Turnen Jenseits physikalischer Gesetze

Erkelenz · Hast du schon einmal im Fernsehen bei Olympia Turnen gesehen? Wie die Turnerinnen und Turner hoch durch die Luft fliegen und sauber landen? Wie schnell sie eine vierfache Schraube machen?

Zugegeben Turnen ist keine leichte Sportart. Es geht bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines Menschen. Verlangt wird Spannung des Körpers und perfekte Technik. Verlangt wird, bis zu dem Punkt zu gehen, an dem es von den physikalischen Gesetzen her fast unmöglich scheint, diese Leistungen zu vollbringen — und es dann zu schaffen. Viele Turner beweisen, dass sie den immer wieder neuen, und immer schwieriger werdenden Anforderungen stand halten können.

Eine Hand taucht in die kleine Magnesia-Schale ein, nimmt sich ein bisschen, und zerbröselt den weißen Staub zwischen den Händen. Dann werden beide Hände an die raue Barrenstange angesetzt und die Turnerin beginnt ihre Übung. Rechts daneben liegt ein 25 Meter langes Messband. An dem einen Ende steht ein Sprung-Tisch und dahinter liegt eine dicke blaue Matte. Vor dem Sprung-Tisch auf etwa 1,20 Meter steht ein Sprungbrett. Bei 19,30 Meter steht eine Turnerin. Kurz vor dem Anlauf erkennt man in ihrem Schritt ein kurzes Zögern, in ihren Augen ist ein Schweif von Angst zu erkennen, jedoch verschwindet die Unsicherheit schnell aus ihrem Blick und sie läuft mit Entschlossenheit an. Noch 15 Meter... 10... 5 …1 … Sie macht einen großen Schritt auf das Sprungbrett zu, springt mit beiden Füßen hinein und zieht die Arme von dem unteren Teil ihrer Hüfte in die Schiffchen-Position. Sie drückt sich mit ihren Händen vom Tisch ab und landet sicher mit leicht gebeugten Beinen, zwei Meter vom Tisch entfernt auf der dicken blauen Matte.

Die Turnerinnen des ETVs trainieren jede Woche in der Erka-Halle in Erkelenz. In der Regel trainiert die Leistungsgruppe zwei- bis viermal in der Woche. Neben der Leistungsgruppe gibt es noch die Breitensportgruppe, die einmal in der Woche trainiert. Mittwochs trainieren die älteren Breitensportler und freitags die ganz jungen Sportler im Alter von vier bis sechs Jahren.

Auf der linken Seite im zweiten Hallen-Teil ist eine Bodenfläche mit fünf zwölf mal zwei Meter langen Matten. Jeweils eine Turnerin ist auf jeder Matte und übt ihre Übung. Die Trainerinnen Karola Zeitner und Monika Nüßer gehen rum und korrigieren die Sportlerinnen. Monika Nüßer, die Abteilungsleiterin und Vorsitzende im Vorstand des ETVs ist mindestens viermal in der Woche in der Halle und trainiert die Mädchen dort schon seit einigen Jahren. Zudem besitzt sie den Kampfrichter-Schein C und sitzt bei Wettkämpfen mit in der Jury. Hinter den Boden-Matten stehen zwei Balken. Einer ist 1,25 Meter hoch, der andere 1,15 Meter. Unterhalb der Balken liegen jeweils fünf blaue Matten. Am Ende der Balken jeweils eine dicke blaue Matte für den Abgang. Vor einem Balken steht ein Sprungbrett. Eine Turnerin springt mit drei Schritten Anlauf auf das Brett und hockt mit ihren Füßen auf dem Balken auf. Sie beginnt ihre Übung zu turnen.

Es gibt zwei Arten von Übungen: eine Kür und eine Pflichtübung. Bei einer Kür muss man sich die Übung mit vorgegebenen Pflichtelementen selbst ausdenken. Dazu gehören auch Posen um der Übung den letzten Schliff zu geben und sie so auszuschmücken. Dabei gibt es Teile, die mehr Wert sind, und Teile, die ebenso weniger Wert sind. Aus den Werten der Teile errechnet sich ein sogenannter Ausgangswert. Für die Pflichtübungen gibt es ein Aufgabenbuch, das die Übungen vorschreibt, die bei einem Wettkampf in der jeweiligen Leistungsklasse geturnt werden müssen. An jedem Gerät gibt es neun verschiedene Übungen. Je höher die Übung, umso höher der Ausgangswert.

Die Leistungs-Gruppe des ETV nimmt im Laufe des Jahres an mehreren Wettkämpfen in der Umgebung Mönchengladbach teil. Das sind die sogenannten Gaumeisterschaften. Dabei gibt es Einzel- und Mannschaftswettkämpfe. Bei einem Einzelwettkampf muss man an allen Geräten turnen, die Punktzahlen an jedem Gerät werden addiert und in den Altersklassen wird so der Sieger ausfindig gemacht. Bei einem Mannschaftwettkampf muss man nicht alles turnen. Mindestens drei bis maximal sechs Turnerinnen dürfen in einer Mannschaft sein. Die besten drei Wertungen an einem Gerät werden jeweils addiert. Dann werden die bereits summierten Wertungen von allen Geräten addiert und so wird die Siegermannschaft ausfindig gemacht. Jedes Jahr, meist im Dezember veranstaltet der ETV mit dem Schwanenberger-Turnverein eine Stadtmeisterschaft, an der Mädchen und Jungen teilnehmen können. Alle Turngruppen des ETV nehmen an der Stadtmeisterschaft teil.

Zudem hat der ETV Freitags auch noch eine Show-Gruppe, bei der alle Turnerinnen mitmachen können. Diese wird von Michaella Nüßer geleitet. Die Leiterin der Gruppe denkt sich jedes Jahr einen neuen Tanz in ungefähr fünfminütiger Länge aus und nimmt mit ihrer Gruppe an einem Wettbewerb, der sich "Tu-Ju Stars" nennt, teil. Der Tanz beinhaltet akrobatische Einlagen, Tanzschritte, Hebefiguren und Pyramiden. Schon einige Male hat es die Gruppe mit Erfolg bis ins nationale Finale geschafft.

Nach drei Stunden Training gibt Monika ihren Turnerinnen die Anweisung zum Abbauen. Nach einer Viertelstunde ist keine Spur mehr von den Geräten zu sehen. Allmählich verlassen die Turner nacheinander die Halle und gehen nach Hause. Nur Monika ist noch in der Halle, kontrolliert die Schränke und schließt beim Verlassen der Halle die Tür hinter sich ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort