Analyse Wohin führt Rot-Rot?

Berlin · Die SPD steckt in einer Misere: Um Machtoptionen zu gewinnen, reicht sie der Linkspartei die Hand. Ihr linker Flügel aber ist tief zerstritten. Wenn die Partei nicht bald in den Umfragewerten steigt, droht der SPD die nächste Strategiedebatte.

In dieser Woche feiert Deutschland die Angela-Merkel-Festspiele: Die Bundeskanzlerin war zuerst auf Siegerfotos mit den deutschen WM-Helden in Brasilien zu sehen, sagte dann kurz nach der Rückkehr in Berlin armen Länden rund 750 Millionen Euro für den Klimaschutz zu, fliegt nun zwischendurch nach Brüssel und auf den Balkan, feiert am Donnerstag ihren 60. Geburtstag mit viel Tamtam und gibt am Freitag die große Sommer-Pressekonferenz, bevor sie sich schließlich mit Donnerhall in den Urlaub verabschieden wird.

Die Sozialdemokraten als Juniorpartner in der großen Koalition können in diesen Tagen nur danebenstehen und zuschauen. Sie müssen zudem feststellen, dass sie ihre größten Kanonen bereits abgefeuert haben. Nach der Sommerpause dürften die Rauchwolken von Mindestlohn, Rente mit 63 und EEG schon weitgehend verflogen sein.

Das Kalkül der Parteispitze: Die Menschen müssen erst spüren, dass sich nun etwas ändert. Dann würden auch endlich die Umfragewerte wieder nach oben klettern.

Bisher verharrt die SPD trotz des irrwitzigen Tempos ihrer Gesetzgebung bei fast unveränderten 26 Prozent der Wählerzustimmung. Die Union musste von ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl nur leichte Abstriche machen - von 41,5 auf 39 Prozent in aktuellen Umfragen. Also müssen bei der SPD andere Strategien her, um mittelfristig neue Machtoptionen zu eröffnen.

Die Linkspartei, einst ein Tabu, steht nun als Gesprächspartner bereit. Anfang Juni hatte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel mit den Vorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger, zu einem Geheimtreffen verabredet. Nicht wenige Genossen traf es wie der Schlag, als die Gespräche bekannt wurden. Hinterher hieß es zwar aus Kreisen der Verhandelnden, man sei "schockiert, wie wenig Gemeinsamkeiten es selbst bei sozialstaatlichen Umverteilungsfragen gebe". Dennoch: Seit dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Leipzig im November 2013 ist die Linkspartei offiziell als Koalitionspartner denkbar.

Bei den Genossen heißt es dazu: "Die SPD steht vor der Herausforderung, eine Strategie finden zu müssen, um nach der nächsten Bundestagswahl eine Koalition anführen zu können." Wenige Monate habe man Zeit, dann müsse sich etwas tun, sagen Insider. "Wenn sich die bisherigen Erfolge an der Regierung bis Anfang nächstens Jahres nicht positiv auf die Umfrageergebnisse auswirken, wird mancher in der Partei nervös werden. Dann könnte der SPD eine neue Strategiedebatte drohen."

Da ist es schlicht unerwünscht, wenn ausgerechnet aus den eigenen Reihen laute Kritik an vermeintlich historischen Erfolgen wie dem Mindestlohn geäußert wird. So geschehen, als die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis per Pressemitteilung sinngemäß kundtat, die auf Druck der Union vereinbarten Mindestlohn-Ausnahmen hätten Ähnlichkeit mit der faulen Seite eines ansonsten schön roten Apfels. Als Vorsitzende des SPD-Forums Demokratische Linke 21 bekam sie prompt Austrittserklärungen von insgesamt 14 Sozialdemokraten, darunter Prominente wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die nicht mehr Teil des Gremiums sein wollten.

Jetzt, so heißt es in der Partei, sei die "DL 21" völlig unbedeutend. Einfluss von Links habe nur noch die Parlamentarische Linke als eine der drei großen Strömungen in der SPD - neben dem konservativen Seeheimer Kreis und den moderaten Netzwerkern.

Während also der linke Flügel auseinanderfällt, muss nun die Parteiführung auf die Linkspartei zugehen und gleichzeitig der großen Koalition treu bleiben. Ein Spagat, der einfacher über die Bundesländer gelöst werden könnte.

In Thüringen wird am 14. September gewählt. Und erstmals nach der Wiedervereinigung bestehen Chancen, dass mit Bodo Ramelow ein linker Ministerpräsident regieren könnte - die SPD wäre mit Spitzenkandidatin Heike Taubert Juniorpartnerin in der Koalition. Konservative Genossen laufen Sturm gegen die Gedankenspiele. Aus Parteikreisen in der Bundeshauptstadt heißt es nur, das sei doch eine gute Lockerungsübung für die Zukunft.

Für eine Zusammenarbeit über Thüringens Landesgrenzen hinaus hat man dort aber schon Präferenzen zum Personal der Linken: "Mit den Ost-Reformern wie Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow sind Kooperationen mit Sicherheit eher denkbar als mit den Fundamentalisten aus dem Westen wie Dieter Dehm oder Klaus Ernst", heißt es.

(jd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort