Neue Giftspuren Woran starb Jassir Arafat?

Lausanne · Im Leichnam des Palästinenserführer wurde Polonium gefunden: für Schweizer Forscher Hinweis auf einen Giftanschlag.

Bei aller Vorsicht lassen sich die Analysen wohl nur auf eine Art zusammenfassen: Palästinenser-Präsident Jassir Arafat wurde 2004 Opfer einer Vergiftung mit der radioaktiven Substanz Polonium. Der Bericht einer zehnköpfigen Schweizer Forschergruppe, geführt vom Institut für Radiophysik der Uniklinik Lausanne, spricht von einer "mäßigen Unterstützung" der Vergiftungsthese. François Bochud, Direktor des Instituts, formulierte es konkreter: "Die Resultate unterstützen nachvollziehbar die Vergiftungsthese." Man könne nicht sicher sagen, dass Polonium die Todesursache war, aber man könne es auch nicht ausschließen.

Das stärkste Indiz ist der Nachweis von Polonium in Arafats Umgebung. Die Forscher haben nicht nur die 20 Proben aus Arafats Grab untersucht, sondern zudem 38 Gegenstände aus der Reisetasche, die Arafat mit sich führte, als er vor seinem Tod 2004 in ein Pariser Krankenhaus verlegt wurde. In getrockneten Urintropfen an seiner Unterwäsche fanden sich Spuren von Polonium.

Ein passendes Indiz, weil mehr als die Hälfte des radioaktiven Gifts über Urin und Schweiß binnen weniger Tage wieder ausgeschieden wird. Etwa zehn Prozent der Polonium-Menge, die der Körper aufnimmt, werden in den Knochen abgelagert. Teile von Arafats Rippe und Beckenknochen lieferten "unerwartet hohe Werte an Polonium", heißt es im Untersuchungsbericht. Doch die Proben seien in einem schlechten Zustand gewesen. Der Nachweis der radioaktiven Substanz unter diesen Bedingungen gelingt weltweit nur wenigen Spezialisten, die ihre Erfahrung meistens aus der Untersuchung von Atomschmuggel beziehen.

Das gut wasserlösliche Polonium ist ein sogenannter Alpha-Strahler, dessen radioaktive Strahlung nur einen Zehntelmillimeter weit reicht, aber dadurch den Körper langsam von innen zerstören kann. Durch seine Radioaktivität hat sich nach 138 Tagen die Menge des Poloniums halbiert; 20 solcher Halbwertszeiten sind seit Arafats Tod vergangen — von der ursprünglichen Giftmenge ist also nur noch ein Millionstel übrig geblieben, und das auch noch in Arafats Körper verteilt.

Die israelische Regierung sieht deshalb in der Studie auch "mehr Seifenoper als Wissenschaft". Die Vergiftungstheorie weise "mehr große Löcher auf als ein Schweizer Käse", hieß es. Um diesen Einwand wirkungsvoll zu entkräften, haben die Schweizer Forscher viel Mühe auf die Dokumentation der Ergebnisse verwandt. Der 108 Seiten starke Bericht enthält viele Details, damit andere Wissenschaftler die Methode, das Resultat und dessen Interpretation kontrollieren können. Französische und russische Forscher haben dieselben Proben untersucht, ihre Ergebnisse aber noch nicht veröffentlicht.

Kritisch setzen sich die Schweizer auch mit Arafats Krankengeschichte auseinander: Eine Vergiftung durch Radioaktivität geht normalerweise mit Haarausfall und dem Verlust von Knochenmark einher — Symptome, die beim sterbenden Palästinenser-Präsidenten nicht beobachtet wurden. Dafür passen andere Symptome sehr gut: Arafats Gesundheitszustand hatte sich etwa vier Stunden nach seinem Abendessen am 12. Oktober 2004 radikal verschlechtert. Ob das Gift im Essen war und wer es dort untergemischt haben könnte, wird sich nicht mehr klären lassen. Damals hatte Arafat auch viele Feinde — nicht nur in Israel, auch innerhalb der Palästinenser-Regierung.

Die Schweizer Forscher bedauern, dass die britischen Behörden nicht alle Details zum Tod von Alexander Litwinenko veröffentlicht hätten. Der russische Ex-Agent starb 2006, weil sein Tee mit Polonium vergiftet worden war.

(RP)
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