Appell an die Politik Der bange Blick des Sports auf den Corona-Gipfel

Berlin · Was passiert diesmal? Die Szenarien des vergangenen Winters sind angesichts der aktuellen Corona-Lage im Sport noch allzu präsent. Der Dachverband richtet einen klaren Appell an die Politik. Und die wiederum richtet sich auch an den Sport, genauer: an nicht geimpfte Fußball-Profis.

 Zwei Männer an einer Gerätestation.

Zwei Männer an einer Gerätestation.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Es sind die Abkürzungen, die in Corona-Zeiten im Sport längst auch über Wohl und Wehe mitbestimmen: MPK, 2G, 3G, 2G plus. Tore, Punkte, Ergebnisse und Tabellenstände sind das eine, seit der Pandemie zählen noch andere Faktoren. Und am Donnerstag werden von den Topfunktionären im Fußball über Eishockey, Handball und Basketball bis zu den Breitensportverantwortlichen alle wieder gebannt auf die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) schauen.

An Appellen von praktisch allen Seiten mangelt es vor dem nächsten Corona-Gipfel nicht. „Der Fehler des Vorjahres, als die weitgehende Schließung von Spiel- und Sportstätten und die Kontaktbeschränkungen die rund 27 Millionen Mitglieder von Sportvereinen und alle anderen Menschen in Deutschland zur Bewegungslosigkeit verurteilten, darf sich nicht wiederholen“, sagte am Dienstag der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann.

Trotz der schwierigen Infektionslage dürfe es für Geimpfte und Genesene keinerlei Einschränkungen bei der Sportausübung geben, forderte der DOSB als Dachverband von 90 000 Vereinen. Er reklamierte auch eine „Outdoor-Sport-Garantie für alle“. Heißt nach Vorstellung des DOSB: Für Sport im Außenbereich darf höchstens 3G gelten - sprich: genesen, geimpft oder getestet. Für Sport im Innenbereich hält der Verband 2G - geimpft oder genesen - für sinnvoll.

„Außenbereiche sind immer unkritischer als Innenbereiche“, sagte unlängst der Lübecker Virologe Jan Rupp den „Kieler Nachrichten“. „Wenn man das gut kontrolliert, ist das Stadion kein Problem, weil man draußen ist und Abstand halten kann.“ Die Probleme könnten aber vor und nach einem Spiel kommen. „Manche treffen sich auch davor und stehen am Stadion eng beieinander, nachher gehen sie vielleicht zusammen in die Kneipe“, sagte Rupp.

Anfang September hatte die Deutsche Fußball Liga eine erste Bilanz der Teil-Rückkehr von Zuschauern in die Stadien gezogen. Bei den bis dahin 73 Partien unter Organisation der DFL hatte es demnach sechs positive Corona-Tests gegeben. „Wenn jetzt immer noch kommuniziert wird, dass Fußballspiele potenzielle Superspreader-Events sind und es gefährlich ist hinzugehen, das ist in der Zwischenzeit vorsätzlich falsch“, sagte DFL-Chef Christian Seifert damals.

Zwei Monate später aber haben sich die Corona-Zahlen in Deutschland dramatisch verändert. Zu Wochenbeginn stieg die Inzidenz erstmals auf über 300. Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hatte am Freitag schon betont, es sei „fünf nach zwölf“. Die vierte Welle treffe Deutschland jetzt mit voller Wucht.

Seit Seiferts Aussagen vor einigen Wochen, in denen die Lage vermeintlich entspannt schien, ist auch die Impfdebatte im Fußball kräftig befeuert worden. Einer der Auslöser: Nationalspieler Joshua Kimmich, der Bedenken wegen angeblicher Langzeitfolgen durch die Vakzine äußerte und sich wenig später als Kontaktperson des infizierten Niklas Süle in Quarantäne wiederfand.

Mit Maßnahmen wie 2G soll nun auch der Wille zum Impfen generell gestärkt werden. Für Fans gilt das Prinzip geimpft oder genesen bereits in zunehmendem Maße. Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, brachte am Dienstag im Zusammenhang mit einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen auch den Profi-Fußball ins Spiel. „Ich denke, es wäre ein gutes Signal, dass wir so etwas auch für den Fußballbereich diskutieren - als Signal auch der Einheit von Fans und Spielern“, sagte der CSU-Politiker dem TV-Sender Bild.

Auch in Söders Bundesland haben nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zu Spielen unter anderem von Kimmichs FC Bayern. Ob es in Kürze weitere Einschränkungen geben wird - offen. Wie lange Fans Verständnis dafür haben, nur mit 2G-Regel ins Stadion zu kommen, ihre Idole aber nur einen negativen Coronatest benötigen - auch offen.

„Wenn die Politik die rechtlichen Möglichkeiten für eine Impf-Pflicht in bestimmten Berufsgruppen schafft, wird die DFL selbstverständlich eine solche Option umgehend intensiv diskutieren“, sagte DFL-Boss Seifert bei Bild und versprach, Liga und Clubs würden sich für eine noch höhere Impfquote einsetzen.

Neben der Vorbildwirkung gibt es aber noch einen weiteren Aspekt in der Debatte um geimpfte und ungeimpfte Profis, den Gernot Tripcke als Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL) jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ansprach: „Ungeimpfte sind für uns, abgesehen von der Gesundheit, ein Risiko für den Spielbetrieb.“ Und der soll tunlichst weitergehen, möglichst mit Zuschauern.

Wenn Großveranstaltungen durchgeführt würden, dann nur mit maximaler Sicherheit, die zurzeit zur Verfügung stehe, betonte RKI-Chef Wieler Ende vergangener Woche allerdings. „Am besten wäre es, wenn wir Großveranstaltungen absagen würde, ganz klar“, sagte er insbesondere mit Blick auf Menschenmengen in Innenräumen.

Es ist eine komplexe Gemengelage, bei der auch für den Sport wieder einiges auf dem Spiel steht. „Man kann die Testszenarien wieder hochfahren. Und wenn es wieder einen Lockdown gäbe, wäre das für den Spielbetrieb wahrscheinlich sogar das Einfachste“, sagte DEL-Boss Tripcke: „Nur kommt es dann wirtschaftlich zur Katastrophe.“

In dem entsprechenden Hilfstopf seien von den vorgesehenen 400 Millionen Euro noch 165 Millionen vorhanden. Die müsse man aber nur anzapfen, wenn es wirklich zu einem erneuten Stopp des Spielbetriebs käme, sagte der Boss der Handball-Bundesliga, Frank Bohmann, dem Deutschlandfunk.

Auch im Sport schien für viele eine gewisse Rückkehr zur Normalität stattgefunden zu haben. Wenn auch unter Einschränkungen - sprich 2G - soll zum Beispiel am Samstag das Hauptstadtderby zwischen Union und Hertha BSC in Berlin-Köpenick erstmals seit Pandemie-Ausbruch vor vollen Rängen im Stadion An der Alten Försterei stattfinden.

Nach dem 9:0 der Nationalmannschaft in Wolfsburg gegen Liechtenstein titelte die „FAZ“ mit Blick auf die befreit-gute Stimmung: „Party in der Pandemie“. Wie gut die Stimmung nach der MPK am Donnerstag sein wird, ist hingegen abzuwarten.

(dpa/old)
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