Tendulkar beendet seine Karriere Indien trauert "Cricket-Gott" hinterher

Mumbai · Sachin Tendulkar ist für das Cricket, was Ali für das Boxen, Jordan für den Basketball oder Pele für den Fußball waren. Jetzt beendet der "Stolz von Indien" seine Karriere. Das Land trauert.

"Cricket-Gott" Sachin Tendulkar macht Schluss
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Der Fan weinte hemmungslos, doch sein Plakat stemmte er voller Stolz in den Himmel über Mumbai. "Jetzt spielen nur noch Menschen Cricket", hatte er darauf geschrieben. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte: Der Gott des Sports beendet seine Karriere — Sachin Tendulkar. In Westeuropa kennt ihn kaum einer, aber für Inder und andere dem Cricket erlegene Anhänger ist er Legende, Held, Ikone — einfach der "God of Cricket".

Tendulkar hat die Grenzen seines Sports verschoben. Doch jetzt, nach etlichen Rekorden und 24 Jahren auf dem Feld, macht der Stolz des Landes Schluss, für immer. Und das Riesenreich trauert. "Es ist schlimm für Indien", sagen sie.

Cricket ist in Indien kein Sport, sondern eine Einstellung, eine Art Religion — und Tendulkar ein Heiligtum. "Ich habe 24 Jahre lang jeden einzelnen Tag meinen Traum gelebt", sagte der 40-Jährige zu Beginn seines Abschiedsspiels mit brüchiger Stimme: "Es ist schwer, mir ein Leben ohne Cricket vorzustellen." Und seine Fans können sich den Sport nicht ohne ihn vorstellen.

Tendulkar hält viele Rekorde

In Indien will jeder Junge werden wie Tendulkar. Nicht Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo lächeln von den Kinderzimmerwänden, sondern der zweifache Familienvater. Es gibt kaum einen Rekord, den Tendulkar während seiner Laufbahn nicht pulverisiert hätte. Mit elf Jahren begann er den Schläger (Bat) zu schwingen und mit 16 debütierte er international. Keiner hat jemals mehr Runs oder Centuries (100 Runs in einem Inning) etwa vergleichbar mit einem Hattrick im Fußball — geschafft. Seine Werte lassen jeden Experten vor Ehrfurcht erzittern.

"Wir respektieren seine Entscheidung, obwohl eine Nationalmannschaft ohne ihn die Vorstellungskraft von uns allen übersteigt", sagt der Präsident des indischen Cricketverbandes: "Er ist ohne Zweifel der größte Spieler, den unser Land je hervorgebracht hat." Selbst Prinz Charles würdigte Tendulkar als "Großmeister".

Seine Vergötterung können wohl nur Cricketliebhaber begreifen. "Sachin ist für das Cricket, was Ali für das Boxen, Pele für den Fußball und Jordan für den Basketball war", sagt sein Ex-Rivale Brian Lara aus Trinidad und Tobago (West Indies): "Kein Zweifel — er ist der Größte."

Tendulkar hat gespielt wie ein Wahnsinniger. Verfeindete Gangs beendeten ihre Kämpfe, um ihn zu sehen, Züge hielten an, damit die Passagiere vor den Fernseher konnten, sogar Parlamentssitzungen wurden für seine majestätischen Schläge unterbrochen. Die ehemalige Präsidentin Pratibha Patil berief ihn 2012 ins "Haus des Volkes", das Unterhaus des Parlamentes. Indien liegt seinem Helden zu Füßen.

Auch weil es Tendulkar von ganz unten nach ganz oben geschafft hat. Im vergangenen Jahr soll der nur 1,65 m kleine Mann rund 22 Millionen Dollar verdient haben, sein Vermögen wird auf über 150 Millionen Dollar geschätzt. Und trotzdem scheint er nie die Bodenhaftung verloren zu haben, außer seiner Vorliebe für ultraschnelle Autos sind keine Extravaganzen bekannt. Er kämpft gegen Krebs, für mehr Rechte für Frauen und Schulbildung. "Tendulkar ist der Beweis, dass sich Indien von den Fesseln der Vergangenheit befreit hat und den ganz großen Traum wagt", hieß es in einem Kommentar der "Times of India".

20 Millionen Ticket-Anfragen für Abschiedsspiel

Doch Tendulkar will jetzt nicht mehr spielen, zieht sich mit seiner Frau zurück in seine Villa vor den Toren Mumbais. Als er vor einem Monat seinen Rücktritt bekanntgab, unterbrachen alle TV-Anstalten ihr Programm für Sondersendungen. Nur 5000 Tickets für sein Abschiedsspiel gingen in den freien Verkauf — der Veranstalter hatte rund 20 Millionen Anfragen. Riesenposter überschwemmen Mumbai, Tätowierer stechen sein Gesicht auf Oberarme. Und erstmals schaut seine an den Rollstuhl gefesselte Mutter ein Spiel ihres Sohnes.

Es ist sein 200. und letztes Länderspiel. Bis Montag dauert das Spektakel noch gegen die West Indies, die Cricket-Regeln wollen es so. Tendulkar hinterlässt eine Lücke, die wohl niemals geschlossen werden kann. "Durch ihn zeigt Gott seine Liebe zum Spiel", sagte der ebenfalls begnadete Australier Ricky Ponting einmal über Tendulkar.

Ab Montag spielen nur noch Menschen Cricket.

(sid)
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