Moskau Putin vergleicht Krim mit Tempelberg

Moskau · In seiner Rede zur Lage der Nation rechtfertigt der Kreml-Chef seinen Griff nach der Krim und die russische Ukraine-Politik. Wenig kraftstrotzend wirkt Putin, als es um die wirtschaftliche Entwicklung Russlands geht.

Russland ist stark, Russland wird sich gegen seine Feinde wehren, Russland betrachtet die Krim als Nationalheiligtum. Drohungen gegen den Westen und ein säbelrasselnder Patriotismus dominierten gestern die Rede von Präsident Wladimir Putin zur Lage der Nation. Während der Staatschef im prunkvollen Georgssaal des Kremls vor der russischen Politprominenz sprach, sackte der Rubel am Devisenmarkt weiter ab. Investoren konnten in seiner Rede keine Anzeichen für einen politischen Kurswechsel erkennen.

Putin begann mit dem Thema Krim. "Russland hat mit Taten bewiesen, dass es in der Lage ist, seine Mitbürger zu verteidigen und mit Ehre für Würde und Gerechtigkeit einzutreten", sagte er. Der Anschluss der Schwarzmeer-Halbinsel nach einer Militärinvasion im März sei im Einklang mit dem Völkerrecht geschehen. Russland werde sich nicht der "Unterwerfungspolitik" des Westens beugen. Die Krim habe für sein Land große zivilisatorische und sakrale Bedeutung, sagte der Präsident. Sie sei für Russland, was der Tempelberg in Jerusalem für die Juden sei. "So werden wir uns ab jetzt und für immer zu ihr stellen."

Zu dem Auslöser des Ukraine-Konflikts sagte Putin, ursprünglich sei es dabei nur um das kleine technische Detail gegangen, dass die damalige ukrainische Führung unter Präsident Viktor Janukowitsch die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU habe "verschieben" wollen. Russland sei dabei von der EU ignoriert wurden: "Uns wurde gesagt, das sei nicht unsere Angelegenheit." Moskau habe aber in der Region legitime Interessen.

Hinter all dem vermutet der Kreml-Chef die Machenschaften der USA. Er beschuldigte Washington, in Russlands unmittelbarer Nachbarschaft Unfrieden zu stiften. "Manchmal weißt du nicht, mit wem du besser sprechen solltest - mit den Regierungen einiger dieser Staaten oder gleich mit ihren amerikanischen Beschützern und Sponsoren", lästerte Putin.

Der Westen hatte auf die Annexion der Krim durch Russland mit Wirtschaftssanktionen reagiert. Aus Putins Sicht war das nur ein Vorwand, um Russland zu schaden: "Hätte es die Ereignisse in der Ukraine und den Krim-Frühling nicht gegeben, hätte sich der Westen andere Gründe ausgedacht, um Sanktionen zu verhängen." Dieses Instrument werde jedes Mal angewandt, wenn andere der Meinung seien, dass Russland zu stark geworden sei. Experten gehen davon aus, dass sich der wirtschaftliche Schaden der Sanktionen für Russland schon heute auf rund 113 Milliarden Euro beläuft. "Andere Regierungen versuchen, uns mit einem eisernen Vorhang zu umgeben", so Putin.

Der 62-Jährige zeigte sich überzeugt, dass Russlands "Feinde von gestern" das Land wie Jugoslawien in den 90er Jahren zerschlagen und untergehen lassen wollen. Doch eine militärische Überlegenheit über Russland könne es für niemanden geben. "Unsere Armee ist modern und kampfbereit. Wie man jetzt sagt, höflich, aber stark. Zur Verteidigung unserer Freiheit haben wir genug Kraft, Willen und Mut", betonte Putin. Nach der Invasion der Krim hatte er einst die russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen als "höfliche junge Männer" bezeichnet.

Weit weniger kraftstrotzend und selbstbewusst wirkte der Präsident in dem Teil der Rede, die der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes gewidmet war. Ein sinkender Ölpreis, Sanktionen und schlechte Wirtschaftsprognosen haben dazu geführt, dass der Rubel in den vergangenen Monaten im Vergleich zum Dollar und zum Euro ein Drittel an Wert verloren hat. Putin sah die Schuld vor allen bei Finanzspekulanten und drohte ihnen mit Konsequenzen. "Die Führung weiß, wer diese Spekulanten sind, und es gibt Instrumente, um auf sie einzuwirken", sagte er.

Ansonsten hatte Putin wenig Neues zu bieten: Die russische Wirtschaft müsse technologisch innerhalb von drei bis vier Jahren zum "durchschnittlichen Weltniveau" aufschließen, forderte der Kreml-Chef. Um die Geldknappheit russischer Unternehmen zu lindern, versprach er allen Landsleuten, die ihr Vermögen außer Landes gebracht haben, eine Amnestie. Wer sein Geld wieder nach Russland bringe, müsse keine Fragen dazu befürchten, wie er es verdient habe.

Die mangelnde Sicherheit des Eigentums ist allerdings eines der Hauptprobleme Russlands. Allein in diesem Jahr dürfte die Kapitalflucht auf mehr als 80 Milliarden Euro steigen.

(RP)
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