Heimspiel in Hilversum Eine Golfrunde mit Martin Kaymer

Hilversum (RP). Der Mettmanner Profi spielt bei den Dutch Open im niederländischen Hilversum. Freunde und Verwandte sind die knapp 200 Kilometer nach Holland gefahren. Der neue Star der Szene fühlt sich wie "bei einem Heimspiel". Tatsächlich tritt er selten so nahe der Heimat an.

Kaymer feiert 2010 mit Freundin Allison
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Als am frühen Nachmittag von der Nordsee der Regen herüber kommt, hat Martin Kaymer genug. Er zieht sich den dunkelblauen Pullover über das knallrote Polohemd und lässt es sein mit der Extraschicht auf der Driving Range. Es läuft rund bei ihm, krampfhaft übertriebenes Training braucht er nicht. Caddie Craig Connelly packt die Schlägertasche ein, aus der ein Plüsch-Biber und ein -Tiger schauen. Kaymer wirkt entspannt.

Der 67er-Runde vom Donnerstag lässt er gestern Morgen das gleiche Ergebnis folgen. Drei Schläge unter dem Platzstandard liegt er damit jeweils. Zur Hälfte der Offenen Niederländischen Meisterschaften steht er auf Platz sechs, zwei Schläge hinter dem Führungsduo Nicolas Colsaerts (Belgien) und Shiv Kapur (Indien).

Der mit 300.000 Euro dotierte erste Platz liegt noch in Reichweite. "Solide" findet er seine Vorstellung. Nur bei den kurzen Schlägen auf dem Grün fehlt ein wenig die Präzision — und das Glück. Alles kein Grund zur Beunruhigung nach einer Turnierpause mit Kurzurlaub auf Jamaika.

Der Schwung ist nach ein paar Tagen Training bei Günter Kessler in Neuss und den ersten beiden Runden in Hilversum zurück. "Ich war selbst überrascht, wie gut es schon wieder ging", sagt der Golfprofi aus Mettmann, der spätestens Mitte August mit seinem Sieg bei der PGA-Championship in Kohler/Wisconsin in den Kreis der Großen seiner Sportart aufgestiegen ist.

Die Dutch Open sind für ihn Zwischenstation auf dem Weg von seinem ersten Sieg bei einem Major-Turnier zu seiner Premiere im Ryder Cup, dem prestigeträchtigen Kontinentalwettkampf zwischen Europa und Amerika, der in den ersten Oktobertagen im walisischen Newport ausgetragen wird.

"Als ich 2005 Profi wurde, habe ich mir zum Ziel gesetzt, ein Major zu gewinnen, den Ryder Cup zu spielen und Nummer eins in Europa zu werden. Ich kann diese Dinge alle in diesem Jahr erreichen", sagt er, "mein neues Ziel ist, einmal die Nummer eins der Welt zu werden." Martin Kaymer wirkt außergewöhnlich ernsthaft, wenn er seinem Beruf nachgeht. Späßchen mit dem Publikum, wie sie der Niederländer Robert-Jan Derksen, mit dem er unterwegs ist, treibt, sind seine Sache nicht.

In einer Sportart, die nicht wenige aus der Form geratene Darsteller kennt, fällt Kaymer auch mit seinem athletischen, täglich in acht Stunden auf dem Golfplatz und im Kraftraum gestählten Körper auf. Mit höflichen, aber sparsamen Gesten bedankt er sich für den Applaus der Zuschauer. Wenn der Ball mal nicht wie erhofft ins Loch fällt, schlägt er sich allenfalls sachte auf den Oberschenkel.

Diese Nüchternheit entwickelt sich zum Markenzeichen des 25-Jährigen. Auch nach dem PGA-Sieg brach er nicht in Triumphgeheul aus oder duschte öffentlich unter Sektfontänen. Als "typisch deutsch" stellte er sich kürzlich bei einem Besuch der Redaktion des US-Magazins "Sports Illustrated" vor. Und damit meinte der Fan des 1. FC Köln nicht nur die Vorliebe für schnelle Autos wie seinen 330 PS starken BMW M3: "Ich bin ziemlich konservativ. Ich habe früh gelernt, dass es nichts bringt, wenn man verrückt spielt. Meine Eltern haben meinem Bruder und mir nie erlaubt, mal einen Schläger zu zertrümmern. Und das habe ich bis heute auch nicht gemacht — nicht einmal aus Versehen."

Hilversum betrachtet er als "so etwas wie ein Heimspiel". An jedem der vier Turniertage kommen Freunde und Verwandte aus dem knapp 200 Kilometer entfernten Mettmann. Viel Sachkunde verraten die Kommentare des Publikums. Schlägerwahl, Körperhaltung, Windrichtung — alles bewerten die Zuschauer, von denen viele Golfkleidung und —schuhe tragen.

Am Donnerstag ging der Bruder mit auf die Runde, jetzt ist Vater Horst da. "So oft sieht er mich ja auch nicht spielen", sagt Martin Kaymer. In den nächsten Jahren wird Deutschlands bester Golfer, Sechster der Weltrangliste, noch öfter in den Vereinigten Staaten spielen. Dank des Major-Siegs besitzt er für fünf Jahre die Startberechtigung für die lukrative US-Tour. "In Deutschland und hier in Holland werde ich aber nach Möglichkeit weiterhin antreten", verspricht er.

Nach dem Turnier ein paar Kilometer östlich von Amsterdam fliegt er zu Sponsorenterminen nach Chicago, anschließend zum Training in seine zweite Heimat Scottsdale/Arizona. Einen amerikanischen Akzent hat er sich dort angewöhnt. "Ich kann gar nicht genau sagen, wo ich mich mehr aufhalte, in Mettmann oder in Arizona." Die meiste Zeit des Jahres spielt er ohnehin irgendwo auf dem Globus Golf. In der europäischen Serie, die kurioserweise "Race to Dubai" heißt, weil das Finale Ende November am Persischen Golf stattfindet, führt er mit einer Jahresgewinn-summe von mehr als 2,25 Millionen Euro.

(RP)
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