"Kalte Progression" Schäuble will Steuerzahler entlasten

Berlin · SPD-Chef Gabriel will die "kalte Progression" abmildern, auch CDU-Politiker sehen ihre Partei im Wort. Der Finanzminister plant angeblich den Nachlass von zwei Prozent bei der Einkommensteuer ab 2016.

Der Unterschied zwischen Steuertrick und Steuerbetrug
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Foto: dpa, fz

Angesichts neuer Zahlen über steigende Staatseinnahmen in dieser Woche wächst der Druck auf Finanzminister Wolfgang Schäuble, noch in dieser Wahlperiode die "kalte Progression" abzumildern. Angeblich hat der CDU-Politiker Mitgliedern der Koalition ein Modell vorgestellt, wonach ab 2016 die Einkommensteuer um zwei Prozent abgesenkt werden könnte, um die Bürger um drei Milliarden Euro zu entlasten - damit könne zumindest jener Anteil zurückgegeben werden, den der Staat der Inflation verdanke.

Hochrangige Regierungskreise wollten diese Darstellung des "Spiegel" nicht bestätigen: "Es gibt keinen neuen Stand und auch keine Arbeit an einem Gesetzentwurf", hieß es. Die Regierung werde wie geplant einen für Herbst erwarteten Bericht zur "kalten Progression" abwarten und danach zu Entscheidungen kommen.

Als "kalte Progression" wird das Phänomen bezeichnet, wonach der Arbeitnehmer überproportional mehr Steuern zahlen muss, wenn seine Einkünfte steigen. Von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche sitzen die amtlichen Steuerschätzer zusammen, um eine neue Prognose zu den absehbaren Staatseinnahmen zu entwickeln. Allein für 2018 werden offenbar elf Milliarden Euro mehr erwartet als noch im vergangenen Herbst vermutet.

In der Koalition werden die immer wieder neu aufbrechenden Debatten über einen näher rückenden Abbau der "kalten Progression" nicht auf aktuelle operative Regierungshandlungen, sondern auf eine Positionierung für die Entscheidungsfindung im Herbst zurückgeführt. Auch das Finanzministerium hat wiederholt darauf verwiesen, dass noch längst nicht alle Milliardenvorhaben der Koalition auch im Haushalt verankert seien und sie somit in direkter Konkurrenz zu einer eventuellen Absenkung der Einkommensteuer stünden.

Im "Spiegel"-Interview gab Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel den Erwartungen zu Steuererleichterungen neue Nahrung. "In einer Zeit sehr hoher Steuereinnahmen muss zu den beiden Zielen Konsolidieren und Investieren ein drittes Ziel hinzutreten: die Steuerentlastung der mittleren Einkommen durch die Beseitigung der ,kalten Progression'", erklärte Gabriel. Diese "kalte Progression" sei "sozial ungerecht", betonte er.

Die Neu-Positionierung der SPD ist damit jedoch noch nicht von allen Genossen akzeptiert. Der Kampf um eine gerechte Gesellschaft gelinge "nur mit einem hohen Steuerniveau", gab etwa SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer zu Protokoll, und auch Baden-Württembergs SPD-Finanzminister Nils Schmid sah für Steuersenkungen "im Moment keine Spielräume".

SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider unterstützt die Absicht, "die schleichende Belastung insbesondere der mittleren Einkommen abzuräumen". Dies dürfe jedoch nicht auf Kosten notwendiger Investitionen in Bund und Ländern gehen und die Konsolidierung des Haushaltes gefährden. "Dafür brauchen wir eine Gegenfinanzierung, und zwar den Abbau von Subventionen", sagte er unserer Zeitung.

Schäuble selbst hat wiederholt angedeutet, sich nicht gegen einen Abbau der "kalten Progression" zu wehren, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen. "Wir stehen beim Abbau der ,kalten Progression' seit langem im Wort", sagte der Chef der CDU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz, Mike Mohring. Nach der Steuerschätzung gebe es die Möglichkeit, Spielräume zur Entlastung zu nutzen. "Ab 2016 künftige inflationsbedingte Mehreinnahmen nicht weiter zu veranschlagen, erfüllt ein anderes Wahlversprechen, nämlich keine Steuererhöhung zuzulassen", betonte der CDU-Politiker.

(may-)
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