Kaum Zuschauer bei Hockey-WM in London Schicksal einer Randsportart

London · Das Stadion ist groß und schick, aber voll ist es nur, wenn die Gastgeberinnen spielen. Bislang läuft die Hockey-WM in London noch nicht, wie sich die Organisatoren das vorgestellt hatten.

 Leere Sitze in einem Stadion (Symbolfoto)

Leere Sitze in einem Stadion (Symbolfoto)

Foto: dpa/AFP, AFP

Gänsehaut-Atmosphäre vor ausverkauften Rängen und ernüchternde Leere: die deutschen Hockeyspielerinnen haben bei der WM schon beides erlebt. Manchmal können sie im Gesang ihrer treuesten Fans sogar die eigenen Eltern einzeln heraushören. Die WM, das darf mit Fug und Recht behauptet werden, war in der Weltmetropole London bisher kein Straßenfeger.

"Es ist schon krass und extrem schade, das man in der Stadt davon überhaupt nichts mitbekommt. Das kennen wir von der WM in den Niederlanden 2014 ganz anders", sagte Mittelfeldspielerin Anne Schröder, die mit ihrer Mannschaft direkt in einem Hotel an der Tower Bridge wohnt.

Es liegt sicher nicht an den freiwilligen Helfern, die an der U-Bahnstation im östlichen Stadtteil Stratford große Mühe haben, die vereinzelten Hockey-Fans in der Menschenmasse zu erkennen. Fast schon verzweifelt zeigen sie mit ihrem riesigen, pinken Schaumgummi-Zeigefinger in Richtung Queen Elizabeth Olympic Park. So recht schaut niemand hin.

Die 675 in Pink gekleideten "Hockey Makers" helfen außerdem verirrten Fans im Olympic Park oder prüfen, ob das Eisbad für die Spielerinnen die richtige Temperatur hat. Doch über die Grenzen des Stadtteils hinaus ist nirgendwo ein pinkes T-Shirt der fleißigen Helfer zu entdecken.

Dabei ist die WM in diesem Sommer in London das spektakulärste Frauen-Sportereignis - schreibt zumindest der Welthockeyverband FIH auf seiner Webseite. Das glaubt zunächst auch sofort, wer eines der Spiele des Olympiasiegers England besucht hat, dann nämlich ist das Lee Valley Hockey Centre meistens ausverkauft. Der Olympia-Schauplatz von 2012 wurde eigens für das Turnier sogar von 5000 Plätzen auf 10.400 aufgestockt, und bei vollen Rängen herrscht in der Arena eine gigantische Stimmung.

Die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) hatte bei ihren beiden Gruppensiegen gegen Südafrika (3:1) und Argentinien (3:2) das Glück, vor den Gastgeberinnen zu spielen und davon zu profitieren. "Es war einfach überwältigend", sagte Kapitänin Janne Müller-Wieland nach dem Auftakt. Beim 3:1-Gruppenabschluss gegen Spanien herrschte hingegen gähnende Leere. Die wenigen Zuschauer wirkten in dem Meer aus Tribünensitzen ziemlich verloren.

Kein Poster, kein Fähnchen, kein Flyer, die in der Metropole auf das hochklassige Hockeyturnier hinweisen. Weder in den angesagten oder touristischen Vierteln, geschweige denn, in den U-Bahnstationen oder der Tube selbst. Nur im Westfield Einkaufszentrum, unmittelbar neben dem Olympia-Gelände, strahlt unter anderem Müller-Wieland von einem riesigen Plakat.

Im Fernsehen überträgt der Pay-TV-Sender BT Sports jedes Spiel. In der britischen Presse muss man hingegen lange suchen, um einen Schnipsel über Hockey zu finden. Die berüchtigte Yellow Press hat in diesen Tagen schließlich Wichtigeres zu tun: Immerhin scheint in den fernen USA Premier-League-Schwergewicht Manchester so gar nicht mehr United zu sein.

(sid/sef)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort