Ein Zweierbündnis wird unwahrscheinlich Zeichen stehen auf große Koalition

Berlin · Ein Zweierbündnis nach der Bundestagswahl wird durch den Erfolg der Piratenpartei unwahrscheinlicher. Für Kanzlerin Merkel ist das eine kommode Situation. Wenn die Union stärkste Partei wird, spricht viel für eine große Koalition. Die Grünen nehmen derweil die Piraten ins Visier.

Er war der Cheforganisator der großen Koalition zwischen 2005 und 2009. Und er ist heute einer der engsten Ratgeber von Kanzlerin Angela Merkel. Thomas de Maizière (CDU), damals Kanzleramtschef, heute Verteidigungsminister, gilt als Anhänger einer großen Koalition. In einem Interview im Jahr 2006 erklärte er auch, warum: "Die Regierungsmitglieder der großen Koalition sind bürgerlicher — und zwar bei beiden Parteien."

Union und SPD — aktuellen Umfragen zufolge ist dieses Bündnis auch die bei den Wählern bevorzugte Regierungskonstellation. Nach einer Erhebung des Forsa-Instituts für das Magazin "Stern" und den Sender RTL haben weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb eine eigene Mehrheit. Die Union kommt auf 36 Prozent, die seit Monaten schwächelnde FDP liegt wieder bei fünf Prozent. Die SPD liegt mit 24 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei, die Grünen nur noch bei elf Prozent, die Linken bei acht Prozent. Mit 13 Prozent schieben sich die Piraten erstmals bei einer bundesweiten Umfrage vor die Grünen.

Für die Ambitionen der SPD auf das Kanzleramt ist der Erfolg der Piratenpartei die größte Gefahr. Sollte die junge, internetaffine Partei, die laut Meinungsforschungsinstituten vor allem in den Wählermilieus von SPD, Grünen und FDP fischt, in den Bundestag einziehen, und sollten zudem Linkspartei und Liberale den Sprung in das Parlament schaffen, ist eine rot-grüne Mehrheit nahezu ausgeschlossen.

Für die SPD wäre das ein Schreckensszenario. Denn dann bliebe eigentlich nur der Status als Juniorpartner der Union. Dies gilt bei den Genossen aber als ursächlich für die herbe Wahlschlappe 2009. Kanzlerin Merkel habe die SPD "inhaltlich ausgesaugt", ist eine weit verbreitete These. "Jede Spekulation über eine große Koalition ist absurd", erklärt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles daher kraftvoll. Doch weil die SPD-Führung eine Koalition mit der Linkspartei weitgehend ausgeschlossen hat und ein Bündnis mit den Piraten (bisher) ablehnt, könnte sich die SPD am Ende Schwarz-Rot kaum entziehen. Nicht zuletzt, weil die Spitzenriege der SPD gute persönliche Erfahrungen mit der CDU-Kanzlerin gemacht hat. Sowohl Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel (heute Parteichef), als auch Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (heute Fraktionschef) haben bis 2009 gut und gerne mit Angela Merkel zusammengearbeitet und dies immer wieder öffentlich betont. Dass ausgerechnet diese drei Sozialdemokraten im Herbst 2013 ein Bündnis mit der Union ablehnen könnten, zumal dann, wenn sich das Land aufgrund der europäischen Schuldenkrise in einer schwierigen Situation befinden könnte, ist kaum vorstellbar.

So werkeln im Hintergrund SPD-Politiker verzweifelt an der Notlösung Ampel. Eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP könnte den Genossen das Kanzleramt sichern. Mit dem FDP-Spitzenkandidaten in NRW, Christian Lindner, und FDP-Chef Philipp Rösler haben Spitzensozialdemokraten zuletzt mehrfach über eine solche Koalition gesprochen. Lindner, Rösler, aber auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gesundheitsminister Daniel Bahr sollen einem Dreierbündnis positiv gegenüberstehen, heißt es. Sie wollen aber zunächst in einem Bundesland einen Feldversuch starten. Sollte es in NRW oder Schleswig-Holstein nach den Landtagswahlen zu einer Ampel-Koalition kommen, gebe es im Bund "eine neue Dynamik", sagt ein Spitzenliberaler. Doch gilt eine Zusammenarbeit vor allem zwischen FDP und Grünen in zentralen Themen wie Energiewende, Steuerpolitik und Industriepolitik als sehr schwierig.

Auch für Schwarz-Grün, ein bevorzugtes Modell bei einigen moderaten Konservativen (etwa Generalsekretär Hermann Gröhe und Umweltminister Norbert Röttgen), dürfte es nach heutiger Sicht kaum reichen. Viel wird also davon abhängen, wie sich die Piratenpartei entwickelt. Die internen Querelen bei den Polit-Neulingen scheinen der Partei nicht zu schaden. Die Grünen reagieren bereits gereizt auf das Umfragehoch der jungen Konkurrenz. "Den Forsa-Zahlen habe ich auch misstraut, als wir dort bei 28 Prozent lagen, so auch jetzt", sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck mit Blick auf die neuen Zahlen des Instituts. Eine Parallele zu den Anfängen der Grünen sieht Beck bei den Piraten nicht. "Die Grünen waren immer politisch breit aufgestellt, und es war klar erkennbar, wo wir stehen", so Beck. "Die Piraten werden nur als parlamentarische Partei bestehen, wenn sie politischen Gestaltungswillen zeigen. Und den zeigen sie gerade noch nicht."

(RP/jh-)
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