Darts-WM in London Phil Taylor und die "180!"

Düsseldorf · Im Londoner Alexandra Palace beginnt die Darts-WM. Zu sehen ist eine Mischung aus Hochleistungssport und Oktoberfest.

Phil Taylor – Rekordweltmeister und Darts-Legende
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Das ist Phil Taylor

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Foto: dpa, dul kno

Philip, genannt Phil, Douglas Taylor hat lange nichts. Und alle haben ihm gesagt, dass das auch so bleiben wird. Nichts haben, nichts sein, nichts werden. Im Arbeiterviertel von Stoke-on-Trent erschüttert diese Aussicht niemanden. Auch der mittellose Metallbauer Taylor hat sich damit abgefunden, mit Gelegenheitsjobs den Lebensunterhalt zu verdienen. Harte Arbeit, karger Lohn. Abends, wenn Körper und Seele sich nach Ruhe sehnen, geht er in eine Kneipe und wirft ein paar Pfeile. Die Liebe zum Darts ist wie eine Flucht aus dem Alltag. Irgendwann wird er von einem Darts-Profi entdeckt und erhält von ihm ein zinsloses Darlehen von 11.000 Euro. Am 13. Januar 1990 wird er zum ersten Mal Weltmeister - es folgen 15 weitere Titel und der Aufstieg zum absoluten Superstar einer stetig wachsenden Szene. Nun steht sein letztes großes Turnier an.

Im Londoner Alexandra Palace wird in den kommenden drei Wochen das verrückteste Sportspektakel der Welt ausgetragen. Die Professional Darts Corporation (PDC) veranstaltet dort die Weltmeisterschaft. Es ist kein klassisches Sportevent. Hochleistungssport wird auf der Bühne und im Publikum geboten. Die Zuschauer, größtenteils verkleidet, sind fester Bestandteil der Show. "Das ist eine absolute Mega-Party. Es ist eine Mischung aus Oktoberfest, Junggesellenabschied und Karneval", sagt Sascha Bandermann. Der gebürtige Düsseldorfer moderiert bei der WM für "Sport1". Der TV-Sender feiert mit dem Produkt in der Nische große Erfolge. Vom Auftakt bis zum Finale verfolgten im vergangenen Jahr im Schnitt 480.000 Zuschauer die Liveübertragungen. Viel wichtiger für den Spartensender sind die Marktanteile von 2,1 Prozent. Beim Sieg des Niederländers Michael van Gerwen im Finale sahen in der Spitze 1,95 Millionen Zuschauer zu.

Barry Hearn stand schon ein paar Mal vor der Pleite. Er investierte in riskante Geschäfte, steckte viel Geld in die Veranstaltung von Boxkämpfen, die niemand sehen wollte. Irgendwann begann er, das normale englische Sportleben auf die große Bühne zu heben. 1992 gründete er die PDC.

Er holte sich Taylor, den aufstrebenden Star der konkurrierenden British Darts Organisation (BDO), in sein Team. Bei der BDO warfen biedere Männer Pfeile auf ein Brett. Bei der PDC wurde die Sportart für die TV-Übertragung generalüberholt. Hearn hatte mit seiner Agentur bereits Snooker auf der Insel zu größerer Beachtung verholfen, nun witterte er beim Darts das große Geld. Mittlerweile organisiert sein Unternehmen 2000 Stunden an TV-Sportprogramm im Jahr - darunter auch Boxen, Poker und Sportangeln. Das Geschäft zahlt sich aus - der Umsatz lag zuletzt bei 68 Millionen Euro. Bei der Darts-WM geht es um 2,04 Millionen Euro, der Sieger bekommt davon 406.000 Euro.

Das Board mit 82 unterschiedlichen Feldern hängt in einer Entfernung von 2,37 Metern. Es geht darum, in mehreren Sätzen 501 Zähler auf "0" runterzuspielen. Mit drei Würfen kann man maximal 180 Punkte erzielen, wenn man dreimal die Triple-20 trifft. Im Alexandra Palace verkündet dann Zeremonienmeister Russ Bray ein langgezogenes "One Hundred and Eighty" mit einer Stimme, als sei er in einem Whiskeyfass auf einer Tabakplantage groß geworden.

Für das Publikum ist die "180" wie ein Signalwort bei einem Trinkspiel. Je besser die Darts-Spieler werfen, desto besser kommt die Party in Fahrt. "Auf der Bühne sind es durch die Scheinwerfer für die Spieler um die 60 Grad, der Lärmpegel um sie herum liegt bei 120 Dezibel - und unter diesen Bedingungen werfen sie auf acht Millimeter breite Felder", sagt Bandermann, einst Tennisprofi, der seit sechs Jahren von der WM berichtet. "Das ist eine unfassbare mentale und körperliche Leistung der Sportler. Von diesem Format könnten sicher auch andere Sportarten einiges lernen. Darts, so wie es die PDC interpretiert, ist eine gigantische Inszenierung." Der Markt in Deutschland wird immer größer. Vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass die PDC ein Premier-League-Turnier fest nach Berlin vergeben hat.

Phil Taylor sagt, Darts sei nicht mehr sein Leben. Er werde nichts vermissen. Weil er das schmuddelige Wetter in England nicht schätze, denke er über einen Umzug nach Portugal nach. Nach der WM und seinem angekündigten Karriereende hat er indes erstmal keine Zeit für derlei Pläne: In den kommenden zwölf Monaten ist er komplett ausgebucht mit Schauturnieren. Im November will Taylor in die englische Version des Dschungelcamps einziehen.

Alles Teil des Showgeschäfts.

(gic)
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