Was steckt hinter der „Initiative Teamsport Deutschland“? Was der Fußball übrig lässt

Düsseldorf · Die European Championships hieven Sportarten im Verbund erfolgreich in den Fokus. Mannschaftssport bleibt außen vor. Der sucht stattdessen die Nähe zum Fußball. Ein Blick auf die Initiative „Teamsport Deutschland“.

 5,18 Millionen Menschen schauten am Schlusstag der European Championships bei der Leichtathletik-EM im TV zu.

5,18 Millionen Menschen schauten am Schlusstag der European Championships bei der Leichtathletik-EM im TV zu.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Für Wolfgang Hillmann ist die Sache klar. Geht es nach dem Präsidenten des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) wäre seine Sportart auf jeden Fall bei den nächsten European Championships 2022 dabei. Entscheiden muss das zwar der Europäische Hockey-Verband, aber Hillmann sagt, er würde „generell eine solche Entwicklung sehr begrüßen, weil es unserer Sportart mit Sicherheit eine größere Aufmerksamkeit bringen würde. Die Berichterstattung und Bilder von den European Championships zeigen einmal mehr, wie sympathisch und authentisch die olympischen Sportarten sich präsentieren und bei den Sportfans ankommen. Da würde Hockey zweifellos hervorragend hereinpassen.“

In der DHB-Zentrale hat man sehr genau registriert, welch ein Erfolg die Multi-EM für die beteiligten Sportarten war. Und dass das Format durchaus als Leuchtturmprojekt durchgeht bei der Frage, die sich alle Sportarten in Deutschland, die nicht Fußball heißen, stellen müssen: Wie bekommen wir im Schatten des alles überstrahlenden Fußballs etwas ab vom Kuchen der medialen Aufmerksamkeit und Sponsorengelder? Im Handball, Eishockey, Volleyball und Basketball stellt man sich diese Frage sicherlich auch, sie mündete allerdings in einer gänzlich anderen Entscheidung als der, im Verbund dem Fußball etwas entgegenzusetzen: Im März 2017 gründeten die Verbände der genannten vier Ballsportarten mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die „Initiative Teamsport Deutschland“.

European Championships: Gesa Krause stürmt zu Hindernis-Gold
21 Bilder

Krause stürmt zu Hindernis-Gold

21 Bilder
Foto: dpa/Kay Nietfeld

Das Bündnis sei, so heißt es, „die institutionalisierte Interessengemeinschaft der fünf größten deutschen Mannschaftssportverbände, die sich aktiv für die Verbesserung der sportlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Mannschaftssportarten einsetzt.“ Es geht also am Ende des Tages auch hier darum, mehr Geld einzunehmen – ganz wie bei den European Championships.

Unsere Redaktion hat bei den Verbänden im Basketball, Handball, Eishockey und Volleyball einzeln nachgefragt, ob, und wenn ja, wo sie einen Mehrwert aus der Initiative ziehen, und ob sich die Erwartungen an die Initiative erfüllt haben. Keiner der vier Verbände antwortete auf diese Anfrage. Wer stattdessen antwortete, war im Namen aller die Initiative Teamsport, namentlich der Leiter des Hauptstadtbüros. In seiner Antwort ist von einem „engen und regen Austausch“ die Rede. Von Arbeitsgruppen, von Synergiepotenzialen, von Wissenstransfer, vom Wirkungsgrad von Argumenten und der Artikulation von Forderungen gegenüber Politik, Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) und Wirtschaft. Die Mitglieder der Initiative profitierten voneinander, bildeten eine „sehr gut funktionierende Einheit“ und „sprechen mit einer Stimme“.

Wenn man nun davon ausgeht, dass der Fußball in punkto Vermarktung nicht viel vom Volleyball wird lernen können, dann geht die Rechnung für die vier Nicht-Fußball-Verbände im Boot natürlich auf, wenn sie ihrerseits vom Know-how des Branchenführers profitieren können. Allerdings zum Preis, das der DFB auch immer bestens darüber informiert ist, was die anderen vier so vorhaben. In jedem Fall sehen die Verbände ihr Heil eher in der Nähe zum Fußball als in einem koordinierten Gegenpol.

European Championships 2018: Aus der deutschen Männerstaffel nach Sturz-Drama
26 Bilder

Aus der deutschen Männerstaffel nach Sturz-Drama

26 Bilder
Foto: dpa/Bernd Thissen

Das bestätigen Aussagen vom Montag. Der Wettkampfkalender in der Halle und am Beach sei schon ausgereizt, teilte der Volleyball-Verband auf die Frage mit, ob er Interesse an einer künftigen Teilnahme an den European Championships habe. Basketball-Präsident Ingo Weiss ließ wissen: „Es ist aus unserer Sicht erstmal kein Thema, daran teilzunehmen.“ Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, warnte gar davor, „Sportarten wie Fußball, Handball oder Basketball, die ohnehin ganzjährig im Mittelpunkt stehen, aus Kommerzgründen zur Steigerung der Attraktivität dazu zu nehmen.“

Die sieben Sportarten, die 2018 bei der Premiere der Championships dabei waren – Leichtathletik, Schwimmen, Rudern, Turnen, Triathlon, Golf und Radsport – werden solche Ablehnung wahrscheinlich sogar wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Denn sie dürften heilfroh sein, in der Multi-EM ihre zukunftsfähige, vermarktbare Nische gefunden zu haben, quasi einen ganz eigenen Kuchen für die Dauer von ein paar Tagen. Warum den also auf zusätzliche hungrige Münder aufteilen?

(mit dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort