Ruder-Krise geht weiter Drygalla-Förderer bestätigt Stasi-Mitarbeit

Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wird für den Deutschen Ruderverband (DRV) immer mehr zur Belastung. Hans Sennewald, Chef des Landesruderverbandes, hat drei Jahre lang für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) gearbeitet.

Olympia 2012: Drygallas erster Auftritt daheim
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Sennewald ist Vater der Ruderin Ulrike, die mit Nadja Drygalla bei den Olympischen Spielen in London gemeinsam im Frauen-Achter saß. Drygalla war nach Bekanntwerden ihrer Beziehung zu einem früheren Rechtsextremisten nach dem Achter-Wettkampf vorzeitig von Olympia abgereist.

"Ich bin von der Nachricht überrascht worden. Wir wissen von den Anschuldigungen erst seit Mittwochabend. Der Vorstand wird diesen Sachverhalt zeitnah bewerten", sagte DRV-Präsident Siegfried Kaidel. Über eine Ablösung Sennewalds wollte Kaidel nicht spekulieren.

Sennewald ließ über seinen Anwalt Rainer Cherkeh erklären, dass er sich 1984 "nach langem Drängen" gegenüber dem MfS verpflichtet habe. Er sei Anfang 20 gewesen, frisch verheiratet, seine Frau war schwanger. Aus heutiger Sicht sei es aber ein Fehler gewesen, sich dem Druck gebeugt zu haben.

"Mit dem 'Fall Drygalla' hat dieser Sachverhalt nichts zu tun"

Der letzte tatsächliche Kontakt mit dem MfS sei im Jahr 1987 erfolgt. Das MfS wollte mit ihm über seinen damaligen Trainer sprechen, was er jedoch ablehnte. Dies war sein persönlicher Schlussstrich in der Sache. Seine Akte, auf die sich die Vorwürfe in den Zeitungsberichten stützten, habe er nie gesehen, so Sennewald.

Kein Verständnis zeigte der Ruder-Funktionär dafür, dass seine Angelegenheit mit dem "Fall Drygalla" verbunden werde. "Die damalige Tätigkeit für das MfS ist Teil meiner Biographie, der ich mich nun auch in der Öffentlichkeit stellen muss. Mit dem 'Fall Drygalla' hat dieser Sachverhalt rein gar nichts zu tun", ließ sich Sennewald zitieren.

Zuvor hatten die Zeitungen "Die Welt" und "Berliner Morgenpost" über die Stasi-Mitarbeit des 52-Jährigen berichtet. Angeblich soll der Ruderer unter dem Decknamen "Alexander" über Athleten vor allem bei Auslandsreisen Auskunft gegeben haben. Den Zeitungen liegen nach eigener Darstellung 244 Seiten aus Sennewalds Stasi-Akte vor.

Sennewald war im "Fall Drygalla" bundesweit in den Blickpunkt gerückt. Der langjährige Vorsitzende des Landesverbandes und des Olympiastützpunktes in Rostock fördert die junge Ruderin seit Jahren und schirmte sie in der heißen Phase vor der Öffentlichkeit ab. Drygalla war vorzeitig von Olympia abgereist nachdem ihre Beziehung zu einem früheren Vertreter der rechtsradikalen Szene bekannt geworden war.

"Inakzeptables Verhalten"

Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wurde der "Fall Drygalla" auf der Weltbühne Olympia zu einer echten Belastung. Angeblich wusste der DOSB nicht, dass die Ruderin zuvor nach Gesprächen über ihr privates Umfeld ihren Job bei der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gekündigt hatte. DOSB-Chef Thomas Bach kritisierte den miserablen Informationsfluss und sprach von einem "inakzeptablen Verhalten".

Bis heute konnte der DRV nicht genau klären, wie diese Kommunikationspanne zustande kam. Eine zentrale Rolle dabei spielte Sennewald. Der Landesfürst, auch mächtiges Mitglied im Länderrat des DRV, habe nach eigenen Angaben DRV-Sportdirektor Mario Woldt bereits im April 2012 davon unterrichtet. Der DRV hatte bestritten, in Kenntnis gesetzt worden zu sein.

Man darf gespannt sein, welches Einfluss das frühere Wirken von Sennewald auf Drygallas geplante Rückkehr in den Sport haben wird. Noch am Dienstag gab der DRV seiner Athletin nach einem Krisengipfel in Beisein von Sennewald Rückendeckung für ihr Comeback. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) prüft derzeit, ob Drygalla in die Sportförderung aufgenommen wird. Erfreut wird man im Ministerium über die jüngsten Veröffentlichungen nicht sein.

(sid)
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