Crowdfunding im Sport Wenn Weltmeister Spenden sammeln müssen

Düsseldorf · Kreisligaklubs benötigen neue Trikotsätze. Und selbst Weltmeister müssen sich Trainingslager oder WM-Reisen selbst finanzieren: Fernab des reichen Fußballs haben viele Sportler Geldprobleme – und setzen auf Crowdfunding.

 Kickboxerin Nadine Flöper mit Trainer und Teamkollege Guido Rödel.

Kickboxerin Nadine Flöper mit Trainer und Teamkollege Guido Rödel.

Foto: Uwe Miserius

Zwei Jahre ist es her, als Hamburg drohte, eines seiner Flaggschiffe im Sport zu verlieren. Die Investoren der Hamburg Freezers wollten den Eishockeyklub nicht länger finanziell unterstützen. Nach sportlicher Talfahrt stand die Lizenz für die Liga auf der Kippe. Also fragten Spieler und Verantwortliche nach dem Teamgeist, dem von ganz Sportdeutschland.

Die Freezers starteten das größte Crowdfunding-Projekt, das es im deutschen Sport je gegeben hat. Durch die Gruppenfinanzierung erhoffte sich der Klub eine Viertelmillion Euro aus Spenden. Tatsächlich fanden sich 3450 Unterstützer, die eine Summe von 567.512 Euro ermöglichten. All das geschah auf der Crowdfunding-Plattform „fairplaid.org“, die nun erste Adresse für Athleten, Teams und Klubs ist, die sich Sportprojekte und -träume erfüllen wollen.

Die Kategorien gehen vom Breitensport bis zum Spitzensport. Da hofft der Turnerbund Unterturkheim auf 2370 Euro für neue Sportbekleidung. Dort starten Spitzensportler aus dem deutschen Olympia-Team Aufrufe an die Fans. Für das Sitzvolleyball-Nationalteam etwa erfüllte sich der Traum einer Teilnahme an den Paralympics 2016 in Rio. Hürdenläuferin Djamila Böhm (ART Düsseldorf) konnte sich dank eines erfolgreichen Projektes zwei Trainingslager für die Vorbereitung auf die EM 2018 in Berlin (ab 6. August) leisten.

Seit 2013 ist „fairplaid.org“ online. Das Prinzip ist simpel: Projekte werden angemeldet, Videos und Informationen auf der Seite hochgeladen. Die Athleten stellen ihr Anliegen vor. Dann kann jeder Nutzer aussuchen, ob und wie viel er spenden möchte und welches „Goodie“ er für die Spende erhält. Gutscheine, persönliche Treffen oder ähnliche Gegenleistungen kann man auswählen. Scheitert das Projekt nach Ablauf einer festgesetzten Frist, bekommt der Unterstützer sein Geld zurück. Im Erfolgsfall entsteht eine Win-win-Situation – und Fairplaid erhält neun Prozent des gesammelten Betrags.

Die Idee hatte Marthe Lorenz. „Ich habe die Probleme selbst gesehen, die vor allem Sportarten haben, die nicht Fußball heißen und auf Ehrenamt angewiesen sind“, sagt die Plattform-Gründerin und ehemalige Basketballerin. Sie ging auf Lösungssuche und schloss mit Crowdfunding für den Sport eine Lücke. Bisher gab es knapp 900 Sportprojekte, rund 700 davon wurden erfolgreich finanziert. Die Plattform stellt Berater an die Seite, die Tipps zur Umsetzung und Präsentation des Projektes geben. „Die Sportverbände sind noch zurückhaltend. Viele warten ab“, sagt Lorenz zur Resonanz von offizieller Seite. Vor allem mit dem Deutschen Behindertensportverband aber sei ein enger Kontakt entstanden.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ziert sich auf Anfrage unserer Redaktion, eine Stellungnahme zu „fairplaid“ oder Crowdfunding im Sport generell abzugeben. „Derartige, kommerzielle Angebote bewerten wir grundsätzlich nicht“, sagt Ulrike Spitz, DOSB-Pressesprecherin. „Wir kümmern uns darum, öffentliches Geld fair zu verteilen.“ Für den DOSB würden weiter allein die eigenen Förderkriterien gelten, zudem arbeite man nach wie vor an der Umsetzung von „Potas“, dem Potenzialanalysesystem, das die Geldverteilung fairer gestalten soll. „Wenn ein Sportler darüber hinaus Ideen hat, gefördert zu werden, kann er die ja nutzen“, so Spitz.

In gut drei Monaten steht die Kickbox-WM in Athen an. 780 Euro benötigt die Leverkusenerin Nadine Flöper (Kickboxing-Team Meister Splinter) für die Reise- und Aufenthaltskosten. Flöper, mehrfache Deutsche Meisterin und Weltmeisterin 2016, muss die WM-Reise aus eigener Tasche zahlen, sollte das Geld bis dahin nicht zusammenkommen. „Randsportarten haben es schwer, Sponsoren zu finden“, sagt Flöper, die hauptberuflich Gesundheitsmanagerin ist. „Aber man sucht sich seinen Sport vorher aus und weiß das auch.“ Es sei ohnehin die Leidenschaft, die sie viermal pro Woche zum Kickboxen und zu Ausdauer- und Krafteinheiten in die Fitnesshalle zöge. Die Leverkusenerin macht sich noch Hoffnungen. Diese ist bei den Hamburg Freezers hingegen bereits 2016 erloschen. Das Projekt steht auf „fairplaid.org“ zwar unter „erfolgreich“ gelistet, weil der Geldbetrag zusammengekommen ist. Die Lizenz hat der Eishockeyklub damals aber nicht mehr beantragt, weil kein Partner gefunden wurde, der das Team die Saison über betreiben wollte.

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