Österreichischer Triathlet Eisenmann mit einem Bein
Düsseldorf/Seeboden · Der Österreicher Christian Troger hat als erster Mensch mit einem Bein den Ironman-Triathlon beendet.
Christian Troger wird am 8. Oktober 1983 ohne linkes Bein und ohne linke Hüftpfanne im österreichischen Sittal geboren. Die Perspektive für sein Leben ist "eher flach". Das sagt er selbst. Ärzte versichern seinen Eltern, dass der Junge niemals gehen werde. Sie täuschen sich. Mit 14 Monaten und mit Hilfe einer Prothese aus einer deutschen Klinik in Heidelberg geht der Junge. Er verlebt nach eigener Einschätzung "eine ganz normale schöne Kindheit". Seine Behinderung macht ihn nicht zum Außenseiter, er ist unter seinen Spielkameraden der mit der Prothese, aber er ist mittendrin.
Viele Jahre später will Troger unbedingt Triathlet werden. Wieder sagen seine Ärzte, das sei unmöglich, sie raten ihm allenfalls zu "moderatem Ausdauersport". Und wieder täuschen sie sich. Inzwischen ist Troger Welt- und Europameister auf einer der härtesten Ausdauer-Disziplinen. Er ist ein echter Eisenmann (Ironman). Als erster Mensch mit einem Bein ist er im Wettkampf 3,8 km geschwommen, 180 km Rad gefahren und abschließend 42,2 km gelaufen. An einem Tag.
Er hat über dieses kleine persönliche Märchen ein vergleichsweise unaufgeregtes Buch geschrieben. Es lässt sich auf einen sehr nüchternen Satz konzentrieren: "Wer etwas erreichen will, der braucht ein klar definiertes Ziel." Diese Botschaft verbreitet der Triathlet in seinem Buch, und er bringt sie in Vorträgen in die Welt.
Das klingt manchmal sehr einfach, wie ein Konstruktionsplan für die Laufbahn, wie die vielen Verhaltensempfehlungen, die Manager gern in ihren Seminaren hören, für die sie Geld bezahlen und in denen sie erfahren wollen, dass alles möglich ist. Allein der Weg, den Troger bis zur Verwirklichung seines Ziels gehen musste, beweist aber selbst schlichten Gemütern, wie schwer das vermeintlich Einfache gelegentlich ist.
Er erzählt davon eher beiläufig. Das Problem, überhaupt auf die Beine zu kommen, wobei das eine ja ein künstliches ist, beschreibt er lapidar: "Ich versuchte aufzustehen, fiel hin, versuchte wieder aufzustehen, fiel wieder hin. Bis ich es irgendwann schaffte, stehen zu bleiben." Diese Erfahrung eines kleinen Jungen, der nach Auskunft seiner Eltern ein ziemlich stures Kerlchen sein konnte, gibt später dem Leistungssportler den nötigen Biss.
Denn ohne Biss, ohne Schmerzen geht es nicht in seiner Disziplin, schon gar nicht für einen, der sich über die ersten Strecken mit einer Prothese quälen muss, die überhaupt nicht für den Sport geeignet ist, die nicht nachgibt und federt wie die Hightech-Hilfsmittel, mit denen Profis arbeiten dürfen. Von der ersten unnachgiebigen Prothese und den Schmerzen erzählt Troger so selbstverständlich wie von seinem Erweckungserlebnis.
Jahrelang hat er den Vergnügungstriathlon aus "Laufen von einem Gasthaus zum andern, Rauchen und ungesunder Ernährung" betrieben, ehe er als Zuschauer eines Triathlons von einer seltsamen Begeisterung für diesen Sport ergriffen wird. Er beschließt, Leistungssportler zu werden, obwohl er noch nie Sport gemacht hat. Bis heute zuckt er bei der Frage nach dem Warum die Schultern. Die Geschichte ist ihm zu folgerichtig verlaufen. Zweifel erlaubt er sich nicht. Er will Triathlet werden, er setzt sich das Ziel, und er geht mit kleinen Schritten darauf zu. Es gibt Rückschläge, es tut weh, natürlich, aber er kommt an. Er sieht das als sein Projekt, und er arbeitet es geradezu geschäftsmäßig ab. Er hat sich am Anfang tatsächlich aufgeschrieben: "Ich, Christian Troger, werde im Juli 2011 den Kärnten Ironman Austria innerhalb von 17 Stunden erfolgreich beenden." Es ist ein Mantra, und er versteht es als Auftrag.
Es läuft längst nicht alles nach Plan, als er endlich zu seinem ersten Ironman aufbricht. Er geht sein Rennen in Klagenfurt zu schnell an, und 20 km vor dem Ziel bricht er zum ersten Mal zusammen. Die letzten "20 km werden die längsten meines Lebens", schreibt er. Aber er hält durch, weil er es sich buchstäblich vorgeschrieben hat. Davon erzählt er mit ansteckender Begeisterung. Er hat es sich bewiesen. Und er beteuert: "Weltmeister- und Europameistertitel sind mir nicht so wichtig wie diese Botschaft: Man kann so viel erreichen. Wenn die Botschaft rüberkommt, glänzt das mehr als Titel."
Selbstverständlich glänzen auch die Titel. Schließlich ist Troger ein hochdekorierter Athlet, ein Mann, den die Medien mögen. Aber auch einer mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein. "Es ist mein Job, Leute zu begeistern", erklärt er. Das gilt für den Athleten und den Dozenten im Seminar.
Beide Jobs macht er mit Hingabe, Zurzeit trainiert er mal wieder für einen Triathlon, 25 Stunden die Woche. Es mache ihm Spaß, versichert er mit der eigentümlichen Begeisterung für kleinere und größere Quälereien, die Hochleistungssportler so auszeichnet. Und er beschließt das Gespräch mit dem bemerkenswerten Bekenntnis: "Ich bin froh, dass ich nur ein Bein habe. Mit zwei Beinen hätte ich vielleicht keine Geschichte." Dann geht er zum Training.
Christian Troger: "Geht nicht - läuft. Mein Triathlon ins Leben", 2015, Verlag Buch. Bücher Theiss, mit einem Vorwort von Franz Klammer