Hannover Wulff-Prozess wird deutlich abgekürzt

Hannover · Der Richter drückt aufs Tempo; ein Urteil soll noch im Januar verkündet werden. Dass der frühere Bundespräsident zum Oktoberfest Vorteile bewusst und zu Unrecht angenommen hat, deckte das Verfahren gegen ihn auch gestern nicht auf.

Hannover: Wulff-Prozess wird deutlich abgekürzt
Foto: Julian Stratenschulte

Richter Frank Rosenow scheint ein fröhlicher Mensch zu sein: Seit Beginn des Korruptionsprozesses gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff lächelt er viel und lacht sogar manchmal laut. Während Wulffs Verteidiger und auch ihr Mandant gestern, am neunten Verhandlungstag, im Landgericht Hannover einige Male zurücklächelten, verzog Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer meist keine Miene. Der Chefermittler kann nicht erfreut sein, dass aus Sicht vieler Prozessbeobachter inzwischen alles auf einen Freispruch hindeutet.

In seinem Zwischenfazit kurz vor Weihnachten hatte Rosenow klar gemacht, dass er für den Vorwurf der Vorteilsannahme bei Wulff laut Aktenlage und bisheriger Zeugenaussagen keine Belege sehe. Rund zwei Stunden lang befragte der Kammervorsitzende gestern kritisch den Ermittlungsleiter der Polizei: Hat sich Wulff tatsächlich bei der Siemens-Spitze für das Filmprojekt "John Rabe" eingesetzt, weil ihn Filmunternehmer David Groenewold zuvor zum Oktoberfest eingeladen hatte? Profitierte Groenewold überhaupt persönlich von einem Erfolg des Projekts?

Zu dem Verhältnis des damaligen Ministerpräsidenten Wulff zu Groenewold sagte der Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) nur vage: "Es geht hier um Über-die-Jahre-bei-Laune-Halten." Dass Wulff und seine spätere Ehefrau Bettina 2007 auf Sylt von Groenewold bezahlte "Ganzkörpermassagen" in Anspruch nahmen, sei nicht belegbar gewesen. Der LKA-Beamte verwies an vielen Punkten auf die Akten und auf seinen Kollegen, der am 9. Januar als wahrscheinlich letzter Zeuge gehört werden soll. "Die Vernehmung heute hat nichts richtig Überraschendes ergeben", bilanzierte Rosenow. Die Kammer wolle beim nächsten Mal die Beweisaufnahme schließen und mit den Plädoyers beginnen. "Für Plädoyers stünden wir zur Verfügung", sagte Wulffs Verteidiger Bernd Müssig lächelnd.

Rosenow hat vor, kurzen Prozess zu machen — noch vor dem 22. Januar soll das Urteil fallen. Wie sich die Staatsanwaltschaft zu diesen Plänen verhalten wird, ist offen. Sie könnte versuchen, mit Beweisanträgen durchzusetzen, dass weitere ursprünglich vorgesehene Zeugen gehört werden. Dann müsste sie aber Gründe dafür vorbringen, dass deren Aussagen dem Prozess eine neue Wendung geben.

Die mehr als 20 Zeugen haben im Hauptverfahren bisher grundsätzlich die Version der Verteidigung gestützt. So bestätigten mehrere Mitarbeiter des Luxushotels "Bayerischer Hof", dass Wulff beim Auschecken nichts davon mitbekommen haben musste, dass Groenewold Teile seiner Rechnung übernommen hatte. Das auf dem Oktoberfest spendierte Essen, unter anderem ein Champagner für Bettina Wulff, stufte das Gericht als "sozialadäquat" ein — als unter Freunden üblich.

Von den Vorwürfen, die seit Ende 2011 gegen den Ex-Bundespräsidenten erhoben wurden, ist nicht viel geblieben. Damit wäre Wulffs Strategie aufgegangen. Zu Prozessbeginn am 14. November hatte er gesagt: "Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe."

(dpa)
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