzelgold. Bei Europameisterschaften triumphierte seine Equipe dreimal.

(sid)
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