Ben Becker in der Johanneskirche in Düsseldorf Schlechte Sicht auf einen hervorragenden Schauspieler

Schauspieler Ben Becker gilt als Spezialist für zerrissene, nicht selten auch zerstörerische Charaktere. Einen anderen Blick auf die biblische Geschichte präsentierte der 54-Jährige mit seinem Programm „Ich Judas – Einer unter euch wird mich verraten“ in der bis auf wenige Plätze ausverkauften Johanneskirche.

Foto: Britta Pedersen/dpa

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Im weißen Anzug hebt er sich kaum von den weißen Kirchenwänden ab und steht so scheinbar plötzlich am Pult, wo er mit leidender, rauchig gehauchter Stimme die Prophezeiung Jesu zitiert: „Einer unter uns wird mich verraten“.

Bald ruft er Schriftsteller Amos Oz als „Zeugen“ für das Leiden Christi am Kreuz auf, bald lässt er Walter Jens das Bild von Judas als Verräter korrigieren. Becker, in dessen eruptiver Emotionalität stets ein Hauch von Klaus Kinski mitschwingt, versteht es perfekt, alle Nuancen zwischen Verzagtheit und Wut auszudrücken. Wenn er als flammend argumentierender Anwalt die Kirche zum Gerichtssaal und das Publikum in Geschworene verwandelt, herrscht Ergriffenheit. Man spürt förmlich, wie in den Köpfen der Anwesenden das Verräter-Bild von Judas, das maßgeblich nach dem Johannes-Evangelium entstand, bröckelt und stattdessen Verständnis für seine Rolle als Erfüllungsgehilfe beim ohnehin Unabwendbaren, dem Tod Jesu als Erlösung für alle Menschen, aufkommt. Aber Becker ist nicht nur ein überragender Schauspieler, sondern er verfügt zudem über dramaturgisches Fingerspitzengefühl, als er nach der Rehabilitation Judas an sich selbst zweifeln lässt. Was wäre, wenn er nein gesagt hätte, und Jesus als Zimmerer in Ruhe hätte alt werden können?

In ergreifender Selbstanklage schildert Becker, dass die Juden dann wohl kaum als „Mörder Jesu Christi“ hätten gebrandmarkt werden können, dass es den Nazi-Rassenwahn mit seinen sechs Millionen Opfern wohl kaum gegeben hätte und die antisemitischen Übergriffe unserer Tage wohl auch nicht. Nach einem bedrückenden Orgelton brandet frenetischer Applaus eines begeisterten Publikums auf.

Doch nicht alle sind begeistert, insbesondere das Publikum auf den Emporen hatte sich über einen mangelnden Blick auf den Akteur und schlechte Akustik beklagt und teils schon früher die Vorstellung verlassen. „Ich hätte den hervorragenden Schauspieler Becker natürlich gern gesehen, doch das war von der Empore aus nicht möglich, da hätte ich mir besser zuhause eine Hör-CD anhören können“, sagte Birgit Mauritz.

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