Wulff schweigt in Ansprache zur Kreditaffäre

berlin Bundespräsident Christian Wulff will in seiner Weihnachtsansprache nicht auf die Vorwürfe rund um den Privatkredit aus seiner Zeit als Ministerpräsident eingehen. Das erfuhr unsere Zeitung aus dem Bundespräsidialamt. In der Rede, die gestern von der ARD im Schloss Bellevue in Berlin aufgezeichnet wurde, soll es um die Herausforderungen des Landes in den nächsten Jahren, die Gefahr durch den Rechtsextremismus und den Zusammenhalt in der Gesellschaft gehen. 70 besonders verdiente Bürger durften dabei sein. Bis zuletzt hatte Wulff persönlich an dem Manuskript gearbeitet.

Die Rede des Staatsoberhaupts wird traditionell am Ersten Weihnachtstag in ARD und ZDF (20.10 Uhr und 19.08 Uhr) ausgestrahlt. Vorerst werde sich Wulff nicht persönlich zu den Vorwürfen äußern, hieß es. Dies könne sich ändern, wenn neue schwerwiegende Vorwürfe auftauchten. Wulffs Anwalt Gernot Lehr räumte gestern ein, dass der Osnabrücker Geschäftsmann Egon Geerkens doch an der Vergabe des umstrittenen 500 000-Euro-Darlehens für den Hauskauf des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten beteiligt war. Das Darlehen selbst sei aber von Geerkens' Ehefrau Edith gewährt worden. Wulff hatte im Landtag in Niedersachsen im Frühjahr 2010 geschäftliche Beziehungen zu Geerkens verneint.

Gleichzeitig bekam Wulff Unterstützung aus der schwarz-gelben Koalition: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, er habe volles Vertrauen zum Staatsoberhaupt, das "sein Amt hervorragend" ausübe. Die SPD warf dem Präsidenten vor, nur scheibchenweise die Wahrheit zuzugeben, und verglich Wulffs Umgang mit der Affäre mit der Kommunikationsstrategie des im Frühjahr zurückgetretenen Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen bislang vier Strafanzeigen gegen Wulff vor, unter anderem wegen angeblicher Vorteilsnahme im Amt. Die SPD im Landtag will ein juristisches Gutachten einholen, das einen möglichen Verstoß gegen das Ministergesetz untersuchen soll. In dem Gesetz steht, dass Mitglieder der Landesregierung keine finanziellen Vorteile aus ihrem Amt ziehen dürfen, etwa zinsgünstige Kredite.

In der Bevölkerung hat Wulff an Autorität eingebüßt. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" sagten 31 Prozent der Bürger, er habe für sie an Ansehen verloren. Trotzdem hat die große Mehrheit (62 Prozent) an Wulffs bisheriger Amtszeit nichts auszusetzen: 52 Prozent sind damit zufrieden. Einen Rücktritt Wulffs lehnt die Mehrheit (79 Prozent) weiter ab. Wulff reist morgen zur Trauerfeier für den verstorbenen tschechischen Präsidenten Václav Havel nach Prag.

(RP)
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