Berlin vor dem Machtwechsel Wowereit erneut zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt

Berlin (rpo). Klaus Wowereit ist erneut zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden.

Zwölf Jahre nach dem Mauerfall hat das Berliner Abgeordnetenhaus den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zum Chef der ersten rot-roten Landesregierung der Hauptstadt gewählt. Nach der historischen Wahl des SPD/PDS-Senats in der einst geteilten Stadt sollten die acht Senatoren noch am Abend ihren Amtseid ablegen. PDS-Spitzenpolitiker Gregor Gysi trat mit seiner Wahl zum Wirtschaftssenator und Bürgermeister sein erstes Regierungsamt an und wurde zugleich erster Wirtschaftsminister seiner Partei. Wowereit musste bei seiner Wahl zwei Gegenstimmen aus dem eigenen Lager verbuchen.

Der teils scharf geführte Streit vor der Wahl war bestimmt von der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der SED-Nachfolgepartei PDS. CDU und FDP warfen der SPD wegen der rot-roten Koalition vor, die Geschichte vergessen zu haben. Nach der Wahl Gysis warfen Opfer des SED-Regimes Flugblätter mit Vorwürfen gegen die PDS von der Tribüne. Wowereit verteidigte das Bündnis: "Wir wissen, dass diese Koalition die Stadt emotionalisiert", sagte er dem Fernsehsender SFB. "Aber wir sind im Jahr 2002 und im Jahr Zwölf nach der Wiedervereinigung angekommen. Das heißt, dass Ost und West zusammenwachsen und wir das als Chance sehen." Die Berliner Koalition habe aber keine Auswirkungen auf den Bund. "Dort ist die PDS nicht kompatibel zu unseren Vorstellungen."

Merz: Koalition ist eine "Schande" für die Stadt

Als Hauptredner für die CDU warnte der ehemalige Kultursenator Christoph Stölzl: "Heute sperrt die SPD dem Kommunismus die Tür zur Macht in Deutschland wieder auf." Mit der PDS komme eine Partei zurück an die Macht, die früher ein Bollwerk der Unfreiheit gewesen sei. "Die leichtfertige liaison dangereuse (gefährliche Liebschaft) wird Sie heute ihre Seele kosten." Auch auf Bundesebene schlug die Union harte Töne an. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz bezeichnete die rot-rote Koalition als "Schande" für die Stadt, Wowereit als "Party-Meister" und Gysi als "Linkspopulisten". Die SPD kündige mit der Koalition den antitotalitären Konsens der demokratischen Parteien auf. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos warnte: "Das Berliner Trauerspiel darf kein Modell für Deutschland werden."

FDP-Landeschef Günter Rexrodt warf der PDS vor, in "unmittelbarer Kontinuität der SED zu stehen". Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz verwies darauf, dass es keinen Aufschrei in der Stadt über die rot-rote Koalition gegeben habe. Aber es fehle der Zukunftsentwurf für die Stadt. PDS-Fraktionschef Harald Wolf riet der Opposition, sich neben der Geschichte der PDS noch andere Themen zu suchen: "Das wird Sie nicht über die ganze Legislaturperiode tragen", sagte er. Zugleich versicherte er, dass seine Partei mit der Vergangenheit gebrochen und ihre Lektion gelernt habe. Gysi versicherte in seiner Vorstellungsrede: "Ich habe niemals mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet." Ihm fehlten bei seiner Wahl von den anwesenden Abgeordneten von SPD und PDS sechs Stimmen, trotzdem reichte die Mehrheit für ihn aus.

Zu Beginn der Sitzung war ein Antrag der CDU auf Vertagung der Wahl wegen Vorwürfen gegen SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder abgelehnt worden. Begründet worden war der Antrag mit der angeblichen "Verstrickung" Strieders in ein Fondsgeschäft der Bankgesellschaft, über das die "Berliner Morgenpost" berichtet hatte. Wegen der Affäre um die Berliner Bankgesellschaft und der CDU- Spendenaffäre hatte die SPD im Sommer die große Koalition mit Hilfe von Grünen und PDS platzen lassen. Nach der Neuwahl am 21. Oktober scheiterten nach einem Monat die Verhandlungen über eine Ampelkoalition. Erst dann nahmen SPD und PDS Gespräche auf. Ein Schwerpunkt der neuen Regierung soll die Konsolidierung des maroden Haushalts sein.

74 Ja- zu 66 Nein-Stimmen für Wowereit

Wowereit wurde mit 74 Ja-Stimmen gegen 66 Nein-Stimmen gewählt. Die Regierungsmannschaft sollte neben Wowereit acht Senatoren umfassen, drei davon aus der PDS. Zu der Mannschaft gehören außerdem bei den Sozialdemokraten Karin Schubert (Justiz, Bürgermeisterin), Klaus Böger (Bildung), Thilo Sarrazin (Finanzen), Erhart Körting (Innen) und Peter Strieder (Stadtentwicklung). Für die PDS Heidi Knake-Werner (Gesundheit, Soziales) sowie Thomas Flierl (Kultur, Wissenschaft)

(RPO Archiv)
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