Nikosia/Genf Zypern hofft auf Einheit

Nikosia/Genf · Seit 42 Jahren ist die Insel geteilt. Alle Einigungsbemühungen blieben bislang erfolglos. Nun gibt es einen neuen Anlauf. Und den Schlüssel zur Lösung des Streits hat der türkische Präsident Erdogan.

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Nach Jahrzehnten der Teilung gehen die Bemühungen um eine Wiedervereinigung Zyperns in eine entscheidende Phase. Der griechisch-zyprische Inselpräsident Nikos Anastasiades und der türkische Volksgruppenführer Mustafa Akinci verhandeln seit gestern in Genf unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen (UN) über eine Friedenslösung.

Die strategisch wichtige Insel, die etwa 100 Kilometer vor der syrischen Küste liegt, ist seit 1974 geteilt. Damals marschierten nach einem Staatsstreich in Zypern türkische Truppen in den Norden ein. Die Grenze wird derzeit von einer UN-Friedenstruppe überwacht. Knackpunkte in den Verhandlungen der nächsten Tage dürften der Grenzverlauf, die Teilung der Regierungsgewalt und Sicherheitsfragen werden. Auch der Status der türkischen Einheiten im Norden ist ein wichtiger Punkt.

Ein spektakulärer Durchbruch sei aber ebenso unwahrscheinlich wie ein völliger Zusammenbruch der Verhandlungen, sagen EU-Diplomaten. Die bisher eher skeptische Regierung in Ankara verbreitete am Wochenende Zuversicht: "Ich bin optimistischer als jemals zuvor", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. "Es ist nicht einfach, aber wir sind entschlossen, eine Lösung zu finden", so der türkische Chefdiplomat. Der UN-Sondergesandte für die Zypern-Frage, Espen Barth Eide, verkündete nach Abschluss des gestrigen ersten Treffens der politischen Führungen: "Es war ein guter Anfang heute."

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Angestrebt wird eine Föderation aus zwei Teilstaaten, in denen die beiden Volksgruppen - rund 75 Prozent ethnische Griechen und 25 Prozent türkischstämmige Zyprer - weitgehende Selbstverwaltung besitzen. Gegen eine schnelle Einigung spricht allerdings, dass wichtige Streitfragen ungeklärt sind. Dazu gehört der Grenzverlauf zwischen den beiden künftigen Bundesländern eines vereinigten Zypern. Darüber wollen sich Anastasiades und Akinci in den nächsten Tagen einigen, bevor am Donnerstag hochrangige Vertreter der bisherigen Garantiemächte Türkei, Griechenland und Großbritannien in Genf zusammenkommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will als Beobachter teilnehmen. Der neue UN-Generalsekretär Antonio Guterres soll ebenfalls dazustoßen. Am Donnerstag kommt zudem das schwierige Thema "Sicherheit und Garantien" auf die Tagesordnung. Die Türkei besteht auf ihrer Rolle als Schutzmacht Zyperns und pocht auf eine starke militärische Präsenz. Die Griechen der Insel fordern dagegen einen Abzug der 30.000 Mann starken türkischen Besatzungstruppen. Ein EU-Staat wie Zypern brauche keine Schutzmächte, argumentieren sie.

Die Blicke richten sich jetzt auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, denn der Schlüssel zu einer Lösung des Zypern-Streits liegt in Ankara. Erdogans autoritär-nationalistischer Kurs lässt zwar keine leichten Verhandlungen erwarten. Andererseits meinen diplomatische Beobachter, Erdogan sei innenpolitisch so unangefochten, dass er sich Zugeständnisse in der Zypern-Frage leisten könne. Zumal sein Land bei einer Wiedervereinigung Zugriff auf die reichen Gasvorkommen bekäme, die vor Zyperns Küsten liegen. Die Türkei könnte damit nicht nur ihre eigene Gasversorgung breiter aufstellen, sondern auch ihre Position als Energiekorridor für Europa stärken.

Ob Erdogan selbst am Donnerstag nach Genf kommt, dürfte davon abhängen, welche Fortschritte Anastasiades und Akinci in den nächsten Tagen machen. Angesichts vieler noch ungeklärter Themen ist es aber unwahrscheinlich, dass die Gipfelkonferenz am Donnerstag bereits den krönenden Abschluss der Einigungsbemühungen bringen wird.

(RP)