Düsseldorf Wulff und der Hauch von Verdacht

Düsseldorf · Der ominöse Privatkredit vom Oktober 2008 an den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen hält den von einer Staatsvisite heimgekehrten Bundespräsidenten in unschönem Gerede. Aus der CDU kam gestern gut gemeinte, manchmal komisch klingende Unterstützung.

Christian Wulff ist ein norddeutsches Kaltblut. Sein Ruhepuls liegt um die 50 Schläge pro Minute. Wulffs liebes Lächeln ist das Eine. Das Andere ist ein still lodernder Ehrgeiz, der ihn von übrigens sorgenreicher Jugend an über Schüler-Union, Junge Union, CDU-Landes- und Fraktionsvorsitz in Hannover, die Ministerpräsidentschaft dortselbst hinauf ins politische Oberstübchen der Republik getragen hat. Wulffs weiche Gesichtszüge verbergen das harte Holz, aus dem er ist.

Nun steigt aus Schloss Bellevue in Berlin der Hauch eines Verdachts auf, dass Wulff, als er noch Ministerpräsident war und im Landtag SPD und Grünen Rede und Antwort stehen sollte, aus welchem Grund auch immer nicht die ganze Wahrheit über seine geschäftlichen Beziehungen zu dem befreundeten, sehr reichen Ehepaar Egon und Edith Geerkens gesagt hat.

Es stinkt nicht, dafür fehlt der Angelegenheit das Schwerwiegende, Penetrante, Affärenhafte; indes, es müffelt. Diejenigen, die dem von einer Staatsvisite heimgekehrten Staatsoberhaupt gestern beispringen wollten, formulierten gut gemeinte, sich komisch anhörende Sätze über den Bundespräsidenten und über die ominöse 500 000-Euro-Gabe an Wulff, die von Edith Geerkens stammte und unter der Bezeichnung "Privatkredit" geführt wurde.

Die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die den Bundespräsidenten Wulff im Frühjahr 2010 "erfunden" und – unvergessen – erst im dritten Wahlgang durchzusetzen vermocht hatte, ließ durch ihren Sprecher dies erklären: Sie habe volles Vertrauen in die Person und die Amtsführung von Christian Wulff. Das sagt man so, wenn man etwas sagen muss, aber nicht viel sagen will. Wir erinnern uns: Als Freiherr zu Guttenberg im Februar ins Gerede kam, äußerte sich Merkel ähnlich. Die Juristen Guttenberg und Wulff werden wissen: "Mutti" (Merkels Spitzname) stützt, aber sie stützt unter auflösender Bedingung.

Der Merkel-Vertraute und Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier, sprach einen seltsamen Satz: "Ich glaube, dass Christian Wulff ein guter Bundespräsident ist." Glauben ist nicht wissen. Und der gewiefte Altmaier wird wissen, dass es kräftigere Formen der Ersten Hilfe gibt.

Vergleichsweise unverfälscht ließ sich der niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Landeschef David McAllister zur Causa Privatkredit für Wulff ein. Ihn betrübe, sagte McAllister, dass das Staatsoberhaupt Gegenstand einer parteipolitischen Auseinandersetzung werde; das sei eigentlich bislang in Deutschland unüblich gewesen. Da irrt McAllister – die Bundespräsidenten gerieten schon immer in parteipolitische Schusslinien, allerdings subtil, damit jedoch nicht weniger hinterlistig.

Mc Allister, auch er ein Jurist, verwies gestern darauf, dass sein Amtsvorgänger und Unterstützer in Hannover formal korrekt gehandelt habe, als er und seine zweite Ehefrau Bettina 2008 das Geld von Edith Geerkens annahmen.

Der "Stern" berichtete in seinem Online-Dienst davon, dass der im Grundbuch nicht gesicherte Privatkredit von 500 000 Euro für das neue Heim zum Preis von 415 000 Euro 14 Tage nach einer China- und Indienreise Wulffs geflossen sei. An dieser Reise habe auch der mittlerweile in der Schweiz seinen erarbeiteten Wohlstand genießende Unternehmer Geerkens teilgenommen. Vom 2. bis 11. Oktober 2008 sei Geerkens mit von der Fernost-Partie gewesen. Am 25. Oktober 2008 sei der kurze private Kreditvertrag unterschrieben worden.

Auf dem Höhepunkt der damaligen Weltfinanzkrise nach dem Lehman-Brothers-Bankrott waren Bankkredite nicht leicht zu bekommen und wenn, dann zu einem Zinssatz, der laut "Stern" bei rund 5,3 Prozent (fünfjährige Laufzeit, 100 Prozent Beleihung) lag. Die gute Tat einer reichen Freundin hat dem frisch vermählten Ehepaar Christian und Bettina Wulff also finanziell genutzt. Der politische Schaden trat erst später ein.

(RP)
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