Anti-Dopingkampf Bundesregierung gibt Wissenslücken beim Datenschutz zu

Düsseldorf · Im Anti-Dopingkampf müssen Athleten Persönliches preisgeben. Die Regierung zieht sich beim Schutz dieser Daten aber aus der Verantwortung.

 Athleten müssen im Falle einer Dopingprobe etwa drei Monate im Voraus Termine und Aufenthaltsort angeben.

Athleten müssen im Falle einer Dopingprobe etwa drei Monate im Voraus Termine und Aufenthaltsort angeben.

Foto: dpa/epa Keystone Dominic Favre

Der weltweite Anti-Dopingkampf treibt Sportler, Fans und die Politik um. Die Athleten aber trifft er besonders, weil er für sie persönliche Konsequenzen hat: Sie müssen etwa drei Monate im Voraus Termine und Aufenthaltsorte angeben, müssen für unangekündigte Probennahmen täglich erreichbar sein und intimste Details wie Krankheitsdaten oder Ergebnisse von Urinproben per Smartphone oder Internetbrowser in eine Datenbank einpflegen.

Das biologische Profil von bis zu 2500 deutschen Spitzensportlern liegt der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) und auf internationaler Ebene der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vor. Welche Personen aber auf die Nada-Datenbank „Adams“ Zugriff haben, das weiß nicht einmal die deutsche Bundesregierung. Mehr noch: Sie zieht sich vielfach aus der Verantwortung, was den Datenschutz betrifft. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. „Die Einschätzung der Datensicherheit bei Nada und Wada obliegt nicht der Bundesregierung, sondern den zuständigen Aufsichtsbehörden“, heißt es in der Antwort. Zudem habe man „keine Kenntnis“ darüber, wie viele Personen auf die Datenbank der Wada Zugriff haben. Stefan Brink, Datenschutzbeauftragter des Landes Baden-Württemberg, bezeichnet diesen Zustand als unverantwortlich: „Sich auf Unwissenheit zu berufen, ist dem Parlament gegenüber unlauter. Auch gegenüber den betroffenen Sportlern ist die Haltung der Bundesregierung inakzeptabel“, sagt Brink. „Einerseits macht sie die Förderung von Sportlern von einer Unterwerfung der Antidoping-Richtlinien der Agenturen abhängig, andererseits beruft sie sich darauf, nicht zu wissen, was dort mit den Daten der Sportler passiert.“

Die Anfrage bezieht sich nicht nur auf die Datenschutzrichtlinien der Nada, die in Bonn sitzt, sondern auch auf die der Wada, die dem kanadischen Datenschutzgesetz folgen. Schriftlich bekennt die Regierung, „keine Kenntnis“ über die Details des Wada-Berechtigungskonzeptes zu haben. Die Bundesregierung zieht sich mehrfach darauf zurück, für die Tätigkeit der internationalen Verbände nicht verantwortlich zu sein. „Formal mag dies zutreffen“, sagt Brink, „in der Sache steuert die Bundesregierung alleine durch die Mittelvergabe im Sport- und Anti-Doping-Bereich aber wesentlich mit.“ Das Inkrafttreten der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai hat ebenfalls Auswirkungen, die die Regierung beschwichtigt. „Ich halte es nicht für zutreffend, dass die Verarbeitung von Sportlerdaten durch die Wada nicht unter die DSGVO fällt“, sagt Brink, weil es sich um Daten von betroffenen Personen handelt, die sich in der Europäischen Union befinden. Rechtlich handelt die Nada korrekt: Sie verarbeitet Sportlerdaten auf Grundlage der Paragraphen 9 und 10 des Anti-Doping-Gesetzes. Detailfragen etwa nach der Speicherfrist der Athleten-Daten lassen aber aufhorchen. Die Bundesregierung gibt an zu wissen, dass diese Frist „zwischen 18 Monaten und zehn Jahren“ liege. Ob und wann Daten aber gelöscht werden, ob Athleten gar ein Löschrecht besitzen, darüber habe die Regierung ebenfalls keine Kenntnis.

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Die russische Hackergruppe „Fancy Bear/APT28“ hatte sich 2016 Zugang zur Datenbank „Adams“ verschaffen können. Obwohl auch Daten von deutschen Athleten veröffentlicht wurden, sieht die Bundesregierung die Mitwirkung der Athleten am „Adams“-System uneingeschränkt und nach wie vor als verpflichtend an.

Britta Dassler (53), sportpolitische Sprecherin der FDP, sagt: „Ein sauberer Sport ist nur mit einer wirksamen Dopingbekämpfung möglich. Das russische Staatsdoping fordert das gesamte internationale Anti-Doping-System heraus, sich neu aufzustellen, Lücken zu schließen und Manipulationen zu verhindern“, sagt Dassler, die in Jülich geboren wurde und seit 1992 mit Michael Dassler, dem Enkel von „Puma“-Gründer Rudolf, verheiratet ist. „Die internationalen Sportorganisationen und Doping-Agenturen müssen wirksamere Methoden entwickeln, wenn man wieder glaubwürdig werden will“, sagt Dassler weiter. Die Rechte der Athleten dürften dabei keinesfalls vergessen werden. „Aus Leidenschaft für ihren Sport sind viele bereit, starke Einschränkungen in Kauf zu nehmen.“

Was Verbesserungen betrifft, hat die Wada Schritte getan, wie aus einer Pressemitteilung vom 5. Oktober 2016 hervorgeht. Sie hat nicht mehr genutzte Konten deaktiviert, die Rücksetzfunktion bei vergessenen Passwörtern deaktiviert und persönliche Sicherheitsfragen beim Einloggen und Eintragen eingeführt. Eine Sicherheits- und Beratungsfirma überprüft mittlerweile den Datenschutz.

Die Bundesregierung ist da weniger kreativ. Sie nennt keine Verbesserungsvorschläge und habe „keine konkreten Planungen“. Datenschutzbeauftragter Brink kritisiert auch das und spricht von Desinteresse: „Es ist Aufgabe der Regierung, angesichts der Verflechtung in den Sport selbst eine Einschätzung zu Alternativsystemen abzugeben.“

(ball)
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