„Unser traurigster Sieg überhaupt" Darum kann Timo Boll den Champions-League-Titel nicht genießen

Düsseldorf · Timo Boll hat durch Borussia Düsseldorfs Titelgewinn seinen Champions-League-Rekord verbessert – und leidet dennoch mit seinem vom Krieg betroffenen Nationalmannschafts-Kollegen Dimitrij Ovtcharov.

Timo Boll – Rekord-Meister, Weltranglisten-Erster, Borussia Düsseldorf
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Das ist Timo Boll

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Foto: dpa/Andreas Arnold

Timo Boll tanzte nach Borussia Düsseldorfs erneutem Triumph in der Tischtennis-Champions-League mit seinen Kollegen erfolgserprobt Ringelreigen. Doch besonders beim Gedanken an den Krieg in der Ukraine vermochte der 40-Jährige keine Feierlaune empfinden.

"Ich bin ja schon lange dabei, aber das ist schon ein sehr spezielles Gefühl und sicher nicht unser schönster Sieg, wohl eher unser traurigster Sieg überhaupt", sagte Boll dem SID nach dem entscheidenden 3:1 gegen den Bundesliga-Rivalen 1. FC Saarbrücken.

Die Nachdenklichkeit des Europameisters und WM-Dritten war nicht nur wegen der kritischen Weltlage verständlich. Plötzlich nämlich hatte der Europa-Verband ETTU das als zweites Halbfinale angesetzte Duell der deutschen Topteams mitten in der laufenden Begegnung zum Endspiel "befördert" - der Ausschluss der zwei russischen Semifinalisten Fakel Orenburg und UMMC Jekaterinburg nach dem Militärangriff ihres Landes auf den Nachbarn machte ein echtes Endspiel unmöglich.

Aufgrund der bizarren Umstände vermisste Boll die ausgefallene Siegerzeremonie oder den Goldkonfetti-Regen bei der Pokalübergabe auch gar nicht. "Im Spiel war eigentlich das Schönste, nicht wie sonst den ganzen Tag Nachrichten hören zu müssen, sondern abzuschalten und in einem Tunnel wieder in eine kleine, heile Welt zu kommen."

In der brutalen Wirklichkeit leidet Boll mit seinem im Kriegsgebiet geborenen Nationalmannschaft-Kollegen Dimitrij Ovtcharov. "Dima geht es nicht gut, weil seine Oma in der Ukraine wohl noch festsitzt. Dass er außerdem nicht weiß, wie es nun in Orenburg weitergeht, ist für ihn momentan überhaupt nicht wichtig", so Boll.

Unabhängig von Ovtcharovs Sorgen jedoch hält Boll den Rauswurf der russischen Klubs für alternativlos: "Es ist einfach nötig, dass der Rest der Welt in allen Bereichen zusammensteht. Darüber kann es keine Diskussionen geben."

Entsprechend nebensächlich war für den Weltranglistenachten sein persönlicher Champions-League-Rekord. Als erfolgreichster Deutscher in der Königsklasse hat Boll nun schon achtmal Europas wichtigsten Vereinswettbewerb gewonnen - zweimal öfter als Ovtcharov: "Es ist ein seltsames Gefühl, aber auch dieser Titel wird wohl für die Statistik zählen."

(kron/SID)
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