"Kalte Progression" Wolfgang Schäuble will 2016 Steuern senken

Berlin · Überraschend will der Bundesfinanzminister die "kalte Progression" bereits ab dem kommenden Jahr abbauen. Die Entlastung wird für die meisten Bürger finanziell aber kaum zu spüren sein.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Angesichts kräftig steigender Steuereinnahmen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bürger schon im kommenden Jahr entlasten. Mit einer Anpassung des Einkommensteuer-Tarifs will er den Effekt einer heimlichen Steuererhöhung für untere und mittlere Einkommen bekämpfen. Der Staat wird dadurch rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr weniger einnehmen.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Bund, Länder und Kommunen bis 2019 auf 38,3 Milliarden Euro mehr Einnahmen hoffen dürfen als noch im November vorhergesehen. In diesem Jahr werden 666,5 Milliarden Euro erwartet, 6,3 Milliarden mehr als bisher prognostiziert. Bis zum Jahr 2019 könnten es 768,7 Milliarden Euro sein, wie aus der neuen Steuerschätzung hervorgeht.

Politischer Druck hatte zugenommen

Für Arbeitnehmer wird Schäubles Mini-Steuerreform aber kaum spürbar sein. Zwar bewirkte in vergangenen Jahren die sogenannte kalte Progression, dass Beschäftigte bei hoher Inflation von Lohnerhöhungen am Ende weniger Geld in der Tasche hatten. Wegen der geringen Teuerungsrate von derzeit 0,9 Prozent ist das im laufenden Jahr und wohl auch 2016 aber kein Problem.

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Für Schäuble dürfte es also leicht gewesen sein, Zugeständnisse zu machen - auch wenn dadurch mittelfristig durchaus hohe Kosten auf den Staat zukommen könnten. Der politische Druck auf den Bundesfinanzminister hatte zuletzt stark zugenommen. SPD, Gewerkschaften, die CSU und der CDU-Wirtschaftsflügel hatten Steuererleichterungen immer lautstärker gefordert.

Dass die finanzielle Entlastung für die Steuerzahler nicht sehr üppig ausfallen wird (siehe Beispiele in der Info-Box), kommentierte Schäuble am Donnerstag trocken: "Dass das für den Einzelnen keine große Entlastung ist, habe ich den leidenschaftlichen Befürwortern immer schon gesagt."

Skepsis an den Plänen wurde aus Kreisen der Landespolitiker laut. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) verwies auf künftig drohende Finanzlücken: "Dass es enormen Finanzierungsbedarf für Infrastruktur, Bildung, Sicherheit und für Menschen in Not gibt, liegt ebenso auf der Hand wie die Verpflichtung zum Verzicht auf neue Schulden spätestens ab 2020." Wenn die Entwicklung der Steuereinnahmen dazu noch Raum für Entlastung gebe, sei das gut, so der Landesminister. "Aber mich interessiert natürlich, wie der Bundesfinanzminister seine Ankündigung zu finanzieren gedenkt", sagte Walter-Borjans.

SPD-Chef Gabriel zufrieden

Parteichef Sigmar Gabriel ist dagegen zufrieden. "Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland muss bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen", sagte der SPD-Vorsitzende. Er sei zuversichtlich, dass nun die Kaufkraft der Bürger gestärkt werde.

Offen ist noch, ob die Länder dem Vorstoß der Koalition zustimmen. Zumal die Grünen, die im Bundesrat an neun Länderregierungen beteiligt sind, Kritik äußerten. "In Zeiten der Nullinflation gibt es keine "kalte Progression". Deshalb ist der Abbau auch 2016 überflüssig", sagte Lisa Paus, steuerpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

Unterdessen einigten sich Schäuble und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) verbindlich auf eine Anhebung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende von derzeit 1308 auf künftig 1908 Euro. 25 Millionen Euro der anfallenden Mehrkosten sollen aus dem Etat des Familienministeriums kommen. Die erwarteten gesamten Mehrkosten liegen jedoch bei 100 Millionen Euro.

(jd / mar)
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