Leichathletik-EM Harting verliert die "Schlacht von Barcelona"

Barcelona (RPO). Der Hammer mit dem Diskus blieb diesmal aus - in der "Schlacht von Barcelona" musste sich Robert Harting ein Jahr nach dem WM-Gold von Berlin mit Silber begnügen. Im Dauerduell mit seinem großen Rivalen Piotr Malachowski aus Polen zog der 25-jährige Berliner mit 68,47 m diesmal knapp den Kürzeren: 40 Zentimeter fehlten am Ende zum zweiten großen Titel.

Harting jubelt oben ohne
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Foto: AP

"Jetzt bin ich der getötete Stier", sagte Harting, der den EM-Wettkampf selbst zur Schlacht ausgerufen hatte. Insgesamt aber war er nach der Niederlage gefasst: "Da kann man letztlich nichts machen. Ich hätte gerne die Serie beendet, dass der Pole immer in geraden Jahren gewinnt, aber ich habe keinen erwischt, und dann reicht es eben nicht für 70 m. Hätte ich einen richtig erwicht, wäre es wahrscheinlich eineinhalb Meter weiter gegangen."

Sein Ziel, "die großen Gegner zu schlagen" konnte sich der Olympia-Vierte von Peking nur zum Teil erfüllen: Ex-Europameister Robert Fazekas aus Ungarn (66,43) blieb als Dritter ebenso hinter dem Deutschen wie Peking-Olympiasieger Gerd Kanter (Estland) als Vierter (66,20) - der letzte Wurf zum Glück wollte indes nicht gelingen.

Mit seinem ersten Versuch auf 68,33 m hatte Harting seinen größten Widersacher nur kurz geschockt. Malachowski konterte bereits mit dem zweiten Wurf, mit dem er seine Siegweite von 68,87 m erzielte. Zwar steigerte sich Harting im dritten Versuch auf 68,47 m, doch danach haderte er ein ums andere Mal mit den technischen Feinheiten.

Als zweiter DLV-Starter im Finale belegte der 23-jährige Magdeburger Martin Wierig mit 63,32 m den siebten Platz. Dagegen war der von Los-Angeles-Olympiasieger Rolf Danneberg trainierte Markus Münch (Wedel/Pinneberg) schon in der Qualifikation am Samstag mit 58,81 m gescheitert.

Harting, der als letzter aus dem 73-köpfigen EM-Team des DLV am Donnerstag in der Olympiastadt von 1992 eingetroffen war, hatte bei seiner Ankunft zunächst für Wirbel gesorgt. Mit seiner per Pressemitteilung eingeforderten "Förderungsgarantie" für seinen Bruder Christoph, der als großes Nachwuchstalent gilt, war der 2,01-m-Hüne beim Verband auf Unverständnis gestoßen.

Es werde Zeit, "dass der träge Verband und Bundestrainer Jürgen Schult sich endlich mal bewegen und ihn verstärkt fördern", ließ Harting verlauten. DLV-Vize Guenther Lohre erklärte jedoch, dass im Sinne der Gleichbehandlung aller Disziplinen eine entsprechende Garantie nicht möglich sei.

Gold für Reif

Er sah die Weite auf der Tafel, sank auf die Knie, reckte den Kopf zum Himmel und schrie seine Freude schrill durch die Arena: Christian Reif, der gerade noch vor dem Aus gestanden hatte, setzte mit der Jahres-Weltbestleistung von 8,47 m die Serie der deutschen Sensationen fort.

"Mein Ziel war eine Medaille. Aber klar: Nach den guten Weiten zuvor hatte ich natürlich von diesem Gold geträumt", sagte Reif in der Stunde des Triumphes. Die Konkurrenz wusste gegen seinen Riesensatz kein Mittel mehr: Mit 8,24 m blieb dem Franzosen Kafetien Gomis mit 8,24 m Silber, mit 8,23 m dem Briten Chris Tomlinson Bronze.

Sechs Jahre nach dem Abitur hat der Christian Reif nun die Reifeprüfung in der Weitsprung-Grube abgelegt, gewann 20 Jahre nach Christian Haaf das siebte deutsche EM-Gold seiner Disziplin seit 1934 und das erste seiner Karriere.

Trotz vieler Fehlschläge in den letzten Jahren setzte Reif in Barcelona auf die Karte "Frechheit siegt". "Ich werde die Qualifikation ganz sicher überstehen. Ich habe ein Niveau von 8,30 m", hatte der WM-Neunte von 2007 am Tag vor Runde eins verkündet. Ähnlich wie im Finale stand er nach zwei ungültigen Versuchen mit 7,79 m vor dem Aus und egalisierte mit dem Rücken zur Wand seine Europa-Jahresbestmarke von 8,27 m.

"Der Sprung war technisch nicht mal gut", war der Kommentar des Mannes, der sich mit Mut dem Scheitern entgegenstemmte und dann auch im Finale ums "Überleben" kämpfte. 7,87 m im zweiten Versuch, bei dem er um 32,9 vor dem Brett absprang, hätten nicht für den Vorstoß unter die acht Besten der drei letzten Finaldurchgänge gereicht.

Die Sicherheit hatten ihm drei große Sprünge im Frühsommer gegeben. Bei 8,27 m landete er in Hengelo, bei 8,22 m fasste er wieder Boden in Weinheim und 8,21 m wurde in der Grube von Bad Langensalza gemessen.

Abgehakt waren plötzlich die schweren Jahre. 2008 hatte der 1,96 m lange Ludwigshafener angeschlagen die Olympia-Norm verpasst, 2009 sprang zwar die WM-Norm für Berlin - doch nach Verletzungen eine Woche zu spät. "Das war hart, vor allem, weil es schon mit Olympia nicht geklappt hatte."

Mitschuld an seiner Misere hat er sich dann schon angelastet. Denn zu oft hat Christian Reif nach Verletzungen wieder zu schnell trainiert. Unter Ulrich Knapp wird die Belastung nun besser dosiert. "Jetzt fühlt er sich befreit. Dieses Verkrampfte ist weg", sagt der Coach, der Reif auf die Sprünge half.

+++ Die deutsche 4x400-m-Staffel der Frauen hat im vorletzten Wettbewerb Silber gewonnen. Janin Lindenberg (Magdeburg), Esther Cremer (Wattenscheid), Jill Richards (Berlin) und Claudia Hoffmann (Potsdam) wurden in 3:24,07 Zweite hinter Russland, das in 3:21,26 gestoppt wurde. Bronze holte Großbritannien in 3:24,32.

+++ Die WM-Dritte Ariane Friedrich hat Bronze im Hochsprung gewonnen. Die 26-Jährige aus Frankfurt/Main blieb mit 2,01 m einen Zentimeter unter ihrer Saison-Bestleistung und bescherte dem DLV die insgesamt 14. Medaille dieser Titelkämpfe. Für das letzte Hochsprung-Edelmetall bei einer EM hatte die Mannheimerin Alina Astafei als Dritte 1998 gesorgt. Europameisterin wurde die Kroatin Blanka Vlasic, die 2,03 m meisterte und damit nach WM-Gold 2007 und 2009 ihren ersten kontinentalen Titel gewann. Auf Platz zwei kam die Schwedin Emma Green höhengleich mit Friedrich. Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Tia Hellebaut aus Belgien ging als Fünfte mit 1,97 m leer aus.

+++ Christophe Lemaitre hat als erster Sprinter der Geschichte das Triple geschaffte und die deutsche 4x100-m-Staffel Tobias Unger, Marius Broening, Alexander Kosenkow und Martin Keller gewann in 38,44 Sekunden Bronze. Lemaitre, der zuvor die 100 m in 10,10 und 200 in 20,37 Sekunden gewonnen hatte ist der erste Athlet des Kontinents, der auf diesen drei Distanzen bei der gleichen EM siegte. Frankreich gewann in 38,11 Sekunden sein siebtes Gold im Olympiastadion. Silber ging in 38,17 an Italien. Großbritannien war im Vorlauf durch einen Wechselfehler gescheitert.

(SID/chk)
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