FDP stellt Antrag in Frage Zweiter V-Mann im NPD-Verbotsverfahren

Berlin (rpo). In der "V-Mann-Affäre" droht Innenminister Otto Schily neuer Ärger. Schon wieder taucht der Name eines V-Manns auf, der ebenfalls in einer Doppelrolle aktiv gewesen sein soll.

Im Beweismaterial für ein Verbot der rechtsextremen NPD wird nach dpa- Informationen ein zweiter NPD-Funktionär aufgeführt, der gleichzeitig für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Das verlautete am Freitag in Berlin nach einer Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Geheimdienste (PKK). Der Mann sei aber nicht als Zeuge geladen. Das Innenministerium wollte mit Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht dazu nicht Stellung nehmen.

Der zweite V-Mann ist nach Medienberichten der NPD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Udo Holtmann. Äußerungen des vom Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Mann geführten Holtmann seien im NPD- Verbotsantrag der Bundesregierung zitiert worden, berichteten die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag) und das Nachrichtenmagazin "Focus" übereinstimmend. Das habe Innenstaatssekretär Claus Henning Schapper am Freitag der PKK mitgeteilt. Schapper wird im "Focus" mit den Worten zitiert: "Langsam kommen wir in Nöte." Schily hatte sich im Bundestag für die Pannen entschuldigt. Die Opposition gab sich damit nicht zufrieden und bekräftigte ihre Kritik.

Union und FDP erwägen weiterhin, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Intern hieß es aber, ein solches Gremium sei wenig sinnvoll, weil es zu viel Zeit zur Einarbeitung benötige und die Legislaturperiode de facto schon Anfang Juli ende. Entgegen Schilys bisherigen Angaben geht die Opposition davon aus, dass weitere V-Männer als Quellen im Verfahren herangezogen worden sind. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, ihm seien zwei Namen konkret genannt worden; insgesamt seien bis zu vier im Gespräch.

Der FDP- Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt forderte seine Amtskollegen auf, gemeinsam über einen Ausstieg des Parlaments aus dem NPD- Verbotsverfahren zu beraten. Der Versuch der FDP, einen Sonderermittler einzusetzen, scheiterte in der PKK am Widerstand der SPD. Die FDP hat sich schon früher gegen das Verbotsverfahren ausgesprochen.

Bisher war nur der Fall des früheren NPD-Funktionärs Wolfgang Frenz bekannt geworden, der bis 1995 zugleich für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte und jetzt als Zeuge in Karlsruhe aussagen sollte. Das Verfassungsgericht hatte am Dienstag überraschend das von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beantragte Verfahren gegen die NPD gestoppt und alle Verhandlungstermine aufgehoben.

Das Gericht sei zu spät und unvollständig über die Doppelrolle von Frenz informiert worden. Schily hatte am Donnerstag versichert, außer Frenz seien seines Wissens keine Zeugen vor Gericht geladen, die in Verbindung mit dem Verfassungsschutz gestanden hätten. Schilys Sprecher Rainer Lingenthal betonte am Freitag, dies sei zu dem Zeitpunkt der Wissensstand des Ministers gewesen. Die Überprüfung sei aber noch nicht abgeschlossen.

Nach Angaben der "Frankfurter Rundschau" (Samstag) hat der CDU- Innenexperte Wolfgang Bosbach Kenntnis von vier NPD-Funktionären aus Nordrhein-Westfalen, die für den Verfassungsschutz gearbeitet haben sollen und im Verbotsverfahren eine Rolle spielen. Neben Frenz habe er den NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna und die ehemals führenden Funktionäre der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten, Thorsten Crämer und Nico Wedding, genannt.

Ein Überfall Crämers und Weddings auf eine KZ-Gedenkstätte werde in den Verbotsanträgen als Beleg für die Gewalttätigkeit der NPD aufgeführt. Nach heftiger Kritik hatte sich Schily zuvor im Bundestag für die Pannen im Verbotsverfahren ausdrücklich beim Verfassungsgericht entschuldigt. Die Verstimmung bei den Richtern sei verständlich.

Mit Rückendeckung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lehnte Schily aber weitere Konsequenzen ab. Schily räumte ein, durch die Pannen sei mit möglicherweise "erheblichen Verzögerungen" bis zu einem Urteil zu rechnen. Von einem Scheitern gehe er jedoch nicht aus.

(RPO Archiv)
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