Ruusland und die Staatsfinanzen Zahlungsunfähig, aber nicht pleite

Düsseldorf · Russland kann seine Schulden nicht begleichen – jedoch nur wegen der Sanktionen. Das erscheint zunächst nur technisch, könnte aber mittelfristig gravierende Auswirkungen auf das Land haben.

 Russische Rubel-Banknoten

Russische Rubel-Banknoten

Foto: dpa/Sven Hoppe

Rund 100 Millionen Dollar Zinsen hätte Russland spätestens am Montag jenen Investoren zahlen müssen, die zwei Dollar-Anleihen des Landes gezeichnet hatten, von denen die eine in vier und die anderen in 14 Jahren zur Rückzahlung ansteht. Doch die Investoren sind bisher allem Anschein nach leer ausgegangen, weil Moskau nicht gezahlt hat. Und wer seine Schulden nicht begleichen kann – beziehungsweise die versprochenen Zinsen nicht überweist –, gilt als zahlungsunfähig.

Entsprechend hat die Ratingagentur Moody’s genau dies festgestellt. Allerdings kann sie wegen der geltenden Sanktionen die aktuelle Verfassung Russlands gar nicht bewerten. Es bleibt die Frage: Droht Russland der Staatsbankrott? Keineswegs. Wladimir Putin hätte genug Geld, um die Schulden zu begleichen, aber an einen Teil davon kommt er gegenwärtig nicht ran.

Die russische Zentralbank verfügt nach eigenen Angaben über Devisenreserven von knapp 600 Milliarden Dollar, dazu kommen Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Und: Russlands Verschuldung liegt mit einer Quote von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich unter der westlicher Industrienationen. Deutschlands Verschuldung beispielsweise ist 2021 auch wegen der Lasten aus der Corona-Krise auf knapp 70 Prozent gestiegen, andere europäische Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal und Italien kommen auf deutlich dreistellige Werte. Auch da kann der Mann im Kreml also entspannt sein.

Aber Russland hat trotzdem ein Zahlungsproblem. Das liegt unter anderem daran, dass fast die Hälfte der Devisenreserven durch die Sanktionen der westlichen Welt blockiert ist. Die Banken des Landes sind weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Die US-amerikanischen Banken beispielsweise dürfen keine Zahlungen Moskaus an ihre Kunden weiterleiten.

Aktuell nicht zahlungsfähig, aber das zunächst nur technisch, lautet daher das Ergebnis der Analyse. „„Dies ist eine besondere Art der Zahlungsunfähigkeit. Sie dokumentiert, dass Russland nicht mehr Bestandteil der westlichen Wirtschaftswelt ist. Insgesamt hat Russland mehr Vermögen als Schulden im Westen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Das zeige, dass man in Russland bei allen ideologischen Vorbehalten doch viele Vorteile der westlichen Demokratien in Anspruch genommen habe. Katers Urteil: „Materiell sind die Ausfälle zu verkraften, insbesondere, weil sie sich ja schon lange abgezeichnet haben.“ Russland selbst sieht sich auch nicht als zahlungsunfähig an und pocht darauf, längst gezahlt zu haben.

Mittel- bis langfristig könnte die aktuelle Lage trotzdem zum Problem werden. Nämlich dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit offiziell festgestellt wird und alle Gläubiger die Rückzahlung aller Schulden verlangen könnten. Derzeit können sie noch entspannt sein. Denn ihre Forderungen verfallen erst drei Jahre nach dem vorgegebenen Zahlungszeitpunkt.

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