Ironman-EM in Frankfurt Kienle nach Höllenritt dem Himmel nah: "Ich hasse mich selbst"

Frankfurt/Main · Völlig erschöpft lag Sebastian Kienle rücklings auf dem Boden, zum Jubeln fehlte Europas härtestem "Eisenmann" nach der stundenlangen Tortur schlichtweg die Kraft.

Sebastian Kienle triumphiert beim Ironman auf Hawaii
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Kienle triumphiert beim Ironman auf Hawaii

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"Ich habe das Gefühl, dass ich gerade an die Himmelspforte geklopft habe", sagte der 31-Jährige nach seinem Triumph bei der Ironman-EM in Frankfurt am Main und fügte mit Blick auf die Leiden nach seinem Wahnsinnsrennen an: "Ich hasse mich selbst."

Nur 7:52:43 Stunden hatte Kienle für 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren sowie 42,195 km Laufen benötigt. In Abwesenheit von Weltmeister Jan Frodeno setzte sich Kienle vor dem Freiburger Andreas Böcherer (+57,0 Sekunden) und dem Spanier Eneko Llanos (+16:25 Minuten) durch. "Die letzten vier, fünf Kilometer waren nicht mehr schön", sagte Kienle.

Anders sah das bei Böcherer aus. Während Kienle noch immer nach Luft schnappte, gab der 33-Jährige schon strahlend Interviews. "Der zweite Platz ist hammergeil. Ich freue mich wahnsinnig, es hat brutal Spaß gemacht. Heute bin ich mit Sebi geflitzt, am Montag gehe ich mit meinen Kindern auf den Spielplatz", sagte er im hr-Fernsehen.

Die Entscheidung über den Sieg fiel beim abschließenden Marathon, der zu Beginn eher einem Paarlauf glich. Schulter an Schulter rannten Kienle und Böcherer noch die ersten Kilometer entlang des Mainufers, dann aber forcierte der Ex-Weltmeister - und Böcherer musste abreißen lassen.

Kienle hielt das Tempo danach hoch, er wehrte eine Schlussattacke seines Kontrahenten ab und ließ sich nach dem Rennen zurecht feiern - auch wenn der Erfolg einen kleinen Schönheitsfehler hatte. "Ich hätte gerne ein Re-Match gehabt. Ich glaube, dass ich Jan hätte schlagen können", sagte Kienle im Vorfeld.

Peking-Olympiasieger Frodeno, der Kienle im vergangenen Jahr in der Bankenmetropole mit einem Streckenrekord entthront hatte, verzichtete allerdings freiwillig auf seine Titelverteidigung. Der 34-Jährige startet in zwei Wochen beim Challenge Roth, wo er eine Weltbestzeit über die Triathlon-Langdistanz anpeilt. Die Teilnahme in Franken vergütet der Veranstalter Gerüchten zufolge mit einer Antrittsprämie von 100.000 Euro.

Ohne den dominierenden Sportler der vergangenen Saison ließen es die deutschen Starter in aller Herrgottsfrühe noch gemächlich angehen. Die erste Teildisziplin im Langener Waldsee, für die um 6.30 Uhr der Startschuss gefallen war, beendete Andreas Böcherer mit 29 Sekunden Rückstand zur Spitze. Kienle folgte dreieinhalb Minuten später - wohlwissend, dass er diese Zeit auf dem Rad mühelos wieder aufholen werden könne.

Und tatsächlich drückten Kienle und Böcherer beim zweiten Abschnitt dem Rennen dann auch ihren Stempel auf. Während Kienle, Welt- und Europameister von 2014, sich peu a peu nach vorne arbeitete, führte Böcherer nach 30 km das Rennen bereits an. Der Vorjahresdritte, der in dieser Saison noch von niemandem bezwungen werden konnte, wurde im Vorfeld als härtester Widersacher von Kienle gehandelt.

Nach gut 100 km musste Böcherer seine Spitzenposition an Kienle jedoch abtreten - wenn auch nur für kurze Zeit. Als der Favorit nämlich gerade an seinem Landsmann vorbeizog, sprang die Kette vom Ritzel. Kienle drosselte danach zwangsläufig das Tempo und reihte sich ein paar Meter hinter Böcherer und knapp vor dem Spanier Eneko Llanos ein. Das Trio bestimmte das Rennen und lag mehrere Minuten vor dem Rest des Feldes. Während die beiden Deutschen um den Sieg kämpften, sicherte Llanos noch mit Mühe den dritten Rang ab.

(sid)
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